30.03.2022

Attosekunden-Laserpulse am laufenden Band

Neues Lasersystem am Max-Born-Institut erreicht Wiederholrate von 100 Kilohertz für Attosekunden-Laserpulse.

Attosekunden-Laserpulse im extremen Ultraviolett (XUV) sind ein einzig­artiges Werkzeug zur Beobachtung und Steuerung der Elektronen­dynamik in Atomen, Molekülen und Festkörpern. Die meisten Attosekunden-Laserquellen arbeiten mit einer Puls­wiederhol­rate von einem Kilohertz, was ihren Einsatz für komplexe Experimente einschränkt. Mit einem am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeit­spektroskopie (MBI) entwickelten Hoch­leistungs­lasersystem ist es nun gelungen, Attosekunden­pulse mit einer Wieder­holrate von 100 Kilohertz zu erzeugen. Dies ermöglicht ganz neuartige Experimente in der Attosekunden­forschung.

 

Abb.: Ergebnisse des Atto­sekunden-Streakings. (a) Gemessene...
Abb.: Ergebnisse des Atto­sekunden-Streakings. (a) Gemessene Photo­elektronen­spektren als Funktion der Verzögerung zwischen XUV- und IR-Puls. (b) Intensitäts­einhüllende des isolierten Atto­sekunden­pulses (Einsatz: Intensitäts­profil mit logarithmischer Skala). (c) Ermittelte spektrale Intensität und spektrale Phase. (Bild: MBI)

Lichtpulse im extrem ultravioletten Bereich (XUV) des elektromagnetischen Spektrums mit einer Dauer in der Größenordnung von 100 Attosekunden ermöglichen es, die ultra­schnelle Dynamik von Elektronen in Atomen, Molekülen und Fest­körpern zu untersuchen. In der Regel werden die Experimente mit einer Sequenz von zwei Laserpulsen mit kontrollierbarer Zeit­verzögerung durchgeführt. Der erste Puls regt das System an, und der zweite Puls macht eine Moment­aufnahme des sich entwickelnden angeregten Systems, indem er eine geeignete Messgröße aufzeichnet. Üblicherweise werden die Impuls­verteilungen von Ionen oder Elektronen oder das transiente Absorptions­spektrum des XUV-Pulses als Funktion der Verzögerung zwischen den beiden Pulsen gemessen. Durch Wiederholung des Experiments für verschiedene Zeitabstände zwischen den beiden Pulsen kann man einen Film der untersuchten Dynamik erstellen.

Um möglichst detaillierte Einblicke in die Dynamik des untersuchten Systems zu erhalten, ist es von Vorteil, die verfügbaren Informationen über die zeitliche Entwicklung möglichst vollständig zu messen. Bei Experimenten mit atomaren und molekularen Targets kann es von Vorteil sein, die dreidimensionalen Impulse aller geladenen Teilchen zu messen. Dies kann mit einem Reaktions­mikroskop erreicht werden, indem Elektronen und Ionen in Koinzidenz nachgewiesen werden. Um das zu erreichen, muss sichergestellt werden, dass bei jedem Laserpuls nur eine einzelne Ionisation stattfindet. Dies hat jedoch zur Folge, dass die Nachweisrate auf einen Bruchteil (in der Regel zehn bis zwanzig Prozent) der Pulswiederholrate des Lasers begrenzt ist. Aussagekräftige Pump-Probe-Experimente in einem Reaktions­mikroskop sind daher mit Attosekunden-Pulsquellen der Ein-Kilohertz-Klasse nur begrenzt möglich.

Die Forscher am MBI haben nun ein Lasersystem entwickelt, das auf optischer parametrischer gechirpter Impulsverstärkung (OPCPA, optical parametric chipred pulse amplification) basiert. Bei der parametrischen Verstärkung wird keine Energie im Verstärker­medium gespeichert, daher wird nur sehr wenig Wärme erzeugt. Dies ermöglicht die Verstärkung von Laserpulsen auf wesentlich höhere Durchschnitts­leistungen als mit dem derzeitigen „Arbeitspferd“, dem Titan-Saphir-Laser, der in Attosekunden-Laboratorien auf der ganzen Welt am häufigsten eingesetzt wird. Der zweite Vorteil der OPCPA-Technologie ist die Fähigkeit, sehr breite Spektren zu verstärken. Das neue OPCPA-Lasersystem verstärkt direkt Laserpulse mit wenigen Zyklen und einer Dauer von sieben Femtosekunden auf eine mittlere Leistung von zwanzig Watt. Mit diesem Lasersystem wurden bereits erfolgreich Attosekunden-Pulszüge (APTs, attosceond pulse trains) erzeugt.

Bei vielen Attosekunden-Experimenten ist es von Vorteil, isolierte Atto­sekunden­pulse anstelle eines Pulszugs aus mehreren Atto­sekunden­pulsen einzusetzen. Um die effiziente Erzeugung isolierter Atto­sekundenpulse zu ermöglichen, sollten die Laserpulse, die den Erzeugungs­prozess antreiben, eine Pulsdauer haben, die so nah wie möglich an einem einzigen Lichtzyklus liegt. Auf diese Weise ist die Emission der Attosekunden­pulse auf einen einzigen Zeitpunkt beschränkt, was zu isolierten Attosekundenpulsen führt. Um Laserpulse mit Pulsdauern nahe an einem einzigen Zyklus zu erhalten, haben die MBI-Forscher die Hohlfaser-Puls­kompressions­technik eingesetzt. Die sieben Femtosekunden langen Pulse werden in eine ein Meter lange Hohl­faser­kapillare eingekoppelt. Diese Kapillare ist zur spektralen Verbreiterung mit Neongas gefüllt. Mit Hilfe speziell entwickelter gechirpter dielektrischer Spiegel können die Pulse auf Pulsdauern von nur 3,3 Femto­sekunden komprimiert werden. Bei der benutzten Wellenlänge von 800 Nanometern haben diese Pulse nur 1,3 optische Zyklen.

Die 1,3-Zyklen-Pulse werden dann in eine am MBI entwickelte Attosekunden-Beamline eingespeist. Der Hauptteil der Energie wird zur Erzeugung isolierter Attosekunden-XUV-Pulse in einem Gaszellen­target verwendet. Nach Entfernung des Hochleistungs-NIR-Strahls, spektraler Filterung und Fokussierung stehen etwa 106 Photonen pro Laserschuss (entsprechend einem beispiellosen Photonenfluss von 1011 Photonen pro Sekunde) für Experimente zur Verfügung.

Um die erzeugten Atto­sekunden-XUV-Pulse zu charakterisieren, haben die Wissenschaftler ein Attosekunden-Streaking-Experiment durchgeführt. Im Wesentlichen wird der XUV-Puls verwendet, um ein atomares Gasmedium (in diesem Fall Neon) zu ionisieren, während ein starker NIR-Puls verwendet wird, um die mit dem XUV-Licht erzeugten Photo­elektronen­wellen­pakete zu modulieren. Je nach dem genauen Timing der XUV- und NIR-Pulse werden die Photo­elektronen beschleunigt (gewinnen Energie) oder abgebremst (verlieren Energie), was zu einem charakteristischen Streaking-Spektrogramm führt. Aus dieser Datenmatrix lassen sich die genauen Formen sowohl des NIR-Pulses als auch des XUV-Pulses bestimmen. Die Attosekunden-Pulsformen wurden mithilfe eines für dieses Projekt entwickelten globalen Optimierungs­algorithmus ermittelt. Die sorgfältige Analyse zeigte, dass die Hauptpulse der erzeugten XUV-Atto­sekunden­pulse eine Dauer von 124±3 Attosekunden haben. Der Hauptpuls wird von zwei benachbarten Satelliten­pulsen begleitet. Diese stammen von der Atto­sekunden­puls-Erzeugung einen halben NIR-Zyklus vor und nach der Haupt-Atto­sekunden­puls-Erzeugung. Die Satelliten­pulse vor und nach dem Hauptpuls haben eine relative Intensität von nur 1×10-3 beziehungsweise 6×10-4.

Diese isolierten Attosekundenpulse mit hohem Photonenfluss ermöglichen Attosekunden-Pump-Probe-Spektroskopie-Studien mit einer Wiederholrate, die um eine oder zwei Größen­ordnungen über derzeitigen Implementierungen liegt. Die Forscher beginnen derzeit Experimente mit diesen Pulsen in einem Reaktionsmikroskop.

MBI / DE

 

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