Auf der molekularen Streckbank
Erstmals Anziehungskräfte zwischen Nukleosomen gemessen.
Zwei Meter des Moleküls Desoxyribonukleinsäure, kurz DNA, befinden sich in jedem Kern einer menschlichen Zelle. Die DNA muss daher sorgsam verpackt werden. Sie wickelt sich dabei zunächst um bestimmte Proteine. Diese mit kleinen Spulen vergleichbaren Strukturen aus DNA und Proteinen heißen Nukleosomen. Sie sind miteinander durch Abschnitte nicht aufgewickelter DNA verbunden. Wie die Nukleosomen miteinander in Wechselwirkung stehen und welche übergeordneten Strukturen sich daraus ergeben, ist noch nicht vollständig geklärt. Einem Forscherteam um Hendrik Dietz von der TU München und Philipp Korber von der Uni München ist es nun gelungen, einen Beitrag zur Lösung dieses Rätsels zu leisten: Zum ersten Mal konnten sie die Anziehungskräfte direkt messen, die zwischen den Nukleosomen herrschen.
Abb.: Die Pinzetten-Struktur besteht aus zwei starren DNA-
Dietz nutzt DNA als Baumaterial und konstruiert damit molekulare Strukturen, eine als „DNA-
Nukleosomenstrukturen zu entwickeln, die sich in die Pinzette einhängen lassen, war eine Herausforderung. „Normalerweise gibt es beim Nukleosom zwei recht nah beieinanderliegende Enden des aufgerollten DNA-
Die Forscher konnten so eine sehr schwache Interaktion der Nukleosomen messen, die bei 1,6 kcal/mol mit einer Reichweite von etwa sechs Nanometern liegt. Die Orientierungen der Nukleosomen zueinander hatten kaum Einfluss auf die Interaktion. Allerdings schwächten bestimmte chemische Veränderungen der Nukleosomen die Wechselwirkungen weiter.
Das Ergebnis könnte dazu beitragen, einen aktuellen Disput in der Forschung zu klären. Die bisher gängige Theorie besagt, dass die Nukleosomen gemeinsam mit weiteren Proteinen eine Art Superspirale mit einem Durchmesser von dreißig Nanometern bilden, die 30-
„In den vergangenen zehn Jahren ist immer deutlicher geworden, dass viele Veränderungen und Mutationen, die dazu führen, dass Zellen zu Krebszellen werden, auf dieser Ebene stattfinden“, sagt Korber. In einer Krebszelle geraten die zellulären Entscheidungen, welche Gene aktiv und welche inaktiv sind, durcheinander. Abschnitte, die nicht zugänglich sein sollten, liegen frei und umgekehrt. „Wenn aber nur die Verpackung und nicht die Gene selbst fehlerhaft ist, gibt es die therapeutische Hoffnung, dass man die Verpackung wieder ändern kann.“ Eine Heilung wäre sehr viel schwieriger, wenn die Gene selbst vollständig aus dem Genom gelöscht wären.
Die Forscher wollen die molekularen Pinzetten, die sie für Messungen der Kräfte zwischen Nukleosomen verwendet haben, auch zur Untersuchung anderer Strukturen einsetzen. „In der Biologie ist es immer wichtig, welche Orientierung Strukturen zueinander haben“, sagt Korber. „Jetzt haben wir eine Art molekulare Streckbank, mit der wir gezielt die Orientierung der räumlichen Anordnung zueinander kontrollieren können.“ In einem weiteren Versuch haben die Forscher auch die Kraft gemessen, die für das Abrollen der DNA aus dem Nukleosom nötig ist. Die Forscher konnten so zeigen, dass es mithilfe des Messsystems möglich ist, sowohl Kräfte zwischen Molekülen als auch innerhalb der Moleküle zu messen.
TUM / RK