07.04.2016

Atome in Fernbeziehungen

Magnetische Wechselwirkung zwischen ultra­kalten Teil­chen in einem optischen Gitter ge­messen.

Simulationen sind ein beliebtes Werkzeug, um Probleme, die durch Expe­ri­mente nicht zu­gäng­lich sind, im Detail zu stu­dieren. So lassen sich viele physi­ka­lische Pro­zesse in Mate­ri­a­lien bis heute nicht unter­suchen. Die Material­eigen­schaften werden von den Wechsel­wirkungen einzelner Teil­chen bestimmt – und diese lassen sich nicht direkt messen. Da klassische Computer bei derart komplexen Simu­la­tionen rasch an ihre Grenzen stoßen, hat Richard Feynman bereits Anfang der 1980er-Jahre vor­ge­schlagen, solche Probleme in einem Quanten­system zu simu­lieren. Ignacio Cirac und Peter Zoller präsen­tierten vor zwei Jahr­zehnten konkrete Konzepte, wie Quanten­probleme mit ultra­kalten Atomen in einem optischen Gitter erforscht werden können. Diese Idee hat sich in den ver­gan­genen Jahren sehr bewährt und eine breite experi­men­telle Anwen­dung gefunden.

Abb.: Mit einem Magnet­feld können die Physiker die Aus­richtung der vielen Mini­magneten direkt ver­ändern und damit sehr genau steuern, wie die Teil­chen mit­ein­ander wechsel­wirken – ob sie sich an­ziehen oder ab­stoßen. (Bild: S. Baier, U. Innsbruck)

„Wir können die ultrakalten Teilchen im Labor sehr gut kontrol­lieren und erhalten so einen groß­artigen Ein­blick in deren physi­ka­lische Eigen­schaften“, sagt Francesca Ferlaino von der Uni Innsbruck. Gemein­sam mit Theore­tikern um Peter Zoller hat ihr Team den Ansatz für Quanten­simu­la­tionen einem weiteren wichtigen Test unter­zogen und damit die Forschung einen wesent­lichen Schritt voran­ge­bracht. Die Forscher bestimmten erst­mals quanti­tativ die lang­reich­weitige Wechsel­wirkung zwischen magne­tischen Atomen.

Alle bisherigen Arbeiten waren auf die Wechsel­wirkung von Teilchen beschränkt, die sehr nahe bei­ein­ander liegen. „Wir arbeiten aber mit stark magne­tischen Atomen, welche wir auch über große Distanzen auf­ein­ander wirken lassen können“, sagt Team-Mitglied Manfred Mark. Zunächst erzeugen die Forscher ein Bose-Einstein-Kondensat aus Erbium­atomen und laden es in ein drei­dimen­sio­nales Gitter aus Laser­strahlen, das wie ein künst­licher Kristall aus Licht funktio­niert. In diesem simu­lierten Fest­körper­kristall ordnen sich die Teil­chen wie in einem Eier­karton an. Bei dem Expe­riment liegen die Teil­chen etwa das Sieben­fache der Aus­dehnung ihrer Wellen­funktion von­ein­ander ent­fernt. „Mit einem Magnet­feld können wir die Aus­richtung der vielen Mini­magneten direkt ver­ändern und damit sehr genau steuern, wie die Teil­chen mit­ein­ander wechsel­wirken – ob sie sich an­ziehen oder ab­stoßen“, er­läutert Team-Mitglied Simon Baier.

„Unsere Arbeit ist ein weiterer Schritt für ein besseres Ver­ständnis der Materie, denn die Ver­hält­nisse sind hier wesent­lich kompli­zierter als in bisher unter­suchten ultra­kalten Quanten­gasen“, so Ferlaino. Das Expe­ri­ment sei auch ein wich­tiger Schritt auf der Suche nach exo­tischen Quanten­phasen wie Schach­brett- oder Streifen­muster, die durch diese lang­reich­weitigen Wechsel­wirkungen ent­stehen können. „Unsere Arbeit ebnet den Weg, um solche Phasen bald messen zu können“, erläutert Baier weiter. „Auch in unserem Expe­ri­ment sollte dies grund­sätzlich mög­lich sein. Dafür müssen wir die Atome aber noch weiter ab­kühlen – von momentan siebzig auf etwa zwei Nano­kelvin.“

LFU / RK

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