09.11.2022

Auf zwei Arten flüssig

Magnetische Quantenflüssigkeit in einem atomaren Gas nachgewiesen.

Im Alltag fließen Flüssig­keiten nicht ohne Widerstand. Dies liegt an der inneren Reibung der Flüssigkeit, durch die letztlich Energie aus der Bewegung in Wärme umwandelt wird. In einer Quanten­flüssigkeit kann das grundlegend anders sein und ist eng verknüpft mit dem Phänomen der Bose-Einstein-Konden­sation. So verhält sich eine Wolke von einzelnen Atomen in diesem Zustand kollektiv wie eine einzige Flüssigkeit. Diese Quanten­flüssigkeit fließt reibungslos – sie ist supraflüssig. In den vergangenen Jahrzehnten wurden, so Markus Oberthaler von der Universität Heidelberg, atomare Bose-Einstein-Konden­sate schon aus ganz unter­schiedlichen Atomsorten wie Natrium und Rubidium erzeugt, neuerdings aber auch aus Erbium und Dysprosium.

Abb.: Experimenteller Aufbau zum Nachweis der Koexistenz von...
Abb.: Experimenteller Aufbau zum Nachweis der Koexistenz von Supra­flüssigkeiten in ultrakalten Atomwolken. (Bild: F. Freundt)

Die meisten dieser Atome weisen interne Freiheits­grade auf – sie haben einen Spin und verhalten sich wie kleine Magnete. Prinzipiell kann es auch hier zum Phänomen einer Bose-Einstein-Konden­sation kommen, was bisher aber noch nicht experimentell beobachtet werden konnte, erläutert Oberthaler. Dieser Nachweis war nun mit einer ultrakalten Wolke aus Rubidium-Atomen möglich. Üblicher­weise wird ein Bose-Einstein-Kondensat durch Verdampfungs­kühlen erzeugt. Dabei werden die schnellsten Atome an der Oberfläche weggeblasen und danach abgewartet bis die restlichen Atome bei einer kälteren Temperatur zur Ruhe kommen. Dies ist für den Spin sehr schwierig, weshalb die Heidelberger Physiker einen anderen Weg wählten.

„Wir haben das System stark aus dem Gleich­gewicht gebracht und gewartet, bis die Rubidium-Atome einen neuen Gleichgewichts­zustand erreicht haben. Was zunächst als wenig intuitiver Weg erscheint, stellte sich als sehr effizient heraus“, sagt Maximilian Prüfer, ehemaliges Mitglied in Oberthalers Forschungs­gruppe und nun an der Technischen Universität Wien. Um diesen Zustand zu erzeugen und aufzuspüren, nutzten die Forscher eigens hierfür entwickelte Detektions- und Perturbations­methoden. Sie beobachteten, dass nicht nur der Bewegungs­freiheitsgrad supraflüssig wurde, sondern auch der Spin. Damit können magnetische Quanten­flüssigkeiten auf zwei Arten extrem flüssig sein. „Unsere neuen Forschungs­methoden erlauben uns nicht nur, das Kondensat zu charakterisieren, sondern in Zukunft auch den Weg aus dem Nichtgleich­gewicht dorthin genauer zu verstehen“, so Oberthaler. 

Die Experimental­physiker arbeiteten mit der Forschungs­gruppe von Jürgen Berges am Institut für Theoretische Physik zusammen, um die theoretischen Vorher­sagen für die experi­mentell beobachtbaren Größen zu berechnen. Für die Übereinstimmung der Berechnungen mit den Ergebnissen des Experiments musste eine extrem kalte Temperatur angenommen werden. „Das hat uns alle überrascht und wird das Thema weiterer Unter­suchungen sein, um diese unabhängig zu überprüfen“, so die Forscher.

U. Heidelberg / JOL

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