Bell-Ungleichung mit makroskopischen Qubits getestet
Verschränkte Josephson-Phasenqubits liefern ein Bell-Signal, das deutlich über dem klassisch möglichen Wert liegt.
Verschränkte Josephson-Phasenqubits liefern ein Bell-Signal, das deutlich über dem klassisch möglichen Wert liegt.
Quantenmechanisch verschränkte Objekte können ihr Verhalten enger miteinander abstimmen als es nach den Gesetzen der klassischen Physik möglich ist – was von Einstein als „geisterhafte Fernwirkung“ bezeichnet wurde. Ob sich das korrelierte Verhalten zweier Objekte tatsächlich nicht mehr klassisch erklären lässt, kann man mit der von John Bell aufgestellten Ungleichung überprüfen. So hatten verschränkte Photonen bei früheren Experimenten eindeutig die Bell-Ungleichung verletzt und sich damit unzweifelhaft quantenmechanisch verhalten. Jetzt haben Forscher an der University of California in Santa Barbara erstmals gezeigt, dass auch verschränkte makroskopische Objekte die Bell-Ungleichung verletzen können.
John Martinis und seine Kollegen haben zwei Josephson-Phasenqubits miteinander verschränkt und eingehenden Messungen unterzogen. Dabei handelte es sich um supraleitende Schaltkreise mit einem Tunnelkontakt, an denen der Josephson-Effekt auftrat: Eine quantenmechanische Phasendifferenz zwischen zwei supraleitenden Drähten, die durch eine Isolatorschicht getrennt waren, ließ einem Tunnelstrom durch die Schicht fließen.
Abb.: Der Chip mit den beiden Phasenqubits (helle Quadrate auf dem grauen Streifen), die durch einen Resonator verbunden sind. (Bild: M. Ansmann et al., UCSB/Nature)
Jeder der beiden Schaltkreise konnte so eingestellt werden, dass nur zwei verschiedene Werte für die Phasendifferenz auftraten, was den Quantenzuständen |0> und |1> entsprach. Mit Mikrowellenpulsen ließen sich die Schaltkreise in beliebige Überlagerungen der beiden Zustände bringen, sodass sie je ein Qubit aufnehmen konnten. Diese Phasenqubits waren „makroskopisch“, da die beiden überlagerten Quantenzustände unterschiedliche kollektive Zustände einer großen Zahl von Elektronen waren.
Die beiden Phasenqubits saßen etwa 3 mm voneinander entfernt auf einem Chip und waren durch einen elektromagnetischen Resonator verbunden, über den sie miteinander verschränkt werden konnten. Dazu wurde das Qubit A in den Zustand |1> angeregt und mit dem Resonator in Resonanz gebracht, sodass beide nach kurzer Zeit miteinander verschränkt waren. Dann wurde diese Resonanz beendet und stattdessen Qubit B, das anfangs im Zustand |0> war, auf die Resonatorfrequenz abgestimmt. Als auch diese Resonanz nach kurzer Wartezeit beendet worden war, befanden sich die beiden Qubits im verschränkten Zustand |01> – |10>.
Um die Abstimmung der beiden verschränkten Qubits zu untersuchen, führten die Forscher an ihnen Zustandsmessungen durch. Dazu wurden die Qubits unabhängig voneinander mit Mikrowellenpulsen gedreht, dann wurde gemessen, ob der Zustand des Qubits |0> oder |1> war. Die Forscher wiederholten die Messungen mit unterschiedlichen Drehungen der beiden Qubits 34 Millionen Mal. Die Messergebnisse werteten sie nach einem von Clauser, Horne, Shimony und Holt entwickelten Verfahren zur Überprüfung der Bell-Ungleichung aus.
Das Resultat ließ sich in einer Zahl zusammenfassen, dem Bell-Signal S, das im Gültigkeitsbereich der klassischen Physik maximal 2 sein kann. Für die verschränkten Phasenqubits ergab sich jedoch: S = 2,0732±0,0003. Dieses Ergebnis lag um 244 Standardabweichungen über dem klassisch erlaubten Wert. Die verschränkten Phasenqubits hatten die Bell-Ungleichung somit klar verletzt.
Die Forscher weisen darauf hin, dass sie bei ihrem Experiment das „Nachweis-Schlupfloch“ geschlossen haben, das bei Experimenten mit verschränkten Photonen bisher offen war. Da auch die besten Photodetektoren nur einen Teil der einfallenden Photonen registrieren, ist es denkbar, dass zur Überprüfung der Bell-Ungleichung nur eine nichtrepräsentative Stichprobe der verschränkten Photonen beiträgt. Die Messungen an den Phasenqubits sind in dieser Hinsicht vollständig. Doch sie lassen das „Kausalitäts-Schlupfloch“ offen: Da die Messung der Phasenqubits länger dauert als das Licht für den Weg zwischen ihnen benötigt, könnten sich die Qubits „klassisch“ abstimmen und auf diese Weise die Bell-Ungleichung verletzen. Bei Experimenten mit Photonen hatte man dieses Schlupfloch schon geschlossen. Martinis und seine Kollegen hoffen, dass ihnen das auch für die Phasenqubits gelingen wird.
RAINER SCHARF
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KP