Atomare Terahertz-Schwingungen lösen Rätsel ultrakurzer Solitonen-Moleküle
Mechanismus beruht auf Raman-Streuung und Selbstfokussierung.
Optische Solitonen – stabile Pakete von Lichtwellen – werden in Ultrakurzpuls-Lasern als Kette von Lichtblitzen ausgestrahlt. Die Solitonen verbinden sich dabei oft zu Paaren mit sehr kurzen zeitlichen Abständen. Anhand von atomaren Schwingungen im Terahertz-Bereich hat ein Forscherteam der Universitäten Bayreuth und Breslau jetzt das Rätsel gelöst, wie diese zeitlichen Verknüpfungen entstehen. Die Dynamik der aneinander gekoppelten Lichtpakete lässt sich nutzen, um Atomschwingungen als charakteristische „Fingerabdrücke“ von Materialien extrem schnell zu vermessen.
In Ultrakurzpuls-Lasern können optische Solitonen besonders enge räumliche und zeitliche Verbindungen eingehen. Sie werden auch als ultrakurze „Solitonen-Moleküle“ bezeichnet, weil sie ähnlich wie die chemisch gebundenen Atome eines Moleküls stabil aneinander gekoppelt sind. Die Forscher der Uni Bayreuth verwendeten einen weitverbreiteten Festkörperlaser aus einem mit Titanatomen versehenen Saphirkristall, um herauszufinden, wie diese Kopplung entsteht. Zunächst bewirkt ein einzelner vorauseilender Lichtblitz, dass die Atome im Kristallgitter des Saphirs in ultraschnelle Schwingungen geraten.
Diese charakteristischen Schwingungen liegen im Terahertzbereich und klingen innerhalb von wenigen Pikosekunden wieder ab. In dieser kurzen Zeitspanne ändert sich der Brechungsindex des Kristalls. Folgt nun unmittelbar ein zweiter Lichtblitz und holt den ersten ein, so spürt er diese Veränderung: Er wird von den Atomschwingungen nicht nur leicht beeinflusst, sondern auch stabil an das vorausgehende Soliton gebunden. Ein „Solitonen-Molekül“ ist geboren.
„Der von uns entdeckte Mechanismus beruht auf den physikalischen Effekten der Raman-Streuung und Selbstfokussierung. Er erklärt eine Vielzahl von Phänomenen, die der Wissenschaft seit der Erfindung von Titan-Saphir-Lasern vor über dreißig Jahren Rätsel aufgegeben haben“, erläutert Georg Herink von der Uni Bayreuth. „Das besonders Spannende an der Entdeckung ist dabei, dass wir die Dynamik der Solitonen während ihrer Erzeugung im Laserresonator jetzt dazu ausnutzen können, um atomare Bindungen in Materialien extrem schnell abzutasten. Die gesamte Messung eines Intracavity-Raman-Spektrums dauert jetzt weniger als eine tausendstel Sekunde.“
Diese Erkenntnisse können dazu beitragen, besonders schnelle chemisch sensitive Mikroskope zu entwickeln, mit denen Materialien identifiziert werden können. Darüber hinaus eröffnet der Kopplungsmechanismus neue Strategien, um Lichtpulse durch Atombewegungen zu steuern und umgekehrt einzigartige Materialzustände durch Lichtpulse zu erzeugen.
Parallel zur Analyse experimenteller Daten ist es den Forschern gelungen, ein theoretisches Modell für die Solitonendynamik zu entwickeln. Das Modell ermöglicht es, die in Experimenten gewonnenen Beobachtungen zu erklären und neuartige Effekte von Atomschwingungen auf die Dynamik von Solitonen vorherzusagen. Die Wechselwirkungen von Solitonen in optischen Systemen und ihre Anwendungen für die Hochgeschwindigkeits-Spektroskopie werden gegenwärtig im Rahmen des DFG-Forschungsprojekts FINTEC an der Universität Bayreuth untersucht.
U. Bayreuth / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. Völkel et al.: Intracavity Raman scattering couples soliton molecules with terahertz phonons, Nat. Commun. 13, 2066 (2022); DOI: 10.1038/s41467-022-29649-y - Ultraschnelle Dynamik (G. Herink), Physikalisches Institut, Fklt. für Mathematik, Physik und Informatik, Universität Bayreuth