Aus der Kaltzeit gekreiselt
Auch die Präzession der irdischen Rotationsachse ist für den Wechsel von Kalt- und Warmzeiten in der geologischen Geschichte verantwortlich.
In geologischen Zeiträumen ist die Erdbahn nicht völlig stabil. Ihre Exzentrizität verändert sich in rund 100.000 Jahren leicht. Gleichzeitig schwankt die Erdschiefe – so wird die Neigung der planetaren Rotationsachse genannt – in 40.000 Jahren um beinahe zwei Grad, wodurch die eintreffende Sonneneinstrahlung jahreszeitlich unterschiedlich stark variiert. Zuletzt taumelt die Erdrotationsachse durch die Schwerkraft von Mond und Sonne und beschreibt dabei eine Kegeloberfläche. Durch diese Präzessionsbewegung weist die Erde an ihrem sonnennächsten Punkt die gleiche Hemisphäre nur alle 20.000 Jahre zum Gestirn. Schon 1941 erkannte ein kroatischer Geologe diese drei nach ihm benannten Milankovi-Zyklen, die er für periodisch wechselnde Warm- und Kaltzeiten der jüngsten Erdgeschichte verantwortlich machte.
Abb.: Drei Parameter beeinflussen das irdische Klima: Die Exzentrizität der Umlaufbahn um die Sonne, die Schiefe der Erdrotationsachse zur Bahnebene und die Präzession dieser Achse. (Bild: H. Grobe, Awi)
Allein die kurzperiodische Präzession der Erdachse ließ sich bisher kaum mit dem Abschmelzen der Polkappen in Einklang bringen, weil die Datenmenge aus geologischen Schichten in den vergleichsweise kurzen Zeiträumen nicht ausreichte. Peter Huybers von der Havard University untersuchte deshalb erneut die Klimageschichte des späten Pleistozäns, das die letzte Million Jahre umfasst. Er verwendete Daten aus marinen Sedimenten über Temperaturen, die mithilfe der stabilen Isotope Sauerstoff-18 und Sauerstoff-16 bestimmt worden waren.
Der Klimaforscher überprüfte mit einer eigens entwickelten statistischen Methode, ob die Präzession das Ende von Kaltzeiten beeinflusste. Dabei zeigte er nun, dass die Eiskappen immer dann global zu schmelzen begannen, wenn sich Erdschiefe und Erdachsen-Präzession konstruktiv überlagerten. Dann nämlich war die Sonneneinstrahlung in der nördlichen Hemisphäre, wo sich die Landmassen konzentrieren, besonders hoch,
Als schwächster der drei schwankenden Erdbahnparameter dürfte die Präzession der Erdachse demnach sogar den entscheidenden Einfluss auf das umschwingende Klima gehabt haben. Das betrifft allerdings nur den untersuchten Zeitraum des späten Pleistozäns. Denn ob die Präzession auch davor das Klimageschehen mitsteuerte, ist nicht klar: Schon im frühen Pleistozän eine Million Jahre zuvor schmolzen die Eiskappen beinahe alle 40.000 Jahre ab und damit im Rhythmus der langsamer veränderlichen Erdschiefe.
Karl Urban
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PH