Der durchleuchtete Satellit
EURECA wurde Jahrzehnte nach seiner Mission mit Röntgenmethoden untersucht.
Es kommt selten vor, dass Satelliten nach ihrer Mission im Weltraum unversehrt auf die Erde zurückkehren – zum Beispiel der europäische Satellit EURECA, der European Retrievable Carrier. Empa-Forschende haben den Satelliten mit unterschiedlichen Röntgenmethoden zerstörungsfrei untersucht. Diese könnten künftig bei der Entwicklung von wiederverwendbaren Raumfahrttechnologien sowie in der Aviatik und der Automobilindustrie zum Einsatz kommen.


Ob ein verstauchtes Fußgelenk oder der Rucksack am Flughafen: Röntgenbilder gehören heute in vielen Bereichen zum Alltag. Weitaus weniger alltägliche Aufnahmen sind Empa-Forschenden am Center for X-Ray Analytics gelungen: In Zusammenarbeit mit dem Swiss Space Center (heute Space Innovation der EPFL) und dem Verkehrshaus der Schweiz haben sie einen ganzen Satelliten geröntgt.
Der jetzt durchleuchtete Satellit ist ein Unikat. In den Weltraum startete er 1992 an Bord der Raumfähre Atlantis. Der Schweizer Astronaut Claude Nicollier setzte EURECA in der Erdumlaufbahn aus. Dort verblieb der viereinhalb Tonnen schwere Satellit die nächsten elf Monate – bis er am 1. Juli 1993 von der Crew der Raumfähre Endeavour eingefangen und zurück zur Erde gebracht wurde. Somit ist EURECA einer der wenigen Satelliten, die von ihrem Einsatz im Weltall intakt zurückgekehrt sind.
Ursprünglich plante die Europäische Weltraumorganisation ESA mehrere Missionen für den wiederverwendbaren Satelliten. EURECA trug fünfzehn austauschbare Vorrichtungen für wissenschaftliche Experimente, von Biologie bis Astrophysik. Aus Budgetgründen wurde das Programm jedoch gekürzt – und der erste Flug war zugleich der letzte. Ende 2000 wurde der Satellit im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern ausgestellt. Von hier war der Weg nach Dübendorf an die Empa nicht mehr weit. Einen geflogenen Satelliten auf Herz und Nieren zu untersuchen – diese Möglichkeit wollten sich die Empa-Forschenden nicht entgehen lassen.
Erstmals geröntgt wurde EURECA bereits 2016. Die vollständigen Ergebnisse der Untersuchung wurden kürzlich veröffentlicht. Mit der Hochenergie-Röntgenanlage gelang es den Forschenden, den fünf Meter langen, drei Meter hohen und zweieinhalb Meter breiten Satelliten in einem Stück zu röntgen. Außerdem zogen sie für Teile des Satelliten sowie für die zwei noch erhaltenen wissenschaftlichen Instrumente weitere Röntgentechniken hinzu.
Der große Vorteil der Röntgen-Bildgebung ist beim Satelliten gleich wie beim Fußgelenk in der Klinik und dem Handgepäck am Flughafen: Sie erlaubt einen zerstörungsfreien Blick ins Innere. „Unsere Analyse erstreckt sich über mehrere Größenordnungen, von der gesamten Trägerstruktur des Satelliten bis hin zu Materialuntersuchungen auf der Nanometer-Skala“, sagt Empa-Forscher Robert Zboray. Dabei fanden die Forschenden mehrere Defekte, etwa Risse in den Kunststoff-Verstrebungen sowie Brüche und Verformungen in den untersuchten wissenschaftlichen Instrumenten.
„Satelliten sind im Weltall starker Strahlung, großen Temperaturschwankungen und Kollisionen mit Partikeln von Meteoriten und Weltraumschrott ausgesetzt“, so Zboray. „Gerade bei wiederverwendbaren Satelliten können wir mit unseren Methoden Schwachstellen identifizieren.“ Auch bei Start und Landung können Schäden entstehen. Um sie genau zuzuordnen, wären laut Zboray weitere Experimente notwendig. „Ideal wäre es, solche Satelliten sowohl vor dem Start als auch nach der Landung zu röntgen“, sagt der Wissenschaftler.
Obwohl EURECA seine Solarpanele nur noch im Verkehrshaus entfaltet, ist das Thema der wiederverwendbaren Raumtechnologien heute so aktuell wie noch nie. Im Jahr 2025 befinden sich bereits mehr als zehntausend Satelliten in Umlaufbahnen der Erde – und es werden jedes Jahr mehr. Dazu kommen unzählige Raketenstufen, Bruchteile von alten Satelliten und weiterer Weltraumschrott, die eine Gefahr für aktive Satelliten sowie für die bemannte Raumfahrt darstellen. Wiederverwendbare Satelliten könnten helfen, diese Müllflut zu reduzieren – und mit Röntgenverfahren ließe sich ihr Design optimieren, ist Zboray überzeugt. Hochenergie-Röntgenverfahren finden aber auch irdische Verwendung, etwa zur Untersuchung von Komponenten für die Aviatik und die Automobilindustrie, oder sogar in der Forensik. [Empa / dre]
Weitere Informationen
- Originalveröffentlichung
R. Zboray, C. Roeoesli, A. Flisch, et al., Multi-scale and multi-energy non-destructive X-ray analysis of the European Retrievable Carrier (EURECA), Acta Astronaut. 235, 90–100, October 2025, Pages 90-100(2025); DOI: 10.1016/j.actaastro.2025.05.042 - Center for X-ray Analytics (Antonia Neels), Empa Dübendorf
- Space Innovation / eSpace – EPFL Space Center, Ecole polytechnique fédérale de Lausanne
- The European Retrievable Carrier mission EURECA, High Energy Astrophysics Science Archive Research Center, NASA Goddard Space Flight Center, Greenbelt, Maryland
Anbieter
EmpaÜberlandstrasse 129
8600 Dübendorf
Schweiz
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