Atomare Reaktionen in Slow Motion
Ultrakurze Elektronenblitze ermöglichen dreidimensionale Abbildung chemischer Prozesse.
Elektronen besitzen sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften. Dieses Phänomen macht sich seit rund einem Jahrhundert die Elektronenmikroskopie zu Nutze. Lange Zeit lieferte die Technik nur Standbilder, doch seit einigen Jahren machen Forscher enorme Fortschritte in der Kurzpuls-
Abb.: Treffen ultrakurze Elektronenblitze auf ein Biomolekül-Kristall, werden sie daran gestreut. Für jedes Biomolekül ergibt sich so ein charakteristisches Beugungsbild. (Bild: A. Gliserin)
Um die Bewegungen dieser Teilchen während einer Reaktion scharf abzubilden, benötigt man „Verschlusszeiten“ im Bereich von Femtosekunden. So kurze Verschlusszeiten stellt die Kurzpulslasertechnik zur Verfügung, aber Laserlicht kann die Atome nicht räumlich auflösen. Jetzt ist es den Physikern vom Labor für Attosekundenphysik gelungen, Elektronenblitze mit einer Dauer von nur noch 28 Femtosekunden zu erzeugen. Das ist sechsmal kürzer als bisher möglich. Die Länge der Materiewellen ist nur rund acht Pikometer. Aufgrund dieser kurzen Wellenlänge lassen sich bei Beugungsexperimenten selbst einzelne Atome erkennen. Treffen Elektronen auf ein Molekül oder Atom, werden sie aufgrund ihrer kurzen Wellenlänge unterschiedlich stark abgelenkt und erzeugen so am Detektor ein Interferenzmuster, aus dem man die atomare 3D-Struktur der Probe rekonstruieren kann. Sind die Impulse kurz genug, entsteht ein scharfer Schnappschuss der Bewegung.
Um die neue Technik zu testen, haben die Forscher die Elektronenblitze in einem Beugungsexperiment an einem Biomolekül verwendet. Künftig sollen diese Elektronenblitze in Anrege-
„Mit unseren Elektronenblitzen sind wir nun in der Lage, sehr viel detailreichere Einblicke in die Vorgänge in Festkörpern und Molekülen zu gewinnen als bisher“, erklärt Peter Baum, der Leiter des Experiments. „Wir können nun die schnellsten bekannten atomaren Bewegungen in vier Dimensionen, nämlich in Raum und Zeit, aufzeichnen“, sagt er. Nun wollen die Physiker die Dauer der Elektronenblitze noch weiter verkürzen, denn je kürzer die Verschlusszeiten werden, desto schnellere Bewegungen wird man aufzeichnen. Ziel der Forscher ist es, die noch schnelleren Bewegungen von Elektronen in angeregten Atomen mit ihren Elektronenblitzen eventuell beobachten zu können.
MPQ / DE