24.06.2010

Astronomen wiegen Exoplaneten

Erste direkte Bestimmung der Masse eines Planeten bei einem anderen Stern – Beobachtungen liefern zudem Hinweise auf starke Winde in der Atmosphäre.

Erste direkte Bestimmung der Masse eines Planeten bei einem anderen Stern – Beobachtungen liefern zudem Hinweise auf starke Winde in der Atmosphäre.

Der 153 Lichtjahre entfernte Stern HD 209458 wird von einem Planeten umkreist, dessen Masse zwei Drittel der Jupitermasse beträgt. Das zeigen extrem genaue spektroskopische Messungen niederländischer Astronomen mit einem der vier Großteleskope des Very Large Telescopes VLT der Europäischen Südsternwarte ESO. Damit ist den Forschern um Ignas Snellen von der Sternwarte Leiden mit ihrer neuen Methode erstmals eine direkte Messung der Masse eines Exoplaneten gelungen. Die bisher verwendeten Verfahren haben die Planetenmasse stets nur im Verhältnis zur Sternmasse geliefert. Die Beobachtungen zeigen außerdem einen starken Wind, der von der heißen Tag- zur kalten Nachtseite des Planeten weht.

Abb.: Künstlerische Darstellung des Planeten bei dem Stern HD 209458. (Bild: ESO/L.Calcada)

Die meisten der etwa 460 Exoplaneten haben sich durch ihre Anziehungskraft verraten: Stern und Planet kreisen um ihren gemeinsamen Schwerpunkt, die radiale Bewegung des Sterns können die Astronomen über den Dopplereffekt im Spektrum des Sterns messen. Die Radialbewegung des Sterns hängt vom Massenverhältnis Stern/Planet und vom Neigungswinkel der Bahnebene gegen die Sichtlinie ab. Einen Sonderfall bilden Systeme, bei denen wir von der Erde aus genau in die Bahnebene hineinblicken.

Das ist auch bei HD 209458 der Fall. Der Planet zieht von der Erde aus gesehen regelmäßig vor dem Stern vorüber, deckt dabei einen Teil des Sterns ab und führt so zu periodisch auftretenden, geringfügigen Helligkeitsabnahmen des Sterns. Knapp 90 solcher Transit-Systeme kennen die Astronomen inzwischen. Bei ihnen fällt die Unsicherheit durch den unbekannten Neigungswinkel weg und das Massenverhältnis Stern/Planet lässt sich aus der Bewegung des Sterns berechnen. Anhand des Sternspektrums schließen die Wissenschaftler dann auf die Masse des Sterns und bestimmen so auf indirektem Weg auch die Masse des Planeten.

Snellen und seinem Team ist es nun erstmals gelungen, die Bewegung eines Planeten bei einem Transit direkt zu messen. Während des Transits geht ein Teil des Sternenlichts durch die Atmosphäre des Planeten hindurch. Durch geschickte Kreuzkorrelation mit dem bekannten Laborspektrum konnten die Forscher Absorptionslinien von Kohlenmonoxid nachweisen. Im Verlauf des Transits verschieben sich diese Linien, da sich der Planet auf einer gekrümmten Bahn bewegt und sich somit die Radialkomponente Richtung Erde verändert.

Aus der gemessenen Änderung ergibt sich eine Bahngeschwindigkeit des Planeten von 140 Kilometern pro Sekunde. Da nun sowohl die Bewegung des Sterns als auch die des Planeten bekannt ist, konnten Snellen und seine Kollegen über das Newtonsche Gravitationsgesetz die Masse des Stern zu 1,00 ± 0,22 Sonnenmassen und die Masse des Planeten zu 0,64 ± 0,09 Jupitermassen bestimmen.

Zusätzlich zur Bahnbewegung zeigt die Kohlenmonoxid-Absorption eine Blauverschiebung um zwei Kilometer pro Sekunde bzw. 7000 Kilometer pro Stunde. Snellen und sein Team sehen in dieser Verschiebung ein Indiz für einen starken longitudinalen Wind in der Atmosphäre des Planeten von HD 209458. Da der Planet sich mit einer Umlaufzeit von nur 3,5 Tagen auf einer sehr engen Bahn um den Stern bewegt, haben die Gezeitenkräfte wie im System Erde-Mond dazu geführt, dass der Planet seinem Stern stets die gleiche Seite zuwendet. Dadurch kommt es zu extremen Temperaturunterschieden zwischen Tag- und Nachtseite und entsprechend starken atmosphärischen Strömungen entlang der Tag- und Nachtgrenze.

Rainer Kayser

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