15.02.2022

Auf verschlungenen, verschränkten Pfaden

Energietransport zwischen Atomen und Molekülen aufgeschlüsselt.

Der Transport von Energie zwischen Atomen und Molekülen ist Grundlage allen Lebens. Er basiert auf zwischen­atomaren Kräften, der Dipol-Dipol-Wechselwirkung. Der Arbeitsgruppe von Herwig Ott an der Technischen Universität Kaiserslautern (TUK) ist es nun gelungen, einen solchen Transport­mechanismus in einem ungeordneten System nachzubilden. Dazu haben die Forscher die quanten­mechanische Wechselwirkung zwischen verschiedenen Rydberg-Atomen experimentell beobachtet. So konnten sie den Einfluss der Unordnung auf Verteilung und Mobilität der Anregungs­energie zwischen den Atomen nachvollziehen.

Abb.: Zu sehen ist die Fluoreszenz, die während der Laser­kühlung einer...
Abb.: Zu sehen ist die Fluoreszenz, die während der Laser­kühlung einer ultrakalten Atomwolke aus Rubidium­atomen entsteht. (Bild: AG Ott)

Wie der Energietransport zwischen Atomen und Molekülen erfolgt, verdeutlicht beispielsweise die Photosynthese: Trifft Licht auf eine Zelle, wird dessen Energie zunächst von einem Molekül absorbiert und dann zwischen vielen weiteren, ungeordneten Molekülen weitertransportiert. Kommt dieses Energiepaket schließlich am Reaktions­zentrum an, erfolgt die dauerhafte Speicherung in Form einer chemischen Umwandlung.

Um derartige Transportmechanismen besser zu verstehen, hat das Forscherteam einen besonderen Versuchs­ansatz gewählt und ist ins Quanten­regime vorgedrungen: „Dabei haben wir mehrere technologische Herausforderungen überwunden“, erklärt Carsten Lippe, Erstautor der neuen Studie. „Dies zeigt allein schon der Blick auf die notwendigen Rahmen­bedingungen: Bei einem Umgebungsdruck, der etwa 1000-mal geringer ist als im Weltraum rund um die ISS, und bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt werden einige Atome durch Bestrahlung mit Lasern angeregt und in einen Rydberg-Zustand versetzt. In diesem Zustand, bei dem ein Elektron auf eine weit entfernte Umlaufbahn um den Atomkern gebracht wird, ist das Atom etwa 10.000-mal größer als im Normalzustand.“ Durch diese gigantische Größe wird ein Atom im Rydberg-Zustand sehr empfindlich für andere solche Atome und erlaubt somit Wechselwirkungen zwischen Atomen experimentell zu untersuchen, die sonst auf viel kleineren Längen­skalen stattfinden würden.

Im Rahmen ihres Experiments haben die Forscher nun mithilfe von unterschiedlichen Lasersystemen nacheinander zwei verschiedene Arten von Rydberg-Atomen erzeugt und den Energietransport zwischen ihnen untersucht. Dabei sind sie auf quanten­physikalische Effekte gestoßen, die unserer alltäglichen Vorstellung widersprechen. „Klassisch kann man sich einen solchen Transportprozess als Hüpfprozess vorstellen. Die Energie bzw. Anregung springt also zwischen den Molekülen hin und her. In der Quanten­physik ist das aufgrund des Superpositionsprinzips anders: Die Anregung kann zum Beispiel auch gleichzeitig auf mehrere Moleküle hüpfen und so viel effizienter in dem System transportiert werden. Man spricht dann von kohärentem Transport“, sagt Ott.

Die Forscher konnten dabei zeigen, dass sich der Anteil aus klassischem Hüpfen und kohärentem Transport im Experiment kontrolliert einstellen lässt. Dies geschieht durch winzige Änderungen der Wellenlänge der verwendeten Anregungslaser. „Normalerweise sind quanten­physikalische Effekte fragil und verschwinden, sobald Störungen vorliegen, wie sie etwa im vorliegenden System durch die atomare Unordnung in dem Gas geben sind“, sagt Thomas Niederprüm, der gemeinsam mit Ott die Arbeit geleitet hat.

„Dass in der Studie diese Effekte beobachtet werden konnten, kann helfen, andere komplexe Systeme besser zu verstehen. Dabei lässt sich die Wechselwirkung zwischen den Rydberg-Atomen auf andere Bereiche aktueller Forschung übertragen, zum Beispiel auf die Absorption den Transport von Licht in Molekülen bei der Photosynthese. Neueste Studien haben gezeigt, dass auch bei der Photosynthese quanten­mechanische Effekte eine wichtige Rolle spielen und der Energietransport trotz der Unordnung erstaunlich verlustfrei stattfindet.

TU Kaiserslautern / DE

 

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