07.03.2016

Allgemein relativistische Strukturbildung

Neues Simulationsprogramm berücksichtigt erstmals Gravitations­wellen und Lense-Thirring-Effekt.

Das Universum dehnt sich beständig aus. Es verändert sich, neue, sich verbindende Strukturen entstehen. Aber wie entwickelt sich unser Universum? Physiker der Universität Genf haben ein neues Programm für numerische Simulationen entwickelt, das einen Einblick in den komplexen Prozess der Entstehung von Strukturen im Universum erlaubt. Basierend auf den Einstein­schen Feldgleichungen, gelang es den Forschern, die Rotation der Raumzeit in ihre Berechnungen einzubeziehen und die Entstehung von Gravitationswellen zu berechnen, deren Existenz erst unlängst erstmalig direkt bestätigt wurde.

Abb.: Gravitationswellen, die während der Formation von Strukturen im Universum ent­stehen. Die Massen­elemente sind als leuchtende Punkte dargestellt, die Gravi­tations­wellen als Ellipsen. Die Größe der Ellipsen ist pro­por­tional zur Ampli­tude der Welle, ihre Orien­ta­tion stellt die Pola­ri­sation dar. (Bild: R. Durrer, U. Genf)

Bislang haben sich Wissenschaftler bei Studien über die Formation großer kosmischer Strukturen auf numerische Simulationen gestützt, die auf der Newtonschen Gravitation basieren. Diese Programme besagen, dass der Raum selbst sich nicht verändert, er ist statisch, während die Zeit weiterläuft. Die darauf basierenden Simulationen sind sehr präzise, wenn die Materie im Universum sich sehr langsam bewegt. Bewegen sich die Materiepartikel jedoch mit hoher Geschwindigkeit, dann erlaubt dieser Kode nur ungefähre Berechnungen. Außerdem kann er Fluktuation dunkler Energie nicht be­schreiben. Diese macht etwa siebzig Prozent der gesamten Energie im Universum aus und ist verantwortlich für die beschleunigte Expansion des Universums. Daher war es nötig, neue Wege für die Simulation der Ent­stehung kosmischer Struk­turen zu finden, die es erlauben, diese beiden Phänomene zu berücksichtigen.

Das Team von Ruth Durrer hat daher ein Computerprogramm geschrieben, das auf Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie basiert. Darin wird die Raumzeit als dynamisch betrachtet, im Gegensatz zum statischen Weltall in der Newtonschen Theorie. Ziel der Forscher war es, die Produktion von Gravitationswellen, sowie den Lense-Thirring-Effekt, also die Rotation der Raumzeit, vorherzusagen, die durch die Entstehung kosmischer Strukturen hervorgerufen werden.

Dazu analysierten die Genfer Physiker einen Kubus im Weltall, bestehend aus sechzig Milliarden Zonen, welche jeweils ein Teilchen enthalten, das einen Teil einer Galaxie repräsentiert. Dank der LATfield2 Library, entwickelt von David Daverio von der Uni Genf, mit der nichtlineare partielle Diffe­renzial­gleichungen gelöst werden können, und dem Supercomputer des Schweizer Supercomputerzentrums in Lugano, konnten die Wissenschaftler die Bewegungen der Teilchen sowie die Metrik berechnen, indem sie Einsteins Gleichungen lösten. Die daraus resultierenden Spektren der Teil­chen­ver­teilung und der Gravitationswellen erlauben es, die Unterschiede zwischen den Ergebnissen zu quantifizieren, die einerseits durch den all­gemein­rela­ti­vis­tischen und andererseits durch newtonsche Kodes gewonnen wurden. Dadurch lassen sich die Effekte von Gravitationswellen und des Lense-Thirring-Effekts bei der Entstehung von Strukturen im Universum feststellen.

Mit dem neuen Kode sind die Forscher zudem in der Lage, die Theorie der Allgemeinen Relativität auf viel größeren Skalen zu testen als bisher möglich. Durrer und ihr Team haben sich entschlossen, den Kode frei zugänglich zu machen, um auch anderen Forschern seine Anwendung für kosmologische Fragen zu ermöglichen. So wird vielleicht schon bald Licht auf die Geheim­nisse der dunklen Energie fallen.

U. Genf / RK

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