Atome blitzschnell angetippt
Neues Verfahren ermöglicht Steuerung von Molekülen im Femtosekunden-Bereich.
Atome und Moleküle interagieren gemäß den Regeln der Quantenmechanik und bilden komplexe Systeme. Um die Vorgänge in solchen Systemen zu untersuchen, würden Wissenschaftler gerne einzelne Moleküle nicht nur beobachten, sondern sogar gezielt steuern. Ein Forscherteam der Uni Regensburg und von IBM Research Zürich hat ein neues Verfahren entwickelt, ein Atom mit kontrollierten Kräften so schnell anzustoßen, dass sich damit die Bewegung eines einzelnen Moleküls in weniger als einer Pikosekunde choreografieren lässt. Als Grundlage dient die extrem scharfe Nadel eines weltweit einzigartigen ultraschnellen Mikroskops. Sie kann Moleküle vorsichtig abtasten. Die Wissenschaftler der Uni Regensburg verwandelten diese Nadel in eine ultraschnelle „atomare Hand“, indem sie Lichtblitze darauf strahlten. Damit lassen sich Moleküle bewegen – und neue Technologien inspirieren.
Vor mehr als dreißig Jahren zeigten Eigler und Schweizer, dass man mit einem Rastertunnelmikroskop statische Kräfte auf einzelne Atome ausüben kann. In solch einem Mikroskop wird eine extrem scharfe Nadel verwendet, die Moleküle vorsichtig abtastet. Das Forschungsteam aus Regensburg und Zürich hat sich der Herausforderung gestellt, diese atomare Kräfte schnell genug zu machen, um Moleküle während ihrer Bewegung zu lenken und damit Reaktionen und Übergänge zu beeinflussen. Das Team der Uni Regensburg um Rupert Huber und Jascha Repp arbeitet mit einem weltweit einzigartigen ultraschnellen Mikroskop, welches Femtosekunden-Laserimpulse mit Rastertunnelmikroskopie kombiniert, die einzelne Moleküle sichtbar machen kann.
Weil Licht eine elektromagnetische Welle ist, kann seine oszillierende Trägerwelle als ultraschnelle Kraft wirken, wie das Team zeigte, schneller sogar als ein Schwingungszyklus des Lichtfelds. „Wenn wir Lichtblitze auf die atomar scharfe Nadel des Mikroskops strahlen, können wir die belichtete Nadel als ultraschnelle, atomar scharfe Hand verwenden und damit einzelne Atome des Moleküls anstoßen", erklärt Team-Mitglied Dominik Peller.
Das Team beobachtete, dass die ultraschnellen atomaren Kräfte stark genug waren, um eine ultraschnelle Schwingung des Moleküls auszulösen. Diese Bewegung war so heftig, dass sie die Schaltwahrscheinlichkeit des Moleküls um bis zu 39 Prozent beeinflusste. „Wir konnten die Amplitude und die Richtung der Schwingung nach Belieben steuern und damit die Reaktionswahrscheinlichkeit des Moleküls auf der Femtosekunden-Skala modulieren“, sagt Peller.
Darüber hinaus stellte sich heraus, dass nur dann eine Schwingungsbewegung ausgelöst wird, wenn die atomare Hand ultraschnelle Kräfte auf ganz bestimmte Bereiche des Moleküls ausübt. Der Vergleich mit einer quantenmechanischen Berechnung von Nikolaj Moll von IBM Research offenbarte den Grund dafür: Das Molekül hakt sich über Schlüsselatome in die Oberfläche ein. Nur wenn die Wissenschaftler ultraschnelle Kräfte auf diese speziellen Atome ausüben, können sie die Schwingung des Moleküls gezielt steuern.
Diese Entdeckung ermöglicht somit die unmittelbare Kontrolle über molekulare Reaktionen. Die Forscher hoffen, durch ultraschnelle atomare Kräfte Schlüsselprozesse in Chemie und Biologie zu verstehen und zu steuern und damit zukünftige Technologien auf der Basis einzelner Moleküle zu inspirieren. So sollen die Geheimnisse des ultraschnellen Mikrokosmos nicht nur beobachtet, sondern mit bisher unerreichter Präzision kontrolliert und nutzbar gemacht werden.
U. Regensburg / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
D. Peller et al.: Sub-cycle atomic-scale forces coherently control a single-molecule switch, Nature 585, 58 (2020); DOI: 10.1038/s41586-020-2620-2 - Ultrafast quantum electronics and photonics (R. Huber), Fklt. für Physik, Universität Regensburg
- IBM Research Zürich, Schweiz