30.10.2015

Atomare Reaktionen in Slow Motion

Ultrakurze Elektronenblitze ermöglichen dreidimensionale Abbildung chemischer Prozesse.

Elektronen besitzen sowohl Wellen- als auch Teilchen­eigenschaften. Dieses Phänomen macht sich seit rund einem Jahrhundert die Elektronen­mikroskopie zu Nutze. Lange Zeit lieferte die Technik nur Standbilder, doch seit einigen Jahren machen Forscher enorme Fortschritte in der Kurzpuls-Laser­technologie. Mit ihrer Hilfe erzeugen sie Elektronen­blitze, die – ähnlich der Verschluss­technik in der Fotografie – mit ihrem kurzen Aufleuchten extrem scharfe Bilder von sich bewegenden Atomen und Elektronen liefern. Dennoch blieben manche dieser ultraschnellen Prozesse immer noch unscharf. Jetzt hat es ein Team vom Labor für Atto­sekunden­physik (LAP) der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ) geschafft, Elektronenblitze bis auf rund 28 Femtosekunden Dauer zu verkürzen. Mit diesen Verschluss­zeiten ist es nun möglich, die grundlegenden Bewegungen von Atomen in Molekülen und Festkörpern während einer chemischen Reaktion direkt zu beobachten und dann aus den Bildern einen Film zu erstellen.

Abb.: Treffen ultrakurze Elektronenblitze auf ein Biomolekül-Kristall, werden sie daran gestreut. Für jedes Biomolekül ergibt sich so ein charakteristisches Beugungsbild. (Bild: A. Gliserin)

Um die Bewegungen dieser Teilchen während einer Reaktion scharf abzubilden, benötigt man „Verschluss­zeiten“ im Bereich von Femtosekunden. So kurze Verschluss­zeiten stellt die Kurz­puls­laser­technik zur Verfügung, aber Laserlicht kann die Atome nicht räumlich auflösen. Jetzt ist es den Physikern vom Labor für Atto­sekunden­physik gelungen, Elektronen­blitze mit einer Dauer von nur noch 28 Femtosekunden zu erzeugen. Das ist sechsmal kürzer als bisher möglich. Die Länge der Materie­wellen ist nur rund acht Pikometer. Aufgrund dieser kurzen Wellenlänge lassen sich bei Beugungsexperimenten selbst einzelne Atome erkennen. Treffen Elektronen auf ein Molekül oder Atom, werden sie aufgrund ihrer kurzen Wellenlänge unterschiedlich stark abgelenkt und erzeugen so am Detektor ein Interferenz­muster, aus dem man die atomare 3D-Struktur der Probe rekonstruieren kann. Sind die Impulse kurz genug, entsteht ein scharfer Schnappschuss der Bewegung.

Um die neue Technik zu testen, haben die Forscher die Elektronenblitze in einem Beugungs­experiment an einem Biomolekül verwendet. Künftig sollen diese Elektronenblitze in Anrege-Abfrage-Experimenten eingesetzt werden. Dabei wird ein optischer Laserpuls auf ein Molekül geschickt, wodurch es zu einer Reaktion angeregt wird. Kurz darauf trifft der Elektronen­blitz auf die Probe und erzeugt ein Beugungsbild von der momentanen Struktur. Extrem viele solcher Schnappschüsse bei unterschiedlichen Verzögerungszeiten zwischen Laser- und Elektronenblitzen ergeben dann einen Film von der atomaren Dynamik. Mit der Elektronenblitz-Technologie erhält man daher nicht nur ein räumliches Bild der atomaren Struktur, sondern zusätzlich einen Einblick in ihre Dynamik. Insgesamt gewinnt man so einen vierdimensionalen Eindruck von Molekülen und deren Atom­bewegungen während einer Reaktion.

„Mit unseren Elektronen­blitzen sind wir nun in der Lage, sehr viel detailreichere Einblicke in die Vorgänge in Festkörpern und Molekülen zu gewinnen als bisher“, erklärt Peter Baum, der Leiter des Experiments. „Wir können nun die schnellsten bekannten atomaren Bewegungen in vier Dimensionen, nämlich in Raum und Zeit, aufzeichnen“, sagt er. Nun wollen die Physiker die Dauer der Elektronenblitze noch weiter verkürzen, denn je kürzer die Verschluss­zeiten werden, desto schnellere Bewegungen wird man aufzeichnen. Ziel der Forscher ist es, die noch schnelleren Bewegungen von Elektronen in angeregten Atomen mit ihren Elektronen­blitzen eventuell beobachten zu können.

MPQ / DE

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