Aus lang mach kurz
Kompakte Laborquelle für brillante, ultrakurze, harte Röntgenblitze mit bisher unerreichtem Photonenfluss.
Heutzutage sind viele Wissenschaftler bestrebt, den Atomen beim „Arbeiten“ zuzuschauen, das heißt, sie wollen direkt die Bewegung der Atome bei einer Schwingung, chemischen Reaktion oder auch Materialmodifikation beobachten. Atomare Bewegungen erfolgen typischerweise in einem Zeitbereich von Femtosekunden. Daher benötigt man für solch einen „Röntgenfilm“ eine extrem kurze Belichtungszeit mit entsprechend kurzen Röntgenblitzen. Es gibt weltweit zwei komplementäre Herangehensweisen um ultrakurze, harte Röntgenimpulse zu erzeugen. Auf der einen Seite gibt es die Elektronenbeschleuniger wie die Freien Elektronen Laser (FEL) in Stanford USA (LCLS bei SLAC) oder bei SACLA in Japan. Auf der anderen Seite kann man kompakte Laborquellen für ultrakurze, harte Röntgenimpulse bauen, die von Femtosekunden-Lasersystemen getrieben werden. Obwohl der Röntgenfluss aus den Beschleunigerquellen deutlich höher ist als in den Laborquellen, haben sich die letzteren als geeignete Kameras für die Femtosekunden-„Röntgenfilme“ herausgestellt. Die Qualität solcher Filme ist letztendlich durch die Anzahl der von der untersuchten Probe gestreuten Röntgenphotonen bestimmt.
Abb. 1: Erzeugung von Röntgenstrahlen in einer konventionellen Röntgenröhre (links). Elektronen werden von der geheizten Kathode (-) emittiert und dann durch ein konstantes elektrisches Feld auf die Anode (+) zu beschleunigt. Innerhalb der Metall-Anode (z. B. Kupfer) führen inelastische Stöße der Elektronen mit den Metallatomen zur Erzeugung von sowohl charakteristischer Linienemission von Röntgenstrahlung (schmale Linien im unteren Spektrum) als auch von Bremsstrahlung. Rechts: Femtosekunden Lichtimpulse im mittleren Infrarot aus einem OPCPA-System werden auf ein Kupfer-Bandtarget fokussiert. Die Elektronen werden durch das starke elektrische Feld des Lichtimpulses zunächst aus der Oberfläche herausgezogen, danach im Vakuum beschleunigt und schließlich in das Kupferband zurückgeschossen. Während der Abbremsung im Metallband produzieren die energetischen Elektronen charakteristische Linienemission und Bremsstrahlung, die ein Röntgendetektor vermisst. (Bild: MBI)
Ein gemeinsames Team vom Max-Born-Institut in Berlin und der TU Wien hat jetzt einen Durchbruch für kompakte Laborquellen geschafft und den Fluss harter Röntgenstrahlung um einen Faktor 25 gesteigert. Dies gelang mit einer Kombination aus einem neuen optischen Treiberlaser, der Femtosekunden-Lichtimpulse bei Wellenlängen um 4 µm im mittleren Infrarot liefert, und einem Metallband-Target in einer Vakuumkammer, welche ultrakurze Impulse harter Röntgenstrahlung bei einer Wellenlänge von 0,154 nm mit einer nicht da gewesenen Effizienz erzeugt.
Die Röntgenerzeugung erfolgt in drei Schritten (Abb. 1), der Elektronenextraktion aus dem Metallband mittels des elektrischen Feldes des Treiber-Lichtimpulses, der Beschleunigung der Elektronen im Vakuum durch das starke optische Feld und Rückkehr in das Band mit einem ungeheuren Gewinn und kinetischer Energie, und die Erzeugung von Röntgenblitzen durch inelastische Stöße der energetischen Elektronen mit den Metallatomen im Band. Längere optische Wellenlängen entsprechen einer längeren Oszillationsperiode des optischen Feldes und führen daher zu einer längeren Beschleunigungszeit der Elektronen im Vakuum. Eine Konsequenz der längeren Beschleunigungszeit ist die deutlich höhere kinetische Energie, mit der die Elektronen in das Metallband einschlagen, was zu einer deutlich höheren Effizienz bei der Röntgenerzeugung führt. Die feldgetriebenen Exkursionen der Elektronen im Vakuum wurden im Detail in theoretischen Rechnungen analysiert und sind in der Animation dargestellt.
Abb. 2.: Der Beschleunigung von Elektronen (blaue Kugeln) im Vakuum oberhalb der Metalloberfläche, die dem starken, oszillierenden, elektrischen Feld des Laserimpulses ausgesetzt sind (schwarze Kurve; Animation: MBI)
Die Experimente wurden an der TU Wien durchgeführt, wo die Forscher ein neues Treiber-Lasersystem, das auf dem Konzept der Optical Parametric Chirped Pulse Amplification OPCPA beruht, mit einer Röntgen-Erzeugungskammer des MBI kombinierten. Lichtimpulse von 80 fs Dauer und einer Energie bis zu 18 mJ bei einer Zentralwellenlänge von 3,9 µm wurden auf ein 20 µm dickes Kupferband fokussiert. Dieses Konzept erlaubt die nie da gewesene Erzeugung von einer Milliarde harter Röntgenphotonen pro Laserschuss bei einer Wellenlänge von 0,154 nm. Gegenüber früheren Experimenten mit einer Treiberwellenlänge von 800 nm zeigt sich eine Überhöhung um den Faktor 25, was etwa dem Quadrat des Wellenlängenverhältnisses (3900 nm / 800 nm)2 entspricht. Dieses Verhalten ist in quantitativer Übereinstimmung mit der theoretischen Analyse basierend auf dem Drei-Stufen-Konzept in Abb. 1. Die Ergebnisse weisen den Weg für neue, kompakte Laborquellen, mit denen man bis zu 1010 Röntgenphotonen pro Laserschuss bei einer Wiederholrate von einem Kilohertz erzeugen könnte.
MBI / OD