30.07.2004

Besuch nach 30 Jahren

Erstmals seit mehr als 30 Jahren startet mit der Sonde «Messenger» wieder eine Merkur-Expedition.


Erstmals seit mehr als 30 Jahren startet mit der Sonde «Messenger» wieder eine Merkur-Expedition.

Hamburg (dpa) - Der sonnennächste Planet Merkur ist zwar seit mindestens 3000 Jahren bekannt, aber noch immer kaum erforscht. Erst die Hälfte der Oberfläche hat die bislang einzige Merkur-Sonde, «Mariner 10», kartiert. Erstmals seit mehr als 30 Jahren startete am 3. August 2004 wieder eine Merkur-Expedition. Die Sonde «Messenger» soll auch neue Erkenntnisse über die Erde bringen.

«Merkur ist einer unserer nächsten Nachbarn und einer der vier erdähnlichen Gesteinsplaneten», erläutert Louise Prockter von der Johns Hopkins University in Laurel (US-Staat Maryland), die für «Messengers» Kamera verantwortlich ist. Merkur ist nicht viel größer als der Erdenmond. Wenn auf ihm die Sonne aufgeht, bricht stets ein langer, heißer Tag an: Nach der fast minus 200 Grad Celsius kalten Nacht erhitzt die Sonne den Planeten tagsüber auf Temperaturen von 400 Grad und mehr. Und Sonnenuntergang ist erst nach einem Merkurjahr - das ist auf dem Merkur immerhin 88 Erdentage lang.

Diese Mosaikaufnahme vom Merkur hat die Raumsonde Mariner 10 vor rund 30 Jahren am 29. März 1974 aufgenommen. (Quelle: NSSDC/NASA)

Da Merkur wie die Venus innerhalb der Erdbahn um die Sonne kreist, kann er wie sie als eine Art Morgen- oder Abendstern am Firmament erscheinen, ist allerdings wegen seiner Nähe zur Sonne nur schwer zu beobachten. Im klassischen Griechenland trug Merkur zwei Namen, Apoll und Hermes, je nachdem, ob er morgens oder abends am Himmel auftauchte. Und wie Venus kann Merkur am irdischen Himmel vor der Sonnenscheibe vorbeiziehen - so ein Merkurtransit ist sogar etwas häufiger als der im Juni von den Astronomen als Jahrhundertereignis gefeierte Venustransit. Allerdings ist er mit bloßem Auge nicht zu erkennen.

Der arabische Astronom Nur ad-Din Abu Ishaq Al-Bitruji Al-Isbili hatte im 12. Jahrhundert noch vermutet, Merkur müsse wohl ein durchsichtiger Planet sein, weil er ihn nie als dunklen Punkt vor der Sonnenscheibe erspähen konnte. Doch Merkur ist natürlich keineswegs transparent, er besteht sogar zum größten Teil aus Eisen, was die Forscher verblüfft hat. «Merkur hat einen Eisenkern, der viel größer ist, als man erwarten würde», erläutert Prockter. «Wie so ein großer Kern in einem derart kleinen Objekt entstehen konnte, ist noch nicht geklärt.» Das ist eine der zentralen Fragen, die «Messenger» beantworten soll.

Die rund 500 Kilogramm schwere NASA-Sonde, die von einem Schild aus Spezialkeramik gegen die intensive Sonnenstrahlung geschützt wird, hat acht Instrumente an Bord und soll den Merkur ein Jahr lang umkreisen. Bevor sie 2011 in seine Umlaufbahn einschwenkt, wird «Messenger» 2008 und 2009 den Planeten drei Mal passieren. Insgesamt 15 Mal wird die Sonde auf ihrer fast acht Milliarden Kilometer langen Reise die Sonne umrunden und dabei im kommenden Jahr auch an der Erde und in den beiden Folgejahren an der Venus vorbeifliegen.

Zu den wichtigsten Aufgaben der 427 Millionen US-Dollar (knapp 350 Millionen Euro) teuren Expedition gehört auch die Untersuchung der geologischen Geschichte des Merkur, auf dessen zernarbter Oberfläche unter anderem ein System bogenförmiger Bergrücken entdeckt wurde. Außerdem soll das von «Mariner 10» entdeckte Magnetfeld erforscht werden, das etwa ein Prozent so stark ist wie das irdische.

Darüber hinaus haben Radarmessungen trotz der tagsüber glutheißen Temperaturen auf dem Merkur Hinweise auf Eis erbracht - und zwar in permanent abgeschatteten Kratern an den Merkurpolen. «Wassereis könnte mit Kometen oder Asteroiden auf den Merkur gestürzt sein, oder es ist aus dem Planeten gedünstet und an den Polen eingefroren», erläutert Prockter. Alternativ könne es sich aber auch um andere Ablagerungen wie etwa Schwefel handeln. Auch dieses Rätsel soll «Messenger» klären. «Messenger»-Chefwissenschaftler Sean Solomon von der Carnegie Institution in Washington fiebert dem Start entgegen: «Fast 30 Jahre lang konnten unsere Fragen nicht beantwortet werden, bis die Technologie sich unseren Bedürfnissen angeglichen hat. Jetzt sind wir soweit.»

Till Mundzeck, dpa

Steckbrief: Merkur
Merkur kreist schneller als jeder andere Planet unseres Systems um die Sonne: Mit einer Bahngeschwindigkeit von 180 000 Kilometern pro Stunde macht der nach dem römischen Götterboten benannte, sonnennächste Planet seinem Namen alle Ehre. Sein Durchmesser beträgt nur knapp 4900 Kilometer - die Erde bringt es auf über 12 000 Kilometer. Einen Mond hat der Planet nicht.

Das Merkurjahr dauert nur 88 Erdentage. In knapp 59 Erdentagen dreht sich Merkur einmal um sich selbst. Wegen dieser Ähnlichkeit zur Jahreslänge dauert ein Sonnentag, die Zeit von einem Sonnenaufgang bis zum nächsten, auf dem Merkur fast 176 Erdentage. Entsprechend drastisch sind die Temperaturunterschiede: Während es auf der Sonnenseite des Planeten bis zu 467 Grad Celsius heiß werden kann, kühlt die Nachtseite auf bis zu minus 183 Grad Celsius ab.

Merkur zählt zu den erdähnlichen Gesteinsplaneten. Die Schwerkraft beträgt nur etwas mehr als ein Drittel der irdischen. Messungen der NASA-Sonde «Mariner 10» lassen auf eine außerordentlich dünne Hülle mit Wasserstoff, Helium, Sauerstoff, Natrium und Kalium schließen. Der Atmosphärendruck an der Merkuroberfläche ist aber rund zehn Billionen Mal schwächer als auf der Erde.

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