04.09.2020 • Atome und Moleküle

Atome blitzschnell angetippt

Neues Verfahren ermöglicht Steuerung von Molekülen im Femtosekunden-Bereich.

Atome und Moleküle interagieren gemäß den Regeln der Quanten­mechanik und bilden komplexe Systeme. Um die Vorgänge in solchen Systemen zu unter­suchen, würden Wissen­schaftler gerne einzelne Moleküle nicht nur beobachten, sondern sogar gezielt steuern. Ein Forscher­team der Uni Regens­burg und von IBM Research Zürich hat ein neues Verfahren entwickelt, ein Atom mit kontrol­lierten Kräften so schnell anzustoßen, dass sich damit die Bewegung eines einzelnen Moleküls in weniger als einer Piko­sekunde choreo­gra­fieren lässt. Als Grundlage dient die extrem scharfe Nadel eines weltweit einzig­artigen ultra­schnellen Mikroskops. Sie kann Moleküle vorsichtig abtasten. Die Wissen­schaftler der Uni Regensburg verwandelten diese Nadel in eine ultra­schnelle „atomare Hand“, indem sie Licht­blitze darauf strahlten. Damit lassen sich Moleküle bewegen – und neue Techno­logien inspirieren.

Abb.: Die Spitze eines ultra­schnellen Raster­tunnel­mikro­skops schwebt...
Abb.: Die Spitze eines ultra­schnellen Raster­tunnel­mikro­skops schwebt über einem mole­ku­laren Schalter. Ultra­schnelle atomare Kräfte indu­zieren leb­hafte Bewegungen eines bestimmten Atoms im Molekül, um seine Reaktivität auf ultra­schnellen Zeit­skalen zu steuern. (Bild: B. Baxley, parttowhole.com)

Vor mehr als dreißig Jahren zeigten Eigler und Schweizer, dass man mit einem Raster­tunnel­mikroskop statische Kräfte auf einzelne Atome ausüben kann. In solch einem Mikroskop wird eine extrem scharfe Nadel verwendet, die Moleküle vorsichtig abtastet. Das Forschungs­team aus Regensburg und Zürich hat sich der Heraus­forderung gestellt, diese atomare Kräfte schnell genug zu machen, um Moleküle während ihrer Bewegung zu lenken und damit Reaktionen und Über­gänge zu beeinflussen. Das Team der Uni Regensburg um Rupert Huber und Jascha Repp arbeitet mit einem weltweit einzig­artigen ultra­schnellen Mikroskop, welches Femto­sekunden-Laser­impulse mit Raster­tunnel­mikro­skopie kombiniert, die einzelne Moleküle sichtbar machen kann.

Weil Licht eine elektro­magnetische Welle ist, kann seine oszil­lierende Träger­welle als ultra­schnelle Kraft wirken, wie das Team zeigte, schneller sogar als ein Schwingungs­zyklus des Licht­felds. „Wenn wir Licht­blitze auf die atomar scharfe Nadel des Mikroskops strahlen, können wir die belichtete Nadel als ultra­schnelle, atomar scharfe Hand verwenden und damit einzelne Atome des Moleküls anstoßen", erklärt Team-Mitglied Dominik Peller.

Das Team beobachtete, dass die ultra­schnellen atomaren Kräfte stark genug waren, um eine ultra­schnelle Schwingung des Moleküls auszulösen. Diese Bewegung war so heftig, dass sie die Schalt­wahr­schein­lichkeit des Moleküls um bis zu 39 Prozent beeinflusste. „Wir konnten die Amplitude und die Richtung der Schwingung nach Belieben steuern und damit die Reaktions­wahr­schein­lichkeit des Moleküls auf der Femto­sekunden-Skala modulieren“, sagt Peller.

Darüber hinaus stellte sich heraus, dass nur dann eine Schwingungs­bewegung ausgelöst wird, wenn die atomare Hand ultra­schnelle Kräfte auf ganz bestimmte Bereiche des Moleküls ausübt. Der Vergleich mit einer quanten­mechanischen Berechnung von Nikolaj Moll von IBM Research offen­barte den Grund dafür: Das Molekül hakt sich über Schlüssel­atome in die Ober­fläche ein. Nur wenn die Wissen­schaftler ultra­schnelle Kräfte auf diese speziellen Atome ausüben, können sie die Schwingung des Moleküls gezielt steuern.

Diese Entdeckung ermöglicht somit die unmittel­bare Kontrolle über molekulare Reaktionen. Die Forscher hoffen, durch ultra­schnelle atomare Kräfte Schlüssel­prozesse in Chemie und Biologie zu verstehen und zu steuern und damit zukünftige Techno­logien auf der Basis einzelner Moleküle zu inspirieren. So sollen die Geheimnisse des ultra­schnellen Mikro­kosmos nicht nur beobachtet, sondern mit bisher unerreichter Präzision kontrolliert und nutzbar gemacht werden.

U. Regensburg / RK

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