12.11.2018

Antimaterie im freien Fall

ALPHA-g und GBAR sammeln Daten zur Gravitation von Antiwasserstoff.

Es braucht kein Physik­studium, um gelernt zu haben, dass zwei Objekte unterschiedlicher Masse in Abwesenheit von Reibungs­kräften mit gleicher Geschwindigkeit zur Erde fallen. Aber gilt das auch für Antimaterie? Ob diese mit gleicher Geschwindigkeit wie „normale“ Materie herunterfallen würde, lässt sich aus naheliegenden Gründen nicht in Schüler­experi­menten herausfinden. Vergangene Woche starteten am CERN nun die Experimente ALPHA-g und GBAR zur Unter­suchung des Verhaltens von Anti­materie im Gravitationsfeld der Erde.

Abb.: Installation des ALPHA-g-Experiments in der Antiprotonenbeschleunigerhalle des CERN. (Bild: CERN)

ALPHA-g ist dem seit 2005 betriebenen Experiment ALPHA (Antihydrogen Laser PHysics Apparatus) sehr ähnlich. Dieses stellt neutrale Anti­wasser­stoff­atome her, indem es Anti­protonen aus dem Anti­protonen­verzögerer (AD) mit Positronen aus einer Natrium-22-Quelle zusammenführt. Die so entstehenden neutralen Anti­wasser­stoff­atome werden im ALPHA-Experiment in einer Magnet­falle eingeschlossen und mit Laserlicht oder Mikro­wellen bestrahlt, um ihre innere Struktur zu messen. Das ALPHA-g-Experiment verfügt über die gleiche Art von Geräten zur Herstellung und zum Einfangen von Antiatomen, ist allerdings vertikal ausgerichtet. Nachdem Abschaltung der Magnetfelder der Falle stehen die Anti­wasser­stoff­atome nur noch unter Einfluss des Erd­gravitations­felds. Die Forscher können mit diesem Aufbau also den freien Fall der Antiatome messen, indem sie die vertikalen Positionen, an denen sich Anti­wasser­stoff­atome und normaler Materie gegen­seitig unter Aus shy;sendung von Strahlung vernichten, bestimmen. So lässt sich die Wirkung der Schwer­kraft auf die Anti­atome genau unter shy;suchen.

Das GBAR- (Gravitational Behaviour of Antihydrogen at Rest-) Experiment, das sich ebenfalls in der AD-Halle befindet, geht einen anderen Weg. Es bringt Anti­proto­nen aus dem Ver­zögerungs­ring ELENA (Extra Low ENergy Antiproton) und Positronen aus einem kleinen Linear­beschleuniger zu Anti­wasser­stoff­ionen zusammen, die aus einem Anti­proton und zwei Positronen bestehen. Diese Anti­wasser­stoff­ionen werden dann eingefangen und auf eine extrem niedrige Temperatur von circa 10 Mikro­kelvin abgekühlt. Anschließend werden sie mit Laser­licht von einem Positron befreit und in neutrale Anti­wasser­stoff­atome umgewandelt, die dann aus der Falle gelöst werden und überwacht eine Fall­strecke von 20 Zenti­metern zurücklegen.

Abb.: Eine Extraktionslinie verbindet ELENA mit dem neu installierten Entschleuniger von GBAR. (Bild: Julien Ordan/CERN)

Monatelang arbeiteten Wissen­schaftler und Ingenieure rund um die Uhr an der Zusam ­men­stellung der Experimente. Nachdem ELENA bereits im Juli einen ersten Strahl zu GBAR schickte, erhielt Ende Oktober nun auch ALPHA-g nach Bestehen der erfor­der­li­chen Sicherheitsanforderungen erste Anti­protonen aus dem Anti­protonen­verzögerer. Dies markiert den Beginn beider Experimente. Bevor in wenigen Wochen die Beschleu­niger des CERN für zweijährige Wartungs­arbeiten abgeschaltet werden, können die Teams von ALPHA-g und GBAR ihre Experimente in Betrieb nehmen.

Jeffrey Hangst, Sprecher der ALPHA-Experimente, hofft. „dass wir die Chance bekommen, die ersten Schwer­kraft­messungen mit Anti­materie durch­zuführen, aber es ist ein Rennen gegen die Zeit". Patrice Pérez, Sprecher des GBA-Teams, erklärt: „Das GBAR-Experiment verwendet ein völlig neues Gerät und einen Anti­protonen­strahl, der sich noch in der Inbetrieb­nahme befindet. Wir hoffen, in diesem Jahr Anti­wasserstoff zu produzieren und arbeiten daran, die Gravi­tations­wirkungen auf die Anti­materie zu messen, wenn die Anti­protonen im Jahr 2021 zurück sind“.

Als weiteres Experiment zur Anti­materie-Schwer­kraft-Forschung untersucht AEgIS (Anti­hydrogen Experiment: Gravity, Interferometry, Spectroscopy) seit einigen Jahren in der AD-Halle mit einem weiteren Ansatz die Wirkung der Schwerkraft auf Anti­wasser­stoff. Wie GBAR hofft auch AEgIS, in diesem Jahr die ersten Anti­wasserstoff­atome zu produ­zieren.

Unterschiedliche Verhalten von Materie und Anti­materie in Bezug auf die Schwer­kraft können auf eine Quanten­theorie der Gravitation hinweisen und vielleicht Auf­schluss darüber geben, warum das Universum eher aus Materie als aus Anti­materie zu bestehen scheint.

CERN / LK

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