07.01.2022

Auf der Fährte galaktischer Vagabunden

Größte jemals entdeckte Gruppe von Einzelgänger-Planeten liefert wichtige Erkenntnisse zu deren Herkunft.

Einzelgänger-Planeten sind schwer fassbare kosmische Objekte. Sie haben eine Masse, die mit der von Planeten in unserem Sonnen­system vergleichbar ist, umkreisen aber keinen Stern, sondern bewegen sich frei im All. Bisher waren nicht viele bekannt, aber ein Team von Astronomen hat mit Hilfe von Daten mehrerer Teleskope der Europäischen Süd­sternwarte (ESO) und anderer Einrichtungen mindestens siebzig neue Einzelgänger-Planeten in unserer Galaxie entdeckt. Dies ist die größte jemals entdeckte Gruppe vagabundierender Planeten und ein wichtiger Schritt zum Verständnis der Ursprünge und Eigenschaften dieser geheimnisvollen galaktischen Nomaden.

Abb.: Künstlerische Darstellung eines Einzelgänger-Planeten in Rho Ophiuchi...
Abb.: Künstlerische Darstellung eines Einzelgänger-Planeten in Rho Ophiuchi (Bild: ESO / M. Kornmesser)

„Wir wussten nicht, wie viele wir erwarten konnten, und sind begeistert, so viele gefunden zu haben“, sagt Núria Miret-Roig, Astronomin am Laboratoire d'Astrophysique de Bordeaux, Frankreich, und der Universität Wien, Österreich, und Erstautorin der neuen Studie.

Planetare Einzelgänger, die sich weit entfernt von jedem Stern aufhalten, der sie beleuchtet, sind normalerweise nicht zu erkennen. Miret-Roig und ihr Team machten sich jedoch die Tatsache zunutze, dass diese Planeten wenige Millionen Jahre nach ihrer Entstehung noch heiß genug sind, um selbst zu glühen, so dass sie von den empfindlichen Kameras großer Teleskope direkt erkannt werden können. In einer Stern­entstehungs­region in der Nähe unserer Sonne, in den Sternbildern Skorpion und Ophiuchus, fanden sie mindestens siebzig neue Einzelgänger-Planeten mit Massen vergleichbar denen des Jupiters.

Um so viele Einzelgänger-Planeten aufzuspüren, nutzte das Team Daten aus rund zwanzig Jahren, die von einer Reihe von Teleskopen am Boden und im Weltraum stammen. „Wir haben die winzigen Bewegungen, die Farben und die Helligkeit von Dutzenden Millionen von Quellen in einem großen Bereich des Himmels gemessen“, erklärt Miret-Roig. „Diese Messungen ermöglichten es uns, die schwächsten Objekte in dieser Region, diese vagabundierenden Planeten, sicher zu identifizieren.“

Das Team nutzte Beobachtungen des Very Large Telescope (VLT) der ESO, des Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy (VISTA), des VLT Survey Telescope (VST) und des 2,2-Meter-Teleskops des MPG/ESO in Chile sowie anderer Einrichtungen. „Die überwiegende Mehrheit unserer Daten stammt von ESO-Observatorien, die für diese Studie absolut entscheidend waren. Ihr weites Sichtfeld und ihre einzigartige Empfindlichkeit waren der Schlüssel zu unserem Erfolg“, erklärt Hervé Bouy, Astronom am Laboratoire d'Astrophysique de Bordeaux, Frankreich, und Projekt­leiter der neuen Untersuchung. „Wir haben Zehntausende von Weit­winkel­aufnahmen von ESO-Einrichtungen verwendet, was Hunderten von Stunden an Beobachtungen und buchstäblich Dutzenden von Terabytes an Daten entspricht.“

Das Team verwendete auch Daten des Gaia-Satelliten der Europäischen Weltraum­organisation, was einen großen Erfolg für die Zusammen­arbeit von boden- und weltraum­gestützten Teleskopen bei der Erforschung und dem Verständnis unseres Universums darstellt.

Die Studie legt nahe, dass es noch viele weitere dieser schwer fassbaren, sternlosen Planeten geben könnte, die noch nicht entdeckt wurden. „Es könnte mehrere Milliarden dieser frei schwebenden Riesenplaneten geben, die ohne einen Wirtsstern in der Milchstraße umherziehen“, erklärt Bouy.

Durch die Untersuchung der neu entdeckten Einzelgänger-Planeten könnte man Hinweise darauf finden, wie diese mysteriösen Objekte entstehen. Einige Forscher gehen davon aus, dass sich diese Planeten durch den Kollaps einer Gaswolke bilden, die zu klein ist, um zur Bildung eines Sterns zu führen, oder dass sie aus ihrem Muttersystem heraus­geschleudert worden sind. Welcher Mechanismus jedoch wahrscheinlicher ist, bleibt derzeit ungeklärt.

Weitere technologische Fortschritte werden der Schlüssel sein, um das Geheimnis dieser Nomaden­planeten zu lüften. Das Team hofft, sie mit dem geplanten Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, das derzeit in der chilenischen Atacama-Wüste gebaut wird und noch in diesem Jahrzehnt mit den Beobachtungen beginnen soll, noch genauer untersuchen zu können. „Diese Objekte sind extrem lichtschwach und können mit den derzeitigen Einrichtungen kaum untersucht werden“, sagt Bouy. „Das ELT wird absolut entscheidend sein, um mehr Informationen über die meisten der von uns entdeckten Einzelgänger-Planeten zu sammeln.“

MPIA / DE

 

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