06.05.2009

Aus Indizien auf die eigentliche Größen schließen: ein Fall für Mathematiker

PTB entwickelt mathematische Auswerteverfahren zur zerstörungsfreien Messung von Nanostrukturen



PTB entwickelt mathematische Auswerteverfahren zur zerstörungsfreien Messung von Nanostrukturen

Lässt sich die Schuld eines Angeklagten nicht direkt nachweisen, dann können Indizien helfen. Ähnlich indirekt müssen auch Experten fürs genaue Messen immer häufiger vorgehen: Lässt sich eine Messgröße nicht direkt messen, dann muss man andere Größen messen und mit Hilfe intelligenter Computerprogramme auf die eigentlich interessierende Größe rückschließen. Genauso sind Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zusammen mit Partnern in einem Verbundprojekt des Bundesforschungsministeriums (BMBF) vorgegangen. Es geht um die Messung von immer kleineren Computerbauteilen und anderen industriellen Strukturen, die nur noch nanometergroß sind und sich daher nicht mehr mit der klassischen Methode der Lichtmikroskopie untersuchen lassen. Eine neue Methode, solche Strukturen zu untersuchen, ist die Scatterometrie. Dabei wird an periodischen Nanostrukturen Licht gestreut und aus den Eigenschaften des gestreuten Lichtes auf die Abmessungen der Probe geschlossen. Die Projektpartner haben nun ein mathematisches Modell und ein sogenanntes inverses Verfahren entwickelt, die solche Messungen mit großer Genauigkeit ermöglichen.



Abb.: Messschema zur scatterometrischen Oberflächencharakterisierung. Typische Messobjekte sind Photomasken (Bild : PTB)


Schon heute werden in der PTB die neuen Messmethoden entwickelt, die in der Industrie zur Charakterisierung und Qualitätskontrolle von Nanostrukturen, also Objekten mit Abmessungen von weniger als 1/1000 Millimetern, erforderlich sind. Solch kleine Bauteile werden in Zukunft immer wichtiger, um Computer noch schneller zu machen, völlig neue Produkte zu entwickeln oder bei existierenden Technologien den Material- oder Energieeinsatz zu minimieren.

Die entsprechenden Messmethoden müssen nicht nur stets noch präziser werden, sondern erfordern auch immer häufiger aufwendige mathematische Auswerteverfahren. Ein neue Methode zur zerstörungs- und kontaminationsfreien sowie schnellen Vermessung von Nanostrukturen ist die Scatterometrie, bei der an periodischen Nanostrukturen Licht gestreut und aus den Eigenschaften des gestreuten Lichtes indirekt auf die Abmessungen der Probe geschlossen wird. Dazu sind ein korrektes mathematisches Modell und ein so genanntes inverses Verfahren notwendig, bei dem aus den Messdaten (Streueffizienzen) auf die eigentlich interessierenden geometrische Größen zur Charakterisierung der Nanostrukturen geschlossen wird. Ein solches Auswertungsverfahren ist jetzt von der PTB-Arbeitsgruppe Modellierung und Simulation in Zusammenarbeit mit Mathematikern am Weierstrass-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik in Berlin sowie Experimentatoren der PTB-Arbeitsgruppen Höchstauflösende Mikroskopie und EUV-Radiometrie entwickelt worden. Die Gesamtkooperation ist Teil des BMBF-Verbundprojekts CDuR32.

Das klassische Verfahren zur Sichtbarmachung und Messung kleiner Strukturen ist die Mikroskopie. Optische Abbildungsverfahren sind zerstörungsfrei und sehr schnell. Das erreichbare Auflösungsvermögen ist jedoch durch die Wellenlänge des verwendeten Lichts begrenzt. Da die neuen nano-strukturierten Objekte viel kleiner als die Wellenlänge sichtbaren Lichtes sind, werden auch neue Messmethoden benötigt. Dabei werden entweder Licht viel kleinerer Wellenlänge oder nicht-abbildende Verfahren verwendet.

Gegenstand dieser Untersuchungen sind z.B. Halbleiterphotomasken, auf denen die Abmessungen periodischer Linienstrukturen (Liniengitter) scatterometrisch bestimmt werden. Dazu wird sichtbare oder UV-Strahlung auf die Probe gerichtet und die räumliche Verteilung der gestreuten Strahlung gemessen (siehe Abb.). Die PTB betreibt für diese Anwendung zwei verschiedene Scatterometer, die mit Licht verschiedener Wellenlängen arbeiten: ein EUV-Scatterometer, das bei Wellenlängen zwischen 12 Nanometern und 14 Nanometern betrieben wird, sowie ein DUV-Scatterometer, das Licht einer Wellenlänge von 193 Nanometern verwendet. Mit Hilfe komplexer mathematischer Modelle wird dabei jeweils aus der Intensitätsverteilung die geometrische Form der Oberflächenstrukturen rekonstruiert.

Mathematische Modelle und ausführliche Berechnungen sind insbesondere auch notwendig, um die Präzision bzw. Messunsicherheit der gemessenen Strukturparameter anzugeben. Untersuchungen der PTB-Arbeitsgruppe Modellierung und Simulation zeigen, dass Abmessungen im Bereich zwischen 50 Nanometern und 500 Nanometern mit den in der PTB vorhandenen Instrumenten mit einer relativen Unsicherheit von weniger als 2 % bestimmt werden können. Erste Vergleiche der Resultate von EUV- und DUV-Scatterometrie ergeben zudem eine gute Übereinstimmung von unabhängigen Messungen an denselben Proben. Weitere Arbeiten mit Hilfe von Simulationen (virtuelles Experiment) zielen auf eine Optimierung der Messparameter ab, darunter der Einfallswinkel des Lichts oder die Anzahl der notwendigen Messungen zur präzisen Rekonstruktion der Strukturen.

PTB


Weitere Infos:



AL

EnergyViews

EnergyViews
Dossier

EnergyViews

Die neuesten Meldungen zu Energieforschung und -technologie von pro-physik.de und Physik in unserer Zeit.

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Themen