13.01.2017

Außergewöhnliches Taktgefühl

Laser-Metronom ermöglicht stabile Synchronisation knapp unterhalb einer Femtosekunde.

Mit einem hochpräzisen Laser-Metronom haben Forscher am DESY erstmals ein kilometer­großes Netzwerk mit einer Genauigkeit im Atto­sekunden-Bereich synchronisiert. Ein optischer Takt­geber ermöglichte in einem 4,7 Kilometer großen Test­netzwerk für Laser- und Mikrowellen-Signale eine über mehrere Stunden stabile Synchronisation auf 950 Atto­sekunden genau, berichtet das Team um DESY-Forscher Franz X. Kärtner. So ein hochpräziser Takt ermöglicht exakte Serien von Röntgen-Schnapp­schüssen ultra­schneller dynamischer Prozesse in der Welt der Atome und Moleküle.

Abb.: Blick auf einen Teil des Laser-Aufbaus (Bild: DESY / K. Safak)

„Für viele Forschungsfelder ist eine extrem hohe Zeit­genauigkeit von Bedeutung“, betont Kemal afak, Doktorand in Kärtners Gruppe am Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg. „Beispielsweise erfordern manche Geodäsie-Aufgaben eine Signal-Synchronisation mit Piko­sekunden-Genauigkeit, das ist eine billionstel Sekunde. Hochpräzise Satelliten­navigation benötigt eine noch höhere Präzision von bis zu 40 Femto­sekunden, genau wie etwa der Zusammen­schluss mehrerer Teleskope in der Astronomie.“

Mit Freie-Elektronen-Röntgenlasern wie dem European XFEL, der in diesem Jahr in Betrieb geht und dessen Haupt­gesellschafter DESY ist, möchten Forscher extrem schnelle Prozesse im Nano­kosmos beobachten, etwa wie Bio­moleküle ihre Struktur ändern oder wie chemische Reaktionen im Detail ablaufen. „Röntgen­licht ermöglicht eine exzellente räumliche Auflösung auf atomarem Maßstab“, erläutert afak. „Die Heraus­forderung liegt darin, die nötige Zeit­auflösung im Atto­sekunden­bereich zu erreichen, in dem sich wichtige molekulare und atomare Prozesse abspielen.“

DESYs Pionier-Röntgenlaser FLASH erreicht bereits eine anlagen­weite Synchronisation mit einer beeindruckenden Präzision von 30 Femto­sekunden. Das ermöglicht sehr exakt gesteuerte Pump-Probe-Experimente, bei denen ein dynamischer Prozess – beispielsweise eine chemische Reaktion – von einem Laserpuls gestartet wird und mit einem zweiten, präzise verzögerten Laserpuls untersucht wird. Wiederholt man dieses Experiment viele Male mit steigender Verzögerung zwischen den beiden Pulsen, ergibt sich eine Serie von Schnapp­schüssen, die den zeitlichen Verlauf der untersuchten Reaktion zeigt und sich zu einem Super­zeit­lupenfilm kombinieren lässt. Ohne präzise Synchronisation zwischen den Pulsen ließe sich die Dynamik nicht klar auflösen.

„Wenn wir eine noch höhere Präzision erreichen können, verspräche dies komplett neue wissenschaftliche Einblicke in molekulare und atomare Prozesse, die auf der Atto­sekunden-Zeitskala stattfinden“, erläutert Kärtner, der auch Professor an der Universität Hamburg ist und eine Forschungs­gruppe am Massachusetts Institute of Technology (MIT) leitet, wo er vor mehr als zehn Jahren begonnen hat, an hoch­präzisen Taktgeber-Systemen zu arbeiten. „Es wird erwartet, dass dies viele Forschungs­felder revolutionieren wird, von der Strukturbiologie über die Materialforschung und Chemie bis zur physikalischen Grundlagen­forschung.“

„Anlagen wie Röntgenlaser oder Atto-Forschungs­zentren benötigen eine systemweite Synchronisierung von Dutzenden optischen und Mikrowellensignalen mit Atto­sekunden-Genauigkeit, oft über kilometer­lange Distanzen,“ betont Kärtner. Zu diesem Zweck haben die Forscher ein optisches Synchronisations­system entwickelt, das die extrem rausch­armen Puls-Züge moden­gekoppelter Laser als Takt nutzt. Mit Hilfe speziell stabilisierter Glas­faser­verbindungen konnten sie das Taktsignal über lange Strecken von einem zentralen Zeitgeber zu zahlreichen Stationen übertragen, wo sich auf diese Weise eine robuste Synchronisation mit entfernten optischen und Mikro­wellen­quellen erreichen ließ.

Durch die Entwicklung spezieller Detektoren, durch die gezielte Unterdrückung von Nicht­linearitäten in den Glasfasern sowie mit Hilfe neuer Techniken zur Rausch­minimierung haben die Forscher schließlich im Labor eine über 18 Stunden stabile Takt-Präzision von 950 Atto­sekunden in einem 4,7 Kilometer langen Laser-Mikrowellen-Netzwerk gemessen. „Nach unserem Wissen ist es das erste Mal, dass eine Synchronisation mit einer besseren Genauigkeit als eine Femto­sekunde zwischen räumlich entfernten moden­gekoppelten Lasern und Mikro­wellen­oszillatoren auf dem Maßstab einer kompletten Anlage für längere Zeit erreicht wurde“, sagt afak.

„Das Laser-Mikrowellen-Netzwerk mit Atto­sekunden-Präzision wird den Röntgen­lasern der nächsten Generation und anderen Forschungs­anlagen eine bis dato unerreichte zeitliche Genauigkeit ermöglichen, so dass sie ihr volles Potenzial entfalten können“, unterstreicht Kärtner. „Das wird die wissenschaftlichen Bemühungen vorantreiben, molekulare Filme auf der Atto­sekunden-Skala aufzunehmen, und damit viele neue Einblicke in Biologie, Arznei­mittel­entwicklung, Chemie, Grundlagen­physik und Material­forschung eröffnen. Daneben wird erwartet, dass diese Technik auch in vielen anderen Bereichen an der Forschungs­front Verwendung findet, die auf eine hohe Zeit­auflösung angewiesen sind – etwa beim Vergleich ultra­stabiler Atomuhren, in der Gravitations­wellen­astronomie oder zur Zusammen­schaltung kohärenter optischer Antennen­felder.“

Die Experimente fanden in den Laserlaboren des Centers for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg statt. Das CFEL ist eine Kooperation von DESY, Universität Hamburg und der Max-Planck-Gesellschaft. An der Arbeit waren Forscher von DESY, der Universität Hamburg und vom MIT beteiligt.

DESY / DE

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