24.10.2017

Anziehendes Hubbard-Modell unterm Quantengasmikroskop

Detaillierte Information über Korrelation zwischen Atompaaren.

Anhand des Fermi-Hubbard-Modells lassen sich vielfältige elektrische und magnetische Material­eigenschaften besser verstehen. Mit ultrakalten fermionischen Atomen in Lichtgittern kann man dieses Modell simulieren und dabei neue Einblicke gewinnen, die sonst nur mit extrem aufwendigen Computer­simulationen zu erhalten sind. Jetzt wurde erstmals das „anziehende“ Modell mit einem Quantengas­mikroskop eingehend studiert.

Abb.: Die Verteilung der Einzelatome (links) bzw. der Atompaare oder Doublons im Lichtgitter. (Bild: D. Mitra et al.)

Beim Fermi-Hubbard-Modell bewegen sich Fermionen mit zwei verschiedenen Spin­einstellungen auf einem quadratischen Gitter, indem sie zwischen benachbarten Gitterplätzen quanten­mechanisch tunneln (mit dem Tunnelmatrixelement t). Wegen des Pauli-Verbots können sich auf jedem Gitterplatz nur höchstens zwei Teilchen mit entgegen gerichteten Spins befinden.

Sitzen zwei Teilchen auf einem Gitterplatz, so ändert sich die Energie des Systems um die Wechsel­wirkungs­energie U. Je nachdem ob U negativ oder positiv ist, sich die beiden Teilchen also anziehen oder abstoßen, spricht man vom anziehenden bzw. abstoßenden Hubbard-Modell. Die entscheidenden Modell­parameter sind neben t und U die Temperatur T und die Teilchen­dichte n, also die mittlere Teilchenzahl pro Gitterplatz.

Besonders interessant ist das Verhalten des nahezu „halb­gefüllten“ Modells, wenn auf jeden Gitterplatz etwa ein Teilchen kommt (n=1). Im abstoßenden Fall (U>0) ordnen sich die Spins dann bei tiefen Temperaturen antiferro­magnetisch, bei hohen Temperaturen liegt ein normales Metall oder ein Mott-Isolator vor. Daneben können noch weitere, exotische Phasen auftreten. Das abstoßende Modell wurde eingehend mit ultrakalten Atomen simuliert.

Jetzt haben Forscher um Waseem Bakr in Princeton auch das anziehende Fermi-Hubbard-Modell experimentell untersucht, und zwar mit ultrakalten Lithium-6-Atomen in einem Lichtgitter. Theoretischen Untersuchungen zufolge treten bei tiefen Temperaturen mit stärker werdender Anziehung erst eine BCS-Phase und dann ein Bose-Einstein-Kondensat (BEC) auf. In der BCS-Phase bilden die Atome Cooper-Paare wie die Elektronen in herkömmlichen Supraleitern, während sie sich im BEC zu bosonischen „Molekülen“ verbinden. Daneben sollte es einen Kosterlitz-Thouless-Übergang in eine suprafluide Phase geben.

Die zur Beobachtung dieser Erscheinungen erforderlichen Temperaturen haben die Forscher bisher noch nicht erreicht. Doch mit dem von ihnen entwickelten „Quantengas­mikroskop“ können sie die Besetzung der einzelnen Gitterplätze mit einem Atom oder mit zwei Atomen (sogenannten Doublons) sichtbar machen. Daraus wiederum können sie die räumlichen Korrelationen der Einzelatome oder der Doublons ermitteln, anhand derer sich die verschiedenen exotischen Phasen identifizieren lassen.

Abb.: Die Dichtekorrelation der Doublons für nächste (blau) und übernächste (rot) Nachbarplätze im Lichtgitter, in Abhängigkeit von der Teilchendichte n. Rote und blaue Linien bezeichnen die entsprechenden Ergebnisse der Quanten-Monte-Carlo-Berechnungen. (Bild: D. Mitra et al.)

Für das Quantengasmikroskop wird das Lichtgitter mit Atomen in zwei verschiedenen Hyperfein­zuständen (1) und (3) befüllt, die den beiden möglichen Spinrichtungen entsprechen. Ein Magnetfeld sorgt über eine Feshbach-Resonanz dafür, dass sich zwei Atome anziehen, wenn sie auf demselben Gitter­platz sitzen. Nachdem sich die Atome im Gitter verteilt haben, werden ihre Positionen „eingefroren“, indem das Gitterpotential vertieft wird.

Zunächst werden die Einzelatome im Gitter durch orts­auflösende Fluoreszenz sichtbar gemacht, wobei die Doublons durch Kollision ihrer beiden Atome aus dem Gitter herausgeworfen werden. Dann wird das Gitter erneut befüllt und eine äquivalente atomare Verteilung hergestellt. Die (1,3)-Dublonen werden durch Radiofrequenz­anregung zu (1,2)-Dublonen, mit einem weiteren Hyperfein­zustand (2), sodass die beiden Atome des Doublons nun einander abstoßen. Die Einzelatome im Gitter werden davon nicht beeinflusst. Schließlich werden durch einen resonanten Lichtpuls alle Atome in den Zuständen (1) und (3) aus dem Gitter geworfen, während die verbliebenen Atome im Zustand (2) durch Fluoreszenz sichtbar gemacht werden. Sie markieren die Positionen der ursprünglichen Doublons.

Wie sich zeigte, lag die Nachweis­wahrscheinlichkeit der Doublons bei guten 91 Prozent. Mit ihrem Quantengas­mikroskop haben die Forscher für die Einzelatome und für die Doublons sowohl die Dichte­verteilungen als auch deren räumliche Dichte­korrelation im Gitter aufgenommen. Dabei konnten sie eine hervorragende Übereinstimmung mit den Resultaten von Quanten-Monte-Carlo-Berechnungen feststellen.

Mit steigender Temperatur nahm die Dichte der Einzelatome zu, während die der Doublons abnahm. Auf diese Weise lässt sich experimentell ein Thermometer für das Fermi-Hubbard-System realisieren. Noch ist die erreichte Temperatur zu hoch und sie müsste auf weniger als die Hälfte gesenkt werden, damit interessante Zustände wie Ladungs­dichte­wellen oder eine suprafluide Phase beobachtet werden können. Doch die Mittel dazu stehen jetzt bereit.

Rainer Scharf

DE

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