30.10.2003

Atome massiv verschränkt

Tausende von Atomen hat man im Handumdrehen in einen verschränkten Quantenzustand gebracht und anschließend ihre Verschränkung wieder aufgehoben.

Atome massiv verschränkt

Tausende von Atomen hat man am Max-Planck-Institut für Quantenoptik im Handumdrehen in einen verschränkten Quantenzustand gebracht und anschließend ihre Verschränkung wieder aufgehoben.

Zwei Atome, die sich in einem verschränkten Quantenzustand befinden, kann man nicht mehr unabhängig voneinander beschreiben. Sie geben gewissermaßen ihre Einzelexistenz auf und werden ein Ganzes – auch dann wenn sie so weit voneinander entfernt sind, dass sie nicht mehr miteinander wechselwirken. Lange Zeit hielt man die Existenz verschränkter Zustände, je nach Sichtweise, für ein Ärgernis oder für ein faszinierendes Kuriosum. Inzwischen hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass die Verschränkung von zentraler Bedeutung für die Quantentheorie ist.

Die Interferenzmuster der Materiewellen zeigen die reversible Verschränkung der in einem optischen Gitter gefangenen Atome - im mittleren Bild befinden sich die Atome im verschränkten Zustand. (Quelle: Mandel/LMU München)

Verschränkte Zustände für viele Atome oder andere Teilchen kontrolliert herzustellen, ist zur Herausforderung für die Experimentalphysiker geworden. Solche Zustände eröffnen nicht nur für die Grundlagenforschung faszinierende Möglichkeiten, sondern sie spielen auch eine entscheidende Rolle in der Quanteninformationstechnologie, etwa in der Quantenkryptographie oder für den Quantencomputer. Jetzt konnten Immanuel Bloch und seine Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching tausende von Atomen in Sekundenbruchteilen auf komplizierte Weise miteinander verschränken.

Zunächst haben die Forscher ein Bose-Einstein-Kondensat aus 10.000 Rubidiumatomen in ein optisches Gitter gebracht, dessen helle und dunkle Bereiche periodisch angeordnet waren. Solch ein Gitter bildet sich, wenn man drei orthogonale stehende Lichtwellen überlagert. Die Frequenz der Wellen war so gewählt, dass die hellen Bereiche auf die Atome wie Potentialtöpfe wirkten und sie anzogen.

Waren die Lichtwellen nicht zu hell und die Potentialtöpfe nicht zu tief, so erstreckten sich die Wellenfunktionen der einzelnen Atome über das ganze Gitter. Wenn die Lichtintensität erhöht wurde und die Potentialtöpfe hinreichend tiefer gemacht wurden, dann gingen die Atome in einen lokalisierten Zustand über und hielten sich nur noch in jeweils einem der Töpfe auf.

Die Forscher hatten ihre Atome so präpariert, dass in jedem Potentialtopf des Lichtgitters genau ein Atom saß. Die Atome waren unverschränkt, und dank des sicheren Abstandes voneinander blieben sie es zunächst auch. Da jedem Atom zwei Hyperfeinzustände |0> und |1> zur Verfügung standen, konnte es ein Qubit tragen. Das optische Gitter mit den Atomen war also zu einem gigantischen Quantendatenspeicher geworden. Um die Atome miteinander zu verschränken, brachten Bloch und seine Kollegen jedes Atom mit einem wohldosierten Mikrowellenpuls in den Überlagerungszustand |0> + |1>.

Durch „spinabhängigen Transport“ gelang es den Münchner Forschern, Atome im Zustand |0> oder |1> um eine halbe Gitterperiode nach links bzw. rechts zu bewegen. Dies riss den Überlagerungszustand |0> + |1> eines jeden Atoms auseinander und brachte die beiden Zustandkomponenten mit den entsprechenden Komponenten der Nachbaratome an einem Ort zusammen. Hier konnten benachbarte Atome miteinander kollidieren und dabei ihre Quantenzustände verschränken. Schließlich wurde der spinabhängige Transport rückgängig gemacht und die beiden Zustandskomponenten eines Atoms am ursprünglichen Ort wieder vereinigt. Nun befanden sich alle Atome in einem kompliziert verschränkten Zustand, wie die Forscher mit Interferenzexperimenten zeigen konnten.

Die Verschränkung ließ sich aber auch rückgängig machen, wenn man die Atome nur lange genug zusammenbrachte und miteinander kollidieren ließ. Durch die Kollisionen wuchs die Phase der atomaren Zustände stetig an. Hatte sie den Wert 2pi erreicht, so hinterließen die Kollisionen keine Spur und die Verschränkung war wieder aufgehoben.

Mit wachsender Kollisionszeit konnten die Forscher den Wechsel zwischen verschränktem und unverschränktem Zustand mehrmals beobachten. Für Kollisionszeiten von einigen Millisekunden verhinderten die Unzulänglichkeiten des optischen Gitters, dass die Verschränkung wieder völlig aufgehoben wurde. Wenn es gelingt, die Wechselwirkung zwischen benachbarten Atomen zu kontrollieren, dann könnte man mit diesem „Quantencomputer“ das Verhalten komplizierter Quantensysteme simulieren. und untersuchen.

Rainer Scharf

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