Attosekunden-Laserpulse am laufenden Band
Neues Lasersystem am Max-Born-Institut erreicht Wiederholrate von 100 Kilohertz für Attosekunden-Laserpulse.
Attosekunden-Laserpulse im extremen Ultraviolett (XUV) sind ein einzigartiges Werkzeug zur Beobachtung und Steuerung der Elektronendynamik in Atomen, Molekülen und Festkörpern. Die meisten Attosekunden-Laserquellen arbeiten mit einer Pulswiederholrate von einem Kilohertz, was ihren Einsatz für komplexe Experimente einschränkt. Mit einem am Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) entwickelten Hochleistungslasersystem ist es nun gelungen, Attosekundenpulse mit einer Wiederholrate von 100 Kilohertz zu erzeugen. Dies ermöglicht ganz neuartige Experimente in der Attosekundenforschung.
Lichtpulse im extrem ultravioletten Bereich (XUV) des elektromagnetischen Spektrums mit einer Dauer in der Größenordnung von 100 Attosekunden ermöglichen es, die ultraschnelle Dynamik von Elektronen in Atomen, Molekülen und Festkörpern zu untersuchen. In der Regel werden die Experimente mit einer Sequenz von zwei Laserpulsen mit kontrollierbarer Zeitverzögerung durchgeführt. Der erste Puls regt das System an, und der zweite Puls macht eine Momentaufnahme des sich entwickelnden angeregten Systems, indem er eine geeignete Messgröße aufzeichnet. Üblicherweise werden die Impulsverteilungen von Ionen oder Elektronen oder das transiente Absorptionsspektrum des XUV-Pulses als Funktion der Verzögerung zwischen den beiden Pulsen gemessen. Durch Wiederholung des Experiments für verschiedene Zeitabstände zwischen den beiden Pulsen kann man einen Film der untersuchten Dynamik erstellen.
Um möglichst detaillierte Einblicke in die Dynamik des untersuchten Systems zu erhalten, ist es von Vorteil, die verfügbaren Informationen über die zeitliche Entwicklung möglichst vollständig zu messen. Bei Experimenten mit atomaren und molekularen Targets kann es von Vorteil sein, die dreidimensionalen Impulse aller geladenen Teilchen zu messen. Dies kann mit einem Reaktionsmikroskop erreicht werden, indem Elektronen und Ionen in Koinzidenz nachgewiesen werden. Um das zu erreichen, muss sichergestellt werden, dass bei jedem Laserpuls nur eine einzelne Ionisation stattfindet. Dies hat jedoch zur Folge, dass die Nachweisrate auf einen Bruchteil (in der Regel zehn bis zwanzig Prozent) der Pulswiederholrate des Lasers begrenzt ist. Aussagekräftige Pump-Probe-Experimente in einem Reaktionsmikroskop sind daher mit Attosekunden-Pulsquellen der Ein-Kilohertz-Klasse nur begrenzt möglich.
Die Forscher am MBI haben nun ein Lasersystem entwickelt, das auf optischer parametrischer gechirpter Impulsverstärkung (OPCPA, optical parametric chipred pulse amplification) basiert. Bei der parametrischen Verstärkung wird keine Energie im Verstärkermedium gespeichert, daher wird nur sehr wenig Wärme erzeugt. Dies ermöglicht die Verstärkung von Laserpulsen auf wesentlich höhere Durchschnittsleistungen als mit dem derzeitigen „Arbeitspferd“, dem Titan-Saphir-Laser, der in Attosekunden-Laboratorien auf der ganzen Welt am häufigsten eingesetzt wird. Der zweite Vorteil der OPCPA-Technologie ist die Fähigkeit, sehr breite Spektren zu verstärken. Das neue OPCPA-Lasersystem verstärkt direkt Laserpulse mit wenigen Zyklen und einer Dauer von sieben Femtosekunden auf eine mittlere Leistung von zwanzig Watt. Mit diesem Lasersystem wurden bereits erfolgreich Attosekunden-Pulszüge (APTs, attosceond pulse trains) erzeugt.
Bei vielen Attosekunden-Experimenten ist es von Vorteil, isolierte Attosekundenpulse anstelle eines Pulszugs aus mehreren Attosekundenpulsen einzusetzen. Um die effiziente Erzeugung isolierter Attosekundenpulse zu ermöglichen, sollten die Laserpulse, die den Erzeugungsprozess antreiben, eine Pulsdauer haben, die so nah wie möglich an einem einzigen Lichtzyklus liegt. Auf diese Weise ist die Emission der Attosekundenpulse auf einen einzigen Zeitpunkt beschränkt, was zu isolierten Attosekundenpulsen führt. Um Laserpulse mit Pulsdauern nahe an einem einzigen Zyklus zu erhalten, haben die MBI-Forscher die Hohlfaser-Pulskompressionstechnik eingesetzt. Die sieben Femtosekunden langen Pulse werden in eine ein Meter lange Hohlfaserkapillare eingekoppelt. Diese Kapillare ist zur spektralen Verbreiterung mit Neongas gefüllt. Mit Hilfe speziell entwickelter gechirpter dielektrischer Spiegel können die Pulse auf Pulsdauern von nur 3,3 Femtosekunden komprimiert werden. Bei der benutzten Wellenlänge von 800 Nanometern haben diese Pulse nur 1,3 optische Zyklen.
Die 1,3-Zyklen-Pulse werden dann in eine am MBI entwickelte Attosekunden-Beamline eingespeist. Der Hauptteil der Energie wird zur Erzeugung isolierter Attosekunden-XUV-Pulse in einem Gaszellentarget verwendet. Nach Entfernung des Hochleistungs-NIR-Strahls, spektraler Filterung und Fokussierung stehen etwa 106 Photonen pro Laserschuss (entsprechend einem beispiellosen Photonenfluss von 1011 Photonen pro Sekunde) für Experimente zur Verfügung.
Um die erzeugten Attosekunden-XUV-Pulse zu charakterisieren, haben die Wissenschaftler ein Attosekunden-Streaking-Experiment durchgeführt. Im Wesentlichen wird der XUV-Puls verwendet, um ein atomares Gasmedium (in diesem Fall Neon) zu ionisieren, während ein starker NIR-Puls verwendet wird, um die mit dem XUV-Licht erzeugten Photoelektronenwellenpakete zu modulieren. Je nach dem genauen Timing der XUV- und NIR-Pulse werden die Photoelektronen beschleunigt (gewinnen Energie) oder abgebremst (verlieren Energie), was zu einem charakteristischen Streaking-Spektrogramm führt. Aus dieser Datenmatrix lassen sich die genauen Formen sowohl des NIR-Pulses als auch des XUV-Pulses bestimmen. Die Attosekunden-Pulsformen wurden mithilfe eines für dieses Projekt entwickelten globalen Optimierungsalgorithmus ermittelt. Die sorgfältige Analyse zeigte, dass die Hauptpulse der erzeugten XUV-Attosekundenpulse eine Dauer von 124±3 Attosekunden haben. Der Hauptpuls wird von zwei benachbarten Satellitenpulsen begleitet. Diese stammen von der Attosekundenpuls-Erzeugung einen halben NIR-Zyklus vor und nach der Haupt-Attosekundenpuls-Erzeugung. Die Satellitenpulse vor und nach dem Hauptpuls haben eine relative Intensität von nur 1×10-3 beziehungsweise 6×10-4.
Diese isolierten Attosekundenpulse mit hohem Photonenfluss ermöglichen Attosekunden-Pump-Probe-Spektroskopie-Studien mit einer Wiederholrate, die um eine oder zwei Größenordnungen über derzeitigen Implementierungen liegt. Die Forscher beginnen derzeit Experimente mit diesen Pulsen in einem Reaktionsmikroskop.
MBI / DE