19.06.2013

Atomkollektiv deterministisch verschränkt

Rydberg-Zustand einer ultrakalten Rubidium-Wolke in einer optischen Falle lässt sich mit Photonen verschränken.

Beim Quantencomputing stehen Wissenschaftler vor unterschiedlichen Schwierigkeiten. Auf der einen Seite wünschen sie sich langlebige Zustände, um Quantenspeicher zu konstruieren. Hierfür eignen sich besonders schwach wechselwirkende Atome im Grundzustand. Bei der Implementierung von logischen Gattern und anderen deterministischen Operationen jedoch ist eine starke Wechselwirkung zwischen Atomen gefragt. Hochangeregte Rydberg-Atome sind hierfür hervorragende Kandidaten; denn ihre Größe und ihr effektives elektrisches Dipolmoment gehen mit dem Quadrat der Hauptquantenzahl. Wenn diese in den Bereich von hundert oder darüber steigt, werden Rydberg-Atome deshalb quasi zu Antennen für externe Felder mit den richtigen Anregungsfrequenzen.

Abb.: Skizze des Experiments: (a) Ein ultrakaltes Gas wird in einem optischen Gitter eingesperrt und vom kollektiven Grundzustand in einen einfach-angeregten angehoben. (b) Ein Laser erzeugt einen verschränkten Zustand, der über die polarisierenden Strahlteiler PBS1 und PBS2 auf den Photodetektoren D1 und D2 erfasst wird. (c) Ein weiterer Laserpuls bildet die verbleibende Spinwelle nach einer genauen Zeitsequenz ab. (Bild: Li et al.)

Die Forschungsgruppe um Alex Kuzmich vom Georgia Tech hat diese Eigenschaften genutzt, um ein Kollektiv aus ultrakalten Rubidium-Atomen deterministisch mit einem externen Lichtfeld zu verschränken. Hierzu mussten sie zunächst eine spezielle optische Falle konstruieren. Rydberg-Atome reagieren auf die meisten Potenziale in optischen Fallen leider repulsiv, sodass sie nach ihrer Erzeugung schnell ihre Phase verlieren, was den Zeitraum für experimentelle Manipulationen stark beschränkt.

Die Forscher erzeugten deshalb ein spezielles eindimensionales optisches Gitter, mit dem sie die Rubidium-Atome auch im hochangeregten Zustand sehr lange einsperren konnten. Es basierte auf den „magischen“ Wellenlängen von 1004 und 1012 Nanometern, die entsprechend der Energiedifferenz zwischen Rydberg- und Grundzustand abgestimmt waren. Bei diesen Wellenlängen funktionierte die Falle unabhängig vom Anregungszustand der gefangenen Atome. „Wir konnten zeigen, dass mit einer solchen optischen Falle die Quantenkohärenz über einige Mikrosekunden bewahrt werden kann und dass wir Atome für bis zu achtzig Millisekunden einsperren können“, erklärt Erstautor Lin Li. Danach gehen zu viele Atome verloren, weil die optischen Felder sie zu Kollisionen anregen.

Abb.: Li muss die Optik exakt justieren, um die Verschränkung zwischen Licht und angeregten Atomzuständen messen zu können. (Bild: Kuzmich Physics Lab)

Die lange Verweildauer in der optischen Falle und die starke Wechselwirkung von Rydberg-Atomen mit Photonen ermöglichte den Forschern, ein neuartiges Verschränkungsprotokoll umzusetzen. Hierzu nutzten sie eine weitere Besonderheit von Rydberg-Atomen. Denn diese tauchen in kleinen Kollektiven nie zu mehreren auf. Ein einzelnes Rydberg-Atom verhindert durch seine starke Wechselwirkung mit der Umgebung die Bildung weiterer hochangeregter Atome. Dieses durch van-der-Waals-Kräfte hervorgerufene Phänomen ist auch als „Rydberg-Blockade“ bekannt und führt dazu, dass eine solche Atomwolke stets nur eine einzige Rydberg-Anregung enthalten kann. Kleine Ensembles lassen sich also unabhängig von ihrer genauen Anzahl an Atomen zu reproduzierbaren Rydberg-Zuständen anregen. Diese kollektive Anregung oder Spinwelle eignet sich deshalb zur robusten Präparation von quantenoptischen Zuständen.

Die Forscher sperrten rund tausend ultrakalte Rubidium-87-Atome in ihre optische Falle. Deren Temperatur lag bei etwa 25 Mikrokelvin. Die mikrometergroße Rubidiumwolke bestrahlten sie dann mit einer Sequenz von Lichtimpulsen. Zunächst erzeugten sie im Ensemble den Rydberg-Zustand. Aufgrund der quantenmechanischen Unbestimmtheit besteht dieser nicht nur bei einem einzelnen Atom, sondern verteilt sich als Mischzustand über alle Atome. Dank der Rydberg-Blockade führte dies zu Vielteilchen-Rabi-Oszillationen mit dem externen Feld.

Um die Verschränkung von Licht und Rubidiumwolke nachzuweisen, koppelten die Wissenschaftler diese dann an zwei aufeinander folgende Laserpulse. Zunächst erzeugten sie den angeregten Zustand und mischten diesen mit einem kohärenten Feld. Über polarisierende Strahlteiler lenkten sie das entstandene Feld auf zwei Photodetektoren. Dann maßen sie die verbleibende Spinwelle mit einem weiteren Laserpuls tomographisch aus und ermittelten daraus die Korrelationen zwischen Photonen und Atomen.

Dabei konnten sie die Verschränkung eindeutig nachweisen: Ihre Messungen verletzten die Bellsche Ungleichung, die eine Schranke dafür angibt, bis wohin klassisch-physikalische Korrelationen möglich sind. Eine Verletzung der Bellschen Ungleichung gilt deshalb stets als Nachweis, dass ein Phänomen mit quantenmechanischer Verschränkung einher geht.

Mit ihrem Aufbau konnten die Forscher insbesondere dank der optischen Falle die Rate an Photonen aus solchen Wechselwirkungen um rund zwei Größenordnungen erhöhen. Lag sie bislang bei vergleichbaren Experimenten bei einigen Photonen pro Sekunde, seien laut Alex Kuzmin mit der neuen Technik bis zu 5000 Photonen pro Sekunden möglich. Aufgrund der starken Wechselwirkung ermöglicht der Aufbau auch, logische Gatter mit mehreren Knotenpunkten zu schaffen. Dies wäre für Anwendungen in der Quanteninformationsverarbeitung sehr hilfreich, da andere Anwendungen meist nur zwei Knoten zulassen.

Dirk Eidemüller

AH

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