28.11.2018

Polyurethan-Schäume im Griff

Simulationswerkzeug liefert zuverlässige Informationen über den Aufschäumprozess.

Polyurethan-Schäume oder kurz PU-Schäume spielen eine große Rolle in unserem Alltag – auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. Doch wir sitzen und liegen täglich darauf: So bestehen Auto­sitze und Matratzen beispiels­weise aus weichen PU-Schäumen. Harte PU-Schäume setzt man dagegen unter anderem für Dämm­stoffe in Gebäuden ein. Die Eigenschaften von Schäumen vorher­zusagen und sie zu charakterisieren ist allerdings sehr komplex – experimentelle Unter­suchungen führen vielfach zu falschen Parametern.

Abb.: PU-Expansionssimulation zur Herstellung einer Kühlbox (Bild: Fh.-ITWM)

Interessant ist vor allem die Frage: Wie setzt sich die anfängliche Flüssig­keit in Schaum um? Und wie ist es um die Eigen­schaften des entstehenden Schaumes bestellt? Forscher vom Fraun­hofer-Institut für Techno- und Wirtschafts­mathematik ITWM in Kaisers­lautern können diese Fragen nun zuverlässig beantworten und Her­stellern von PU-Schaum-Produkten eine gute Charakterisierung der verwendeten Polymere an die Hand geben – was die Planung neuer Produkt­linien deutlich erleichtert.

Bei einem Autositz etwa sollen einige Zonen fester sein, andere wiederum weicher. Um dies zu erreichen, spritzen die Hersteller verschiedene Schäume mit unter­schiedlichen Eigen­schaften gegen­einander. Als Ausgangs­substanzen dienen ihnen dabei flüssige Polymer­gemische, die in eine entsprechende Form ein­gespritzt werden. Nun beginnt ein schneller, jedoch komplizierter chemischer Prozess: Innerhalb weniger Sekunden ver­wandeln sich die beiden flüssigen Emulsionen in einen komplexen Polymer­schaum.

Doch wie schäumen die beiden verschiedenen Substanzen genau aus? Haben sie die gewünschten Eigenschaften, und verteilen sie sich wie vorgesehen in die Zonen? „Statt wie bisher bei der Chemie anzusetzen und alle Parameter wie Reaktions­raten und Viskosität experimentell in vielen unabhängigen Experimenten zu bestimmen, machen wir zwei, drei einfache Experimente – etwa das Auf­schäumen im Becher­glas“, erläutert Konrad Steiner, Abteilungs­leiter am Fraunhofer ITWM. „Diese Experimente simulieren wir eins zu eins im Rechner. Diese bilden die Basis zur Ermittlung der notwendigen Modell­parameter, die zum Berechnen des Auf­schäum­verhaltens nötig sind. Die darauf basierenden Simulationen mit dem Simulations­tool Foam sind robust und die Ergebnisse für den Anwendungs­fall verlässlich.“ Ergo: Statt wie bisher jeden charakterisierenden Para­meter einzeln in einem Experiment bestimmen zu müssen – und dann Werte zu erhalten, die ungenau sein können – erhalten die Forscher in kurzer Zeit und mit wenig Aufwand verlässliche Daten für den Aufschäum­prozess.

„Die Hersteller nutzen üblicher­weise drei oder vier unter­schiedliche Schäume – bei neuen Produkten ändern sich meist nur die Kombination der Schäume und die End-Geometrien“, sagt Steiner. Haben die Fraun­hofer-Forscher einen PU-Schaum über ihre Simulation einmal charakterisiert, ist eine gute Basis für neue Produkte gelegt: Die Hersteller können die erhaltenen Schaum­daten in das Simulations­tool Foam eingeben und auf diese Weise für jedes neue Produkt und jede neue Geo­metrie simulieren, wie die Massen und die Wärme beim Auf­schäumen trans­portiert werden. Sie können also beispiels­weise genau heraus­finden, wie sie die beiden Schäume gegen­einander spritzen müssen, um die verschiedenen Zonen im Sitz an den gewünschten Stellen zu erhalten. Die Simulations­methodik zur Parameter­identifikation und Schaum­simulation ist etabliert, es laufen bereits mehrere Projekte mit verschiedenen Kunden.

Auch bei Verbundwerkstoffen setzen Her­steller vielfach auf PU-Schäume – etwa für Träger­strukturen im Auto, die zum einen stabil, zum anderen leicht sein sollen. Dazu integrieren sie Verstärkungs­strukturen wie Textilien in die Schäume. Das Ergebnis: Würde eine Hart­schaum­platte etwa bei einer Verbiegung bereits brechen, hält die Platte mit integriertem Textil problem­los stand. Durch das Textil in der Form verändert sich aller­dings das Strömungs­verhalten der Polymer-Emulsion, schließlich bildet die Textil­struktur einen Wider­stand. Damit ändert sich auch die Dynamik der Schaum­bildung und die Struktur des Schaums: Die Blasen werden kleiner, der Schaum dichter.

Das Forscherteam des Fraunhofer ITWM hat erstmalig eine Simulation für Verbund­materialien entwickelt, gemeinsam mit den Kollegen am Lehr­stuhl für Struktur­leicht­bau und Kunststoff­verarbeitung der TU Chemnitz. „Den Strömungs­widerstand, den die entsprechende Textil­struktur hervor­ruft, können wir ausrechnen – das ist eine Expertise, die wir schon lange haben. Anschließend können wir das Auf­schäumen in und um die Textil­struktur simulieren“, erklärt Steiner. Bisher mussten Hersteller mühsam aus­probieren, ob der erhaltene Schaum­verbund die gewünschten Eigen­schaften hat – was durch­aus mehrere Wochen oder gar Monate dauern kann. Die Simulation dagegen wartet bereits nach ein bis zwei Tagen mit einem ver­lässlichen Ergebnis auf. Die Forscher haben sie bereits an Bau­teilen validiert und überprüft. Die Ergebnisse stimmen sehr gut mit der Realität überein.

Fh.-Ges. / DE

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