03.11.2017

Attopuls ermöglicht Elektronen-Zeitlupe

Kürzester Laserpuls der Welt ermöglicht Aufnahmen von Elektronen während chemischer Reaktionen.

Um die Dynamik während einer chemischen Reaktion vollständig zu verstehen, müssen Wissenschaftler in der Lage sein, sämtliche Bewegungen von Atomen und Molekülen auf ihren grundlegenden Zeitskalen zu untersuchen. Moleküle rotieren im Piko­sekunden­bereich, ihre Atome vibrieren im Femto­sekunden­bereich und die Elektronen bewegen sich im Bereich von Attosekunden.

Abb.: Laserpulsgenerator für ultrakurze Laserpulse. (Bild: Labor H. J. Wörner / ETH Zürich)

Hans Jakob Wörner, Professor für Physikalische Chemie der ETH Zürich, und seiner Gruppe ist es nun gelungen, den bisher kürzesten Laserpuls der Welt mit einer Dauer von nur 43 Atto­sekunden zu erzeugen. Allgemein ausgedrückt handelt es sich bei diesem Laserpuls sogar um das kürzeste kontrollierte Ereignis, das je von Menschen geschaffen wurde. Die Forscher können dadurch beobachten, wie sich Elektronen innerhalb eines Moleküls verschieben oder wie chemische Bindungen im Detail entstehen.

Ausgehend von einem Infrarotlaser erzeugten die Forscher einen weichen Röntgen­laserpuls mit einer großen Bandbreite. Dadurch lassen sich verschiedene chemische Elemente wie Phosphor und Schwefel direkt beobachten, indem Elektronen ihrer inneren Schalen angeregt werden. Beide Elemente kommen in Biomolekülen vor, was es nun erlaubt, diese in nie dagewesener Zeit­auflösung zu beobachten.

Doch was ist der Vorteil, die Schritte von Reaktionen jetzt mit einer solche hohen Auflösung beobachten zu können? „Je schneller ein Ladungstransfer stattfinden kann, desto effizienter kann eine Reaktion ablaufen“, erklärt Wörner. Das Auge ist zum Beispiel sehr effizient darin, Photonen in Nerven­signale umzuwandeln. Im Protein Rhodopsin, einem Sehpigment in der Netzhaut, ist das licht­empfindliche Molekül Retinal so angeordnet, dass sich dessen Struktur bereits durch die Absorption eines einzelnen Photons extrem schnell verändern kann, was wiederum das Sehen – auch im Dämmerlicht – ermöglicht. Eine deutlich langsamere Reaktion würde das Sehen verunmöglichen, weil die Energie des Photons bereits nach wenigen Piko­sekunden in Wärme umgewandelt würde.

Die Attosekunden­spektroskopie mit der Möglichkeit, Ladungs­verschiebungen in Echtzeit zu verfolgen, könnte auch einen Beitrag zur Entwicklung neuartiger Solar­zellen mit einer sehr hohen Effizienz leisten, indem man den Prozess der Anregung durch Sonnenlicht bis zur Strom­erzeugung Schritt für Schritt verfolgt. Dies könnte helfen, die Molekül­struktur der lichtempfindlichen Elemente in Solarzellen so zu optimieren, dass ein schnellerer und somit effizienterer Ladungs­transfer ermöglicht wird.

Die Attosekunden-Laserspektro­skopie eignet sich jedoch nicht nur zur reinen Beobachtung. Mit den ultrakurzen Laser­pulsen lassen sich chemische Reaktionen auch direkt beeinflussen. So könnte man den Verlauf einer Reaktion abändern oder gar chemische Bindungen brechen, indem man die Ladungs­verschiebung an einer bestimmten Stelle im Molekül per Laserpuls stoppt. Solche gezielten Eingriffe in chemische Reaktionen waren bisher nicht möglich, da die Zeitskala der Elektronen­bewegung in Molekülen bisher unerreichbar war.

Wörners Gruppe arbeitet bereits an der nächsten Generation von noch kürzeren Laserpulsen. Mit ihnen lassen sich noch detail­reichere Aufnahmen machen und dank eines breiteren Röntgen­spektrums lassen sich mehr Elemente als bisher anregen. Es wird bald möglich sein, die Wanderung der Elektronen in komplexeren Molekülen mit einer höheren Zeitauflösung zu verfolgen.

ETHZ / DE

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