Attosekunden-Pulse im Elektronenmikroskop
Neue Methode erlaubt die Messung des Quantenzustands freier Elektronen.
Fotografiert man eine Person, die sich zu schnell bewegt, erscheint sie auf dem Foto unscharf. Da helfen nur eine kürzere Belichtungszeit oder ein Blitz. Dieser verkürzt das Zeitintervall, in dem viel Licht auf den Kamerachip fällt, so stark, dass die Person in der Bewegung eingefroren erscheint. Nach dem gleichen Prinzip funktionieren ultraschnelle Elektronenmikroskope: Hier übernehmen sehr kurze Elektronenpulse die Rolle des Blitzes beim Fotografieren. Forschern der Universität Göttingen ist es nun gelungen, Elektronenblitze zu formen und zu messen, die kürzer als ein einzelner Lichtzyklus sind.
Abb.: Ein Elektronenstrahl wird durch Wechselwirkung mit intensiven Lichtfeldern zeitlich so strukturiert, dass er aus einer periodischen Abfolge von ultrakurzen Pulsen besteht. (Bild: U. Göttingen)
Die Arbeitsgruppe um Claus Ropers hat den Elektronenstrahl durch Wechselwirkung mit intensiven Lichtfeldern zeitlich so strukturiert, dass er aus einer periodischen Abfolge von ultrakurzen Pulsen besteht. Die Elektronenblitze sind nur jeweils wenige hundert Attosekunden lang. Die Dauer dieser Elektronenblitze bestimmt die Zeitauflösung, das heißt je kürzer die Pulse, desto schneller die Prozesse, die beobachtet werden können. Das Forscherteam hat in seinen Experimenten ein Elektron mithilfe von Laserlicht in einen quantenmechanischen Überlagerungszustand aus verschiedenen Geschwindigkeiten gebracht. Im weiteren Flug des Elektrons durch das Elektronenmikroskop bildet sich dadurch ein zeitlicher Kamm mit kurzen Zacken aus – wie bei einem Wettlauf, in dem die langsamsten Läufer zuerst und die schnellsten zuletzt starten, sodass alle gleichzeitig im Ziel eintreffen.
Der quantitative Nachweis dieser Attosekunden-Zeitstruktur gelang den Forschern in Zusammenarbeit mit Thorsten Hohage vom Institut für Numerische und Angewandte Mathematik der Universität Göttingen. Gemeinsam entwickelten sie eine Methode, die den Quantenzustand freier Elektronen rekonstruiert. Die vollständige Beschreibung des Quantenzustands wird erreicht, indem sowohl die Geschwindigkeitsverteilung als auch die Phase der Elektronen bestimmt wird.
Die Göttinger Forscher übertragen damit erstmals Konzepte der Tomographie, wie sie aus der Medizin oder der Quantenphysik des Lichts bekannt sind, auf einen Strahl freier Elektronen. Katharina Priebe, die maßgeblich an der Arbeit beteiligt war, sagt: „Mit unseren zeitlich strukturierten Elektronenpulsen wird es in Zukunft möglich sein, nicht nur die Bewegung von Atomen, sondern auch von den noch viel schnelleren Elektronen in Festkörpern sowohl mit hoher räumlicher als auch zeitlicher Auflösung zu untersuchen.“
GAU / JOL