12.01.2006

Besuch beim Eis-Zwerg

Erstmals seit seiner Entdeckung vor 75 Jahren soll eine Raumsonde den Planeten Pluto besuchen.


Besuch beim «Eis-Zwerg» 

Washington (dpa) - Der Planet Pluto, der kleine «Eis-Zwerg» am Rand unseres Sonnensystems, bekommt erstmals seit seiner Entdeckung vor 75 Jahren Besuch von der Erde. Am Dienstag kommender Woche (17. Januar) soll die Sonde «New Horizons» der US-Weltraumbehörde NASA vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral (Florida) zu einem mehr als neunjährigen und sechs Milliarden Kilometer langen Flug aufbrechen. Wie bei einer Zeitreise fliegt der irdische Raumkörper rund vier Milliarden Jahre zurück in die Vergangenheit - bis zu den Anfängen unseres Sonnensystems. Nach Angaben der NASA wird damit die Ersterkundung aller neun Planeten abgeschlossen.

Die NASA spricht von einer Art «astronomischer Archäologie», weil Pluto eine unschätzbare Innenansicht der Ursprünge unseres Sonnensystems biete. «Die Erforschung von Pluto und des Kuipergürtels ist wie ein archäologischer Spatenstich in die Geschichte des äußeren Solarsystems; ein Platz, wo wir in die vergangenen Zeiten der Planetenbildung schauen können», sagt Alan Stern vom Southwest Research Institute in Boulder (Colorado).

Aber auch aus einem anderen Grund ist Pluto für die Astronomen ein «wissenschaftliches Wunderland». Anders als andere Himmelskörper im so genannten Kuipergürtel jenseits des Planeten Neptun hat Pluto beispielsweise nicht nur einen Mond, sondern drei Trabanten. Dabei ist der Mond «Charon» so groß, dass manche Wissenschaftler sogar von einem Doppelplaneten sprechen.

Frühestens im Juli 2015 fliegt «New Horizons» in einer Entfernung von rund 10 000 Kilometer - einer kosmischen Winzigkeit - an Pluto vorbei. Fünf Monate lang wird die Sonde den Planeten und dessen Mond «Charon» untersuchen.

Manchmal wiegen Tage in der Raumfahrt ganze Jahre auf. Kann die Raumsonde beispielsweise fristgerecht in einem Zeitfenster bis zum 3. Februar starten, wird sie Anfang 2007 am Planeten Jupiter vorbeifliegen und von dessen Schwerkraft wie mit einem Katapult in Richtung Pluto weitergeschleudert. Startet die Sonde etwa wegen schlechten Wetters erst nach dem 3. Februar, wird die Reise ohne den Schleudereffekt von Jupiter mindestens vier Jahre länger dauern.

Rund 700 Millionen Dollar (580 Millionen Euro) lässt sich die NASA den Flug in die weniger erforschten Weiten am Rand unseres Sonnensystems kosten. Die Raumsonde hat etwa die Größe eines Klaviers und wiegt 478 Kilogramm. Eines der sieben Instrumente an Bord ist das Ultraviolett-Spektrometer «Alice», mit dem die Zusammensetzung der Atmosphäre untersucht werden soll. Das «Auge Ralph» wird für die Kartographie benötigt. 200 Tage vor der Annäherung an Pluto wird die Kamera «Lorri» erstmals Aufnahmen machen. Deren Auflösung soll besser sein als die des Weltraumteleskops «Hubble».

Pluto ist der erste Planet, der von einem Amerikaner entdeckt wurde - am 18. Februar 1930 von Clyde Tombaugh vom Lowell Observatory. Alle acht anderen Planeten in unserem Sonnensystem sowie sieben Monde, darunter der Erdenmond, sind größer als Pluto. Zum Vergleich: Pluto misst etwa nur zwei Drittel unseres Mondes und leuchtet nach NASA-Angaben rund 50 000 Mal schwächer als der Mars. Weil Pluto von allen Planeten die Sonne in der weitesten Entfernung umkreist, ist seine Erkundung von der Erde aus so schwierig.

Die meiste Zeit der neun Jahre langen Reise wird «New Horizons» in einer Art von elektronischem Schlafzustand dämmern. Ein Mal pro Jahr sollen die wichtigsten Systeme geweckt und notfalls Kurskorrekturen vorgenommen werden. Jede Woche sendet die Sonde ein Lebenszeichen. Der Raumflugkörper benötigt nach Angaben der NASA weniger Strom als zwei 100-Watt-Glühbirnen. Die Energie wird deshalb nach bisherigen Berechnungen für einen Flug aus unserem Solarsystem heraus bis zum Jahr 2025 reichen.

Hans Dahne, dpa

Stichwort: Pluto - exzentrischer Eiszwerg am Rand des Sonnensystems 

Pluto ist der kleinste Planet des Sonnensystems. Der nach dem griechischen Gott der Unterwelt benannte Winzling hat nur einen Durchmesser von 2300 Kilometern - weniger als der Erdenmond (3500 Kilometer). Anders als die übrigen Planeten des äußeren Sonnensystems ist der minus 230 Grad Celsius kalte Pluto kein Gasriese, sondern eher ein Eiszwerg, wie sie zu zigtausenden bei der Entstehung des Sonnensystems übrig geblieben sind und seitdem den so genannten Kuipergürtel am Rand unseres Systems bilden.

Der erst 1930 entdeckte Pluto umkreist die Sonne in einer anderen Ebene als alle übrigen Planeten. Je nach Jahreszeit ist er 30 bis 50 Mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde. Für einen Sonnenumlauf benötigt der zu knapp einem Drittel aus gefrorenem Wasser bestehende Eisplanet 248 Erdenjahre. Auf seiner eiförmigen Bahn kommt Pluto der Sonne regelmäßig näher als sein Nachbar Neptun und wird damit vorübergehend zum achten Planeten. Das war zuletzt in den 80er und 90er Jahren der Fall. Seit dem 11. Februar 1999 ist Pluto aber wieder der neunte Planet.

Außer seinem Mond Charon hat Pluto offensichtlich noch zwei weitere Begleiter, die das Weltraumteleskop «Hubble» erst im vergangenen November aufgespürt hat.

Wegen seiner exzentrischen Eigenschaften sind nicht alle Astronomen heute noch überzeugt, dass es sich bei Pluto überhaupt um einen Planeten handelt. Die zuständige Internationale Astronomische Union (IAU) beendete zwar 1999 diesen Astronomenstreit mit der Entscheidung, dass der Eiszwerg den Planeten zuzurechnen sei. Würde er jedoch heute entdeckt, bekäme er wahrscheinlich nicht mehr so leicht den Planetenstatus. So blieb dieser etwa dem mit 1700 Kilometern Durchmesser nur wenig kleineren Planetoiden Sedna verwehrt, den Astronomen 2004 entdeckt hatten.

Und auch der 2005 entdeckte Planetoid Xena, der mit 2700 Kilometern Durchmesser sogar größer ist als Pluto und auch einen Mond besitzt, wird bisher nicht als Planet geführt. Über seine Einstufung will die IAU vermutlich auf ihrer diesjährigen Vollversammlung im April in Prag entscheiden. Da derartige Entdeckungen dank der verbesserten Beobachtungstechnik künftig häufiger werden dürften, soll zuvor eine Fachgruppe die Mindestanforderungen an einen Planeten festlegen.

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