28.11.2016

Andocken per Joystick

ISS – Geschicklichkeit in Schwerelosigkeit lässt sich trainieren.

In der Schwere­losigkeit erreicht der Mensch nicht immer dieselbe Geschick­lichkeit wie auf der Erde. Ein Phänomen, das in der bemannten Raumfahrt bekannt aber nicht entschlüsselt ist: Was ist der Grund für die verminderte Hand-Auge-Koor­dination im All, und wie können Leistungs­einbußen ausgeglichen werden? Zusammen mit Kosmo­nauten auf der Inter­nationalen Raum­station ISS haben Wissen­schaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR deshalb eine achtwöchige Experiment­reihe gestartet.

Abb.: Kosmonaut Andrei Borissenko trainiert mit dem DLR-Kontur-2-Joystick. (Bild: Roskosmos)

Hierbei kommt der Kontur-2-Joystick des DLR-Instituts für Robotik und Mecha­tronik zum Einsatz, der sich seit Juli 2015 auf der ISS befindet. Das System ist kraft­reflek­tierend und ermöglicht dank Tele­präsenz-Techno­logie die feinfühlige Fern­steuerung von robotischen Systemen, so als ob der Bediener selbst vor Ort wäre. Letztes Jahr wurden mehrere Experimente zur Steuerung von Robotern auf der Erde mit dem Kontur-2-Joystick auf der ISS erfolgreich abge­schlossen. Zuletzt konnte das Projekt­team im Dezember 2015 mit einem feinfühligen Tele-Hand­shake zwischen ISS und Erde diese Techno­logie erfolgreich demon­strieren.

Ganz besonders kritisch ist die Leistungs­fähigkeit der Hand-Auge-Koor­dination bislang beim manuellen Andocken der Soyus an die ISS. Fällt das auto­matische System aus, muss das Raumschiff über das TORU-System mit zwei Joysticks gesteuert werden –ein extrem schwieriges Manöver, das jahrelanges Training der Astro­nauten erfordert. Eine weitere aktuelle Anwendung, die Geschick­lichkeit erfordert betrifft die Steuerung des Canadarms, der Roboterarm an der Außenwand der ISS. Da robotische Systeme und Tele­präsenz-Techno­logien in der Raumfahrt eine immer größere Rolle spielen, ist auch die Bedienungs­fähigkeit des Menschen künftig stärker gefragt. „Von der neuen Kontur-2-Studie erwarten wir uns wichtige Hinweise zum besseren Verständnis der mensch­lichen Senso­motorik unter Bedingungen der Schwere­losigkeit. Dies ist ein unver­zichtbarer Aspekt, um zukünftige Tele­präsenz- oder Tele­robotik­systeme sicher und effizient zu bedienen und somit unsere Vision der plane­taren Explo­ration Realität werden zu lassen“, erklärt Projekt­leiter Bernhard Weber vom DLR-Institut für Robotik und Mecha­tronik.

Die Experiment­reihe zielt darauf ab, jeden Bewegungs­aspekt isoliert betrachten und analysieren zu können. Dazu haben Weber und seine Kollegen eine Computer­simulation mit möglichst einfachen Aufgaben entwickelt: Die Kosmo­nauten sollen mit dem Joystick einen Cursor auf einem Bildschirm steuern und führen diverse Ziel- und Folge­aufgaben aus. Getestet werden die Leistungen bei Positions­steuerung, Geschwindig­keitssteuerung und vor allem die Auswirkungen der unter­schiedlichen Joystick-Ein­stellungen. Denn über die Kraftrück­kopplung kann die Dämpfung, Steifig­keit und Masse des Joysticks in ver­schiedenen Inten­sitätsgraden geregelt werden. Durch die optimale Einstellung des Joysticks erhofft man sich eine Verbesserung der Sensomotorik in der Schwerelosigkeit.

Um aussage­kräftige Ergeb­nisse zu erhalten, sind an der Studie gleich mehrere Kosmo­nauten beteiligt: Andrei Borissenko, Sergey Ryschikow und Oleg Novitsky führen über denselben Zeitraum von acht Wochen dieselben Aufgaben mehrmals in unter­schiedlicher Reihenfolge durch. Die terres­trischen Vortests haben die Probanden dabei schon absolviert. Das Kontur-2-Team hatte sich dazu im Juli mit den drei Kosmo­nauten getroffen und die Experimente im Gagarin-Kosmo­nauten-Trainings­zentrum in Moskau durchgeführt, um mögliche Leistungs­einbußen in der Schwere­losigkeit genau bestimmen zu können.

Nun haben Andrei Borissenko und Sergey Ryschikow ihre ersten Sessions erfolgreich an Bord der ISS durchgeführt und werden die Experiment­reihe bis Ende Dezember fortsetzen. Die Erkenntnisse helfen den DLR-Wissen­schaftlern, die Ursachen für die verminderte Hand-Auge-Koor­dination zu klären, Lösungs­ansätze für einen möglichen Ausgleich zu erarbeiten und Tele­präsenz-Techno­logien wie den Kontur-2-Joystick weiter für den Einsatz im Weltraum zu optimieren.

DLR / JOL

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