Berge und Täler aus Graphen
Bei komplizierten Oberflächen erlauben Berechnungen verlässlichere Einblicke in die Mikrostruktur von Graphen als Elektronenmikroskope.
Bringt man Graphen auf anderen Materialien auf, können sich Superstrukturen bilden – regelmäßige Anordnungen winziger Berge und Täler. Sie sind mit herkömmlicher Elektronenmikroskopie schwer zu untersuchen. Berechnungen der TU Wien erklären, warum Berge manchmal wie Täler aussehen können, und umgekehrt.
Abb.: Bei Graphen auf Iridium ergibst sich aufgrund der unterschiedlichen Gitterkonstanten ein Moiré-Effekt. (TU Wien)
Graphen besteht aus einer einzelnen Lage sechseckig angeordneter Kohlenstoffatome. Oft bringt man eine Graphenschicht auf einem Untergrund aus einem anderen Material auf, um es stabil zu halten. Fixiert man Graphen auf einem Iridiumuntergrund, lässt sich ein interessanter Effekt beobachten: „Die Graphenoberfläche bleibt nicht eben, sie formt regelmäßige Berge und Täler“, erklärt Florian Mittendorfer vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien, der diese Oberflächen gemeinsam mit Andreas Garhofer in umfangreichen Computersimulationen untersuchte. An der Freien Universität Berlin, der Universität Konstanz und bei der Firma SPECS wurden Experimente zu diesen Effekten durchgeführt, die TU-Physiker steuerten mit Kollegen von der Freien Universität Berlin aufwändige Computersimulationen bei.
Die Iridiumatome ordnen sich in gleichseitigen Dreiecken an, deren 60-Grad-Winkel eigentlich gut zur Bienenwabenstruktur der Graphenschicht passen würden. Allerdings entsprechen die Abstände zwischen den Kohlenstoffwaben im Graphen nicht genau dem Abstand zwischen den Iridiumatomen. Wenn eine Kohlenstoffwabe genau auf einem Iridiumatom zu liegen kommt, dann sind die jeweiligen Nachbarn leicht gegeneinander verschoben – erst jede zehnte Kohlenstoffwabe befindet sich dann wieder genau auf einem Iridiumatom. „Dadurch wölbt sich das Graphen und es ergibt sich ein Oberflächen-Muster aus winzigen Bergen und Tälern“, erklärt Florian Mittendorfer.
Diese Graphenstrukturen sind wissenschaftlich sehr interessant – man könnte sie etwa verwenden, um genau in den Tälern Metall aufzudampfen und winzige Cluster herzustellen. Allerdings stellen die Strukturen selbst modernste Mikroskope vor ernste Probleme: „Wählt man einen ungünstigen Abstand zwischen Mikroskopspitze und Oberfläche, dann sehen plötzlich die Berge wie Täler aus, und umgekehrt. Bei einem ganz bestimmten Abstand erscheint für das Mikroskop die ganze Oberfläche glatt“, sagt Mittendorfer.
„Dass man sowohl mit Rastertunnelmikroskopen als auch bei Rasterkraftmikroskopen auf Schwierigkeiten stößt, ist zunächst überraschend. Unsere Rechnungen erklären allerdings, warum das so ist“, sagt Florian Mittendorfer. Ein größerer Abstand zwischen der Graphenlage und der Mikroskopspitze bedeutet nicht automatisch, dass die Kraft zwischen Oberfläche und Spitze geringer wird, der Zusammenhang ergibt sich aus der Anordnung der Atome in der Oberfläche. „Die Krümmung der Graphenfläche führt zu einem komplexen Zusammenhang zwischen Abstand und Kraft“, erklärt Mittendorfer.
TU Wien / OD