28.09.2023

Auch Antimaterie fällt nach unten

Grundlegendes Ergebnis des Alpha-Experiments am Forschungszentrum Cern.

Isaac Newtons historische Arbeit über die Schwerkraft wurde offenbar durch die Beobachtung eines Apfels inspiriert, der von einem Baum zu Boden fiel. Aber wie wäre es mit einem „Anti-Apfel“ aus Antimaterie? Würde er auf dieselbe Weise fallen, wenn es ihn gäbe? Nach Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie müssten Antimaterie und Materie auf dieselbe Weise zur Erde fallen. Nun zeigt die Alpha-Kollaboration an der Antimaterie-Fabrik des Cern, dass Antiwasserstoffatome  – ein Positron, das ein Antiproton umkreist – mit der gleichen Präzision wie ihre Materieäquivalente auf die Erde fallen.

Arbeiten am ALPHA-g Experiment am Forschungszentrum Cern.
Abb.: Arbeiten am ALPHA-g Experiment am Forschungszentrum Cern.
Quelle: Cern

„In der Physik weiß man etwas erst dann, wenn man es beobachtet hat“, sagt Alpha-Sprecher Jeffrey Hangst. „Dies ist das erste direkte Experiment, bei dem tatsächlich ein Gravitationseffekt auf die Bewegung von Antimaterie beobachtet wurde. Es ist ein Meilenstein in der Erforschung der Antimaterie, die uns aufgrund ihrer scheinbaren Abwesenheit im Universum immer noch Rätsel aufgibt.“ Die Schwerkraft ist bei weitem die schwächste der vier Grundkräfte der Natur. Elektrisch stabile und neutrale Antiwasser­stoffatome gelten als ideales System, um das Gravitations­verhalten von Antimaterie zu untersuchen.

Die Alpha-Kollaboration erzeugt Antiwasser­stoffatome, indem sie negativ geladene Antiprotonen, die in den AD- und ELENA-Maschinen der Antimaterie-Fabrik erzeugt und verlangsamt werden, mit positiv geladenen Positronen, die aus einer Natrium-22-Quelle stammen, verbindet. Anschließend werden die neutralen und leicht magnetischen Antimaterie-Atome in einer magnetischen Falle eingeschlossen, die verhindert, dass sie mit Materie in Berührung kommen und sich vernichten. Bisher hat sich das Team auf spektro­skopische Untersuchungen in der Alpha-2-Anlage konzentriert, indem es die Antiwasser­stoffatome mit Laserlicht oder Mikrowellen bestrahlte, um ihre innere Struktur zu messen. Das Team hat jedoch auch einen vertikalen Apparat namens Alpha-g gebaut, der 2018 seine ersten Antiprotonen erhielt und 2021 in Betrieb genommen wurde. Mit diesem Gerät können die vertikalen Positionen gemessen werden, an denen die Antiwasser­stoffatome mit der Materie vernichtet werden, sobald das Magnetfeld der Falle abgeschaltet wird und die Atome entkommen können.

Genau das haben die Forschenden in ihrer neuen Untersuchung getan, nachdem sie 2013 ein Experiment mit dem ursprünglichen Alpha-Aufbau durchgeführt hatten. Sie fingen Gruppen von etwa einhundert Antiwasser­stoffatomen ein, eine Gruppe nach der anderen, und ließen die Atome dann langsam über einen Zeitraum von zwanzig Sekunden frei, indem sie den Strom in den oberen und unteren Magneten der Falle schrittweise herunterfuhren. Computer­simulationen zeigen, dass bei Materie etwa ein Fünftel der Atome durch die Oberseite der Falle und vier Fünftel durch die Unterseite entweichen würden, was auf die Schwerkraft zurückzuführen ist. Durch Mittelung der Ergebnisse von sieben Freisetzungs­versuchen stellte das Team fest, dass die Anteile der Anti-Atome, die oben und unten aus der Falle austreten, mit den Ergebnissen der Simulationen übereinstimmen.

In der vollständigen Studie wurde das Experiment mehrmals für verschiedene Werte eines zusätzlichen Bias-Magnetfeldes wiederholt, das die Schwerkraft entweder verstärken oder ihr entgegenwirken könnte. Bei der Analyse der Daten dieses Bias-Scans stellte das Team fest, dass die Beschleunigung eines Antiwasser­stoffatoms innerhalb der Genauigkeit des aktuellen Experiments mit der bekannten, anziehenden Gravitations­kraft zwischen Materie und Erde übereinstimmt. „Wir haben 30 Jahre gebraucht, um zu lernen, wie man dieses Anti-Atom herstellt, wie man es festhält und wie man es so kontrolliert, dass wir es tatsächlich so fallen lassen können, dass es auf die Schwerkraft reagiert“, sagt Hangst. „Der nächste Schritt besteht darin, die Beschleunigung so genau wie möglich zu messen“, so Hangst weiter. „Wir wollen testen, ob Materie und Antimaterie tatsächlich auf dieselbe Weise fallen. Die Laserkühlung von Antiwasser­stoffatomen, die wir zuerst in Alpha-2 demonstriert haben und in Alpha-g implementieren werden, wird voraussichtlich einen erheblichen Einfluss auf die Präzision haben.“

Die Antimaterie-Fabrik des Cern ist eine weltweit einzigartige Einrichtung zur Herstellung und Untersuchung von Antimaterie. Zwei weitere Experimente in dieser Einrichtung, AEgIS und GBAR, verfolgen gemeinsam mit Alpha das Ziel, die Gravitations­beschleunigung von atomarer Antimaterie mit hoher Präzision zu messen. Ebenfalls in der Antimaterie-Fabrik befindet sich das BASE-Experiment. Sein Hauptziel ist es, die Eigenschaften des Protons mit denen seines Antimaterie-Zwillings mit hoher Präzision zu vergleichen, und es hat kürzlich das Gravitations­verhalten dieser beiden Teilchen verglichen.

CERN / JOL

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