Mit einem hochpräzisen Laser-Metronom haben Forscher am DESY erstmals ein kilometergroßes Netzwerk mit einer Genauigkeit im Attosekunden-Bereich synchronisiert. Ein optischer Taktgeber ermöglichte in einem 4,7 Kilometer großen Testnetzwerk für Laser- und Mikrowellen-Signale eine über mehrere Stunden stabile Synchronisation auf 950 Attosekunden genau, berichtet das Team um DESY-Forscher Franz X. Kärtner. So ein hochpräziser Takt ermöglicht exakte Serien von Röntgen-Schnappschüssen ultraschneller dynamischer Prozesse in der Welt der Atome und Moleküle.
Abb.: Blick auf einen Teil des Laser-Aufbaus (Bild: DESY / K. Safak)
„Für viele Forschungsfelder ist eine extrem hohe Zeitgenauigkeit von Bedeutung“, betont Kemal afak, Doktorand in Kärtners Gruppe am Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg. „Beispielsweise erfordern manche Geodäsie-Aufgaben eine Signal-Synchronisation mit Pikosekunden-Genauigkeit, das ist eine billionstel Sekunde. Hochpräzise Satellitennavigation benötigt eine noch höhere Präzision von bis zu 40 Femtosekunden, genau wie etwa der Zusammenschluss mehrerer Teleskope in der Astronomie.“
Mit Freie-Elektronen-Röntgenlasern wie dem European XFEL, der in diesem Jahr in Betrieb geht und dessen Hauptgesellschafter DESY ist, möchten Forscher extrem schnelle Prozesse im Nanokosmos beobachten, etwa wie Biomoleküle ihre Struktur ändern oder wie chemische Reaktionen im Detail ablaufen. „Röntgenlicht ermöglicht eine exzellente räumliche Auflösung auf atomarem Maßstab“, erläutert afak. „Die Herausforderung liegt darin, die nötige Zeitauflösung im Attosekundenbereich zu erreichen, in dem sich wichtige molekulare und atomare Prozesse abspielen.“
DESYs Pionier-Röntgenlaser FLASH erreicht bereits eine anlagenweite Synchronisation mit einer beeindruckenden Präzision von 30 Femtosekunden. Das ermöglicht sehr exakt gesteuerte Pump-Probe-Experimente, bei denen ein dynamischer Prozess – beispielsweise eine chemische Reaktion – von einem Laserpuls gestartet wird und mit einem zweiten, präzise verzögerten Laserpuls untersucht wird. Wiederholt man dieses Experiment viele Male mit steigender Verzögerung zwischen den beiden Pulsen, ergibt sich eine Serie von Schnappschüssen, die den zeitlichen Verlauf der untersuchten Reaktion zeigt und sich zu einem Superzeitlupenfilm kombinieren lässt. Ohne präzise Synchronisation zwischen den Pulsen ließe sich die Dynamik nicht klar auflösen.
„Wenn wir eine noch höhere Präzision erreichen können, verspräche dies komplett neue wissenschaftliche Einblicke in molekulare und atomare Prozesse, die auf der Attosekunden-Zeitskala stattfinden“, erläutert Kärtner, der auch Professor an der Universität Hamburg ist und eine Forschungsgruppe am Massachusetts Institute of Technology (MIT) leitet, wo er vor mehr als zehn Jahren begonnen hat, an hochpräzisen Taktgeber-Systemen zu arbeiten. „Es wird erwartet, dass dies viele Forschungsfelder revolutionieren wird, von der Strukturbiologie über die Materialforschung und Chemie bis zur physikalischen Grundlagenforschung.“
„Anlagen wie Röntgenlaser oder Atto-Forschungszentren benötigen eine systemweite Synchronisierung von Dutzenden optischen und Mikrowellensignalen mit Attosekunden-Genauigkeit, oft über kilometerlange Distanzen,“ betont Kärtner. Zu diesem Zweck haben die Forscher ein optisches Synchronisationssystem entwickelt, das die extrem rauscharmen Puls-Züge modengekoppelter Laser als Takt nutzt. Mit Hilfe speziell stabilisierter Glasfaserverbindungen konnten sie das Taktsignal über lange Strecken von einem zentralen Zeitgeber zu zahlreichen Stationen übertragen, wo sich auf diese Weise eine robuste Synchronisation mit entfernten optischen und Mikrowellenquellen erreichen ließ.
Durch die Entwicklung spezieller Detektoren, durch die gezielte Unterdrückung von Nichtlinearitäten in den Glasfasern sowie mit Hilfe neuer Techniken zur Rauschminimierung haben die Forscher schließlich im Labor eine über 18 Stunden stabile Takt-Präzision von 950 Attosekunden in einem 4,7 Kilometer langen Laser-Mikrowellen-Netzwerk gemessen. „Nach unserem Wissen ist es das erste Mal, dass eine Synchronisation mit einer besseren Genauigkeit als eine Femtosekunde zwischen räumlich entfernten modengekoppelten Lasern und Mikrowellenoszillatoren auf dem Maßstab einer kompletten Anlage für längere Zeit erreicht wurde“, sagt afak.
„Das Laser-Mikrowellen-Netzwerk mit Attosekunden-Präzision wird den Röntgenlasern der nächsten Generation und anderen Forschungsanlagen eine bis dato unerreichte zeitliche Genauigkeit ermöglichen, so dass sie ihr volles Potenzial entfalten können“, unterstreicht Kärtner. „Das wird die wissenschaftlichen Bemühungen vorantreiben, molekulare Filme auf der Attosekunden-Skala aufzunehmen, und damit viele neue Einblicke in Biologie, Arzneimittelentwicklung, Chemie, Grundlagenphysik und Materialforschung eröffnen. Daneben wird erwartet, dass diese Technik auch in vielen anderen Bereichen an der Forschungsfront Verwendung findet, die auf eine hohe Zeitauflösung angewiesen sind – etwa beim Vergleich ultrastabiler Atomuhren, in der Gravitationswellenastronomie oder zur Zusammenschaltung kohärenter optischer Antennenfelder.“
Die Experimente fanden in den Laserlaboren des Centers for Free-Electron Laser Science (CFEL) in Hamburg statt. Das CFEL ist eine Kooperation von DESY, Universität Hamburg und der Max-Planck-Gesellschaft. An der Arbeit waren Forscher von DESY, der Universität Hamburg und vom MIT beteiligt.
DESY / DE