Auf zwei Arten flüssig
Magnetische Quantenflüssigkeit in einem atomaren Gas nachgewiesen.
Im Alltag fließen Flüssigkeiten nicht ohne Widerstand. Dies liegt an der inneren Reibung der Flüssigkeit, durch die letztlich Energie aus der Bewegung in Wärme umwandelt wird. In einer Quantenflüssigkeit kann das grundlegend anders sein und ist eng verknüpft mit dem Phänomen der Bose-Einstein-Kondensation. So verhält sich eine Wolke von einzelnen Atomen in diesem Zustand kollektiv wie eine einzige Flüssigkeit. Diese Quantenflüssigkeit fließt reibungslos – sie ist supraflüssig. In den vergangenen Jahrzehnten wurden, so Markus Oberthaler von der Universität Heidelberg, atomare Bose-Einstein-Kondensate schon aus ganz unterschiedlichen Atomsorten wie Natrium und Rubidium erzeugt, neuerdings aber auch aus Erbium und Dysprosium.
Die meisten dieser Atome weisen interne Freiheitsgrade auf – sie haben einen Spin und verhalten sich wie kleine Magnete. Prinzipiell kann es auch hier zum Phänomen einer Bose-Einstein-Kondensation kommen, was bisher aber noch nicht experimentell beobachtet werden konnte, erläutert Oberthaler. Dieser Nachweis war nun mit einer ultrakalten Wolke aus Rubidium-Atomen möglich. Üblicherweise wird ein Bose-Einstein-Kondensat durch Verdampfungskühlen erzeugt. Dabei werden die schnellsten Atome an der Oberfläche weggeblasen und danach abgewartet bis die restlichen Atome bei einer kälteren Temperatur zur Ruhe kommen. Dies ist für den Spin sehr schwierig, weshalb die Heidelberger Physiker einen anderen Weg wählten.
„Wir haben das System stark aus dem Gleichgewicht gebracht und gewartet, bis die Rubidium-Atome einen neuen Gleichgewichtszustand erreicht haben. Was zunächst als wenig intuitiver Weg erscheint, stellte sich als sehr effizient heraus“, sagt Maximilian Prüfer, ehemaliges Mitglied in Oberthalers Forschungsgruppe und nun an der Technischen Universität Wien. Um diesen Zustand zu erzeugen und aufzuspüren, nutzten die Forscher eigens hierfür entwickelte Detektions- und Perturbationsmethoden. Sie beobachteten, dass nicht nur der Bewegungsfreiheitsgrad supraflüssig wurde, sondern auch der Spin. Damit können magnetische Quantenflüssigkeiten auf zwei Arten extrem flüssig sein. „Unsere neuen Forschungsmethoden erlauben uns nicht nur, das Kondensat zu charakterisieren, sondern in Zukunft auch den Weg aus dem Nichtgleichgewicht dorthin genauer zu verstehen“, so Oberthaler.
Die Experimentalphysiker arbeiteten mit der Forschungsgruppe von Jürgen Berges am Institut für Theoretische Physik zusammen, um die theoretischen Vorhersagen für die experimentell beobachtbaren Größen zu berechnen. Für die Übereinstimmung der Berechnungen mit den Ergebnissen des Experiments musste eine extrem kalte Temperatur angenommen werden. „Das hat uns alle überrascht und wird das Thema weiterer Untersuchungen sein, um diese unabhängig zu überprüfen“, so die Forscher.
U. Heidelberg / JOL