01.04.2015

Als die Galaxien leuchten lernten

Starke Gravitationslinse erlaubt Rekonstruktion einer frühen Galaxie zur Hochzeit der Sternentstehung.

Galaxien bilden ständig neue Sterne in dichten Wolken aus interstellarem Gas und Staub. Die Sternentstehungsrate in heutigen Galaxien ist jedoch viel geringer als zu früheren Zeiten. Als das Universum erst ungefähr ein Viertel seines heutigen Alters hatte, war die Sternentstehung auf ihrem Höhepunkt; deshalb sind die Astronomen sehr daran interessiert, mehr über diese Zeitspanne zu erfahren. Aufgrund der endlichen Licht­geschwindigkeit ist ein Blick zurück in die Vergangenheit möglich, aber immer verbunden mit einem Blick auf große Entfernungen. Dies wiederum bedeutet, dass junge Galaxien sehr klein und sehr schwach erscheinen. Außerdem können die meisten ihrer neugeborenen Sterne nicht direkt beobachtet werden, da ihre Strahlung durch Staub in der umgebenden Gaswolke absorbiert wird und bei Ferninfrarot-Wellenlängen wieder emittiert wird.

Abb.: ALMA-Bild der Kontinuumsemission bei 236 GigaHertz der gelinsten Galaxie SDP.81 bei zwei Winkelauflösungen. Das gelinste System besteht aus vier Bildern mit einem ausgedehnten, nur schwach leuchtenden Einstein-Ring. (Bild: MPA)

Dies macht Sternentstehungs­gebiete in entfernten Galaxien zu einem der wichtigsten Ziele für das Atacama Large Millimeter/Submilli­meter Array. Im Endstadium, wird ALMA aus 66 Hochpräzisionsantennen auf der Chajnantor-Hochebene auf 5000 Meter Höhe im nördlichen Chile bestehen. Die Daten der einzelnen Antennen lassen sich interferometrisch kombinieren und die Spannweite von 15 Kilometern des Teleskop­verbundes insgesamt liefert Auflösungen von besser als einer Zehntel Bogensekunde.Dies allein wäre aber immer noch nicht ausreichend, um detaillierte Bilder junger Galaxien auf dem Höhepunkt ihrer Stern­entstehungs­aktivitäten zu machen.

„Bei einer Konferenz präsentierten ALMA-Wissenschaftler neue Daten, mit denen sie das wissenschaftliche Potential des Arrays überprüft hatten, darunter auch ein Bild eines starken Gravitationslinsensystems, das sofort unser Interesse weckte“, erinnert sich Simona Vegetti, Postdoc-Wissen­schaftlerin am Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA). „Durch die Linse wird das Licht der Hinter­grund­galaxie stark verstärkt, genauer gesagt um das 17-fache, nur deshalb sind wir überhaupt in der Lage, die Galaxie zu sehen. Zusammen mit ALMAs einzigartiger Winkelauflösung gab uns das die Chance, zum ersten Mal zu versuchen die Details in der Verteilung des Staubes in einer weit entfernten Galaxie zu untersuchen.“

Abb.: Modell für die rekonstruierte Oberflächenhelligkeitsverteilung der Hintergrundgalaxie. Man erkennt deutlich drei Bereiche mit erhöhter Emission; diese Struktur könnte auf eine Scheiben­galaxie hindeuten, die von der Seite gesehen wird. (Bild: MPA)

Die Wissenschaftler konnten aufgrund der Eigenschaften der „gelinsten“ Bilder die Massen­verteilung des Linsensystems bestimmen und das ursprüngliche Bild der fernen Galaxie rekonstruieren. „Bei früheren Rekonstruktionen wurde angenommen, dass die Hinter­grund­galaxien glatt und regelmäßig sind“, erklärt Matus Rybak, der die Computermodellierung am MPA durchführte. „Das ist aber wahrscheinlich eine recht schlechte Näherung für die Struktur einer Galaxie mit starker Stern­entstehung, und die rohen ALMA-Bilder gaben uns bereits klare Hinweise darauf, dass diese Hinter­grund­quelle komplex sein muss. Der neue, allgemeinere Ansatz, den wir entwickelt haben, ist viel besser für solch unregelmäßige Systeme geeignet.“

Dieser Verdacht bestätigt sich im rekonstruierten Bild der Galaxie SDP.81, das zeigt, dass die Sternentstehung in drei verschiedenen Regionen konzentriert ist. „Dies ist das erste Mal, dass wir Strukturen in der Staubemission einer z=3 Galaxie auf Skalen von weniger als 150 Lichtjahren sehen“, betont Simona Vegetti. Zu dieser kosmischen Zeit befand sich die Stern­entstehungs­rate in typischen Galaxien auf dem Höhepunkt, und in der Tat entstehen in SDP.81 Sterne mit etwa 300 Sonnenmassen pro Jahr. Zum Vergleich: In unserer Milchstraße beträgt die Stern­entstehungs­rate nur etwa drei Sonnenmassen pro Jahr.

Diese komplexe Struktur der Galaxie könnte darauf hindeuten, dass es sich um eine rotierende Scheibe mit einer zentralen Ausbuchtung handelt, die wir von der Seite sehen – und die auch von der Seite gelinst wird. Alternativ könnte es sich um ein System handeln, das sich gerade im Prozess der Verschmelzung befindet, wobei die einzelnen Komponenten immer noch sichtbar sind. Um zwischen diesen Möglichkeiten unterscheiden zu können, benötigen die Wissenschaftler Daten über die Bewegungen des Gases innerhalb der Galaxie. Der nächste Schritt für das MPA-Team gemeinsam mit ihren Kollegen Paola Andreani an der ESO und John McKean an der Universität Groningen und dem niederländischen Institut für Radioastronomie (ASTRON) wird es daher sein, die Beobachtungen einer Molekül­linie dieses Systems zu analysieren, die ALMA ebenfalls durchgeführt hat.

MPA / DE

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