Aus Folie wird Schaum
Polyurethan mit Formgedächtnis schäumt durch Wärme auf – ganz ohne gesundheitliche Risiken.
Forscher am Fraunhofer-Institut für angewandte Polymerforschung haben eine Folie entwickelt, die durch Wärme zu einem Polyurethan-Schaum aufschäumt – und das ganz ohne gesundheitliche Risiken. Die Folie ermöglicht es, isocyanatfrei zu schäumen und verbessert so die Arbeitssicherheit. Darüber hinaus bietet sie logistische Vorteile für die Lagerung und den Transport. Das Material kann für verschiedene Anwendungen angepasst werden, die sich von der Automobil- und Bauindustrie bis zur Verpackungswirtschaft erstrecken.

„Ein häufig diskutierter Aspekt bei der Herstellung von PU-Schaum ist das Gesundheitsrisiko am Arbeitsplatz durch Isocyanate, einer der Hauptbestandteile in der chemischen Reaktion zur Bildung von Polyurethan“, erläutert Thorsten Pretsch, Leiter des Forschungsbereichs Synthese- und Polymertechnik am Fraunhofer-IAP. „Unsere Folie ermöglicht es, isocyanatfrei zu schäumen. Sie minimiert gesundheitliche Risiken am Arbeitsplatz und verbessert die Arbeitssicherheit, insbesondere bei Anwendungen vor Ort, wie beispielsweise in der Bauindustrie.“
Für den Umgang mit Isocyanaten gelten strenge Regelungen und Schutzmaßnahmen. Sie sind toxisch und wirken sensibilisierend auf die Atemwege sowie auf die Haut. Einige Isocyanate stehen in Verdacht, Krebs zu erzeugen. Die neu entwickelte Folie formt sich allein durch Wärmezufuhr in einen PU-Schaumstoff um, also ohne chemisch zu reagieren. Der innovative Ansatz des Forschungsteams bedeutet zugleich eine neue Technologie für die Schaumherstellung selbst: das thermische Schäumen. Das Produkt trägt den Namen FOIM – eine Kombination aus den englischsprachigen Worten Foil (deutsch: Folie) und Foam (deutsch: Schaum).
Das neuartige Material ist ein Formgedächtnispolymer. Es ist dazu imstande, in seine ursprüngliche Form zurückzukehren, nachdem es verformt wurde. Ein äußerer Reiz wie beispielsweise Wärme löst den Formgedächtniseffekt aus. Für die Folie haben die Forscher einen Polyurethan-Schaum synthetisiert und anschließend verdichtet. Bei der Temperatur von 60 Grad Celsius dehnt sich die Folie von 2,5 Millimetern Dicke zu einem Schaum mit 40 Millimetern Höhe aus – eine Expansion um den Faktor 16. Das Ergebnis ist ein weicher elastischer PU-Schaum mit der Dichte von 80 Kilogramm pro Kubikmeter. Gemäß der Norm DIN EN ISO 33861 handelt es sich um einen Schaum mit niedriger Dichte, der sich unter anderem als Verpackungsmaterial eignet.
Die industrielle Produktion nutzt Polyurethanschäume häufig als standardisiertes, vorgefertigtes Zwischenprodukt in zugeschnittener Form. Im Fertigungsprozess werden diese Halbzeuge weiterverarbeitet oder direkt in Endprodukte integriert. Sie ermöglichen die Massenproduktion bei gleichbleibender Qualität. Ihr Manko: Polyurethanschäume nehmen viel Volumen ein. „Unsere Folie spart Platz bei dem Transport und bei der Lagerung“, betont Pretsch. Erst durch das Erwärmen auf 60 Grad Celsius schäumt die Folie auf. „Davon profitieren sowohl Branchen, die ihre Logistikkosten senken wollen, als auch Industrien, in denen ein geringes Transportvolumen erwünscht ist, beispielsweise die Raumfahrt.“
PU-Schäume mit niedriger Dichte sind für zahlreiche Anwendungsfelder und Branchen geeignet. Möbelhersteller nutzen sie für Polster, in der Verpackungsindustrie schützen sie zerbrechliche Waren beim Transport, im Bauwesen hinterfüllen PU-Schäume Fugen, in Fahrzeuginnenräumen dienen sie der Dämmung oder Verkleidung. Anwendungsversuche zum Füllen von Hohlraumstrukturen mit der neuartigen Folie waren erfolgreich. Komplexe geometrische Formen schäumte das Material nach dem Erwärmen nahezu vollständig aus. Zudem eignet sich die Folie für die Verbindungs- und Fügetechnik.
Die Forscher konnten zeigen, dass sich zwei Objekte durch das Ausschäumen eines zwischen ihnen liegenden Hohlraums fixieren lassen. Die Eigenschaften des innovativen Materials sind variabel: Wie flexibel oder wie transparent die Folie vor dem Aufschäumen ist, können die Wissenschaftler individuell einstellen. Das gilt auch für die Dichte, die Wärmeleitfähigkeit, die Elastizität oder die Kompressionseigenschaften des Schaums. „Wir passen die Eigenschaften des Folienschaums an die technischen Anforderungen unterschiedlicher Anwendungen an. Vom Autoinnenraum über medizinische Behandlungen bis hin zum Schutz zerbrechlicher Güter“, schließt Pretsch.
Fh.-IAP / RK