Bewegungsmikroskop macht winzige Schwingungen sichtbar
Verbessertes Verfahren zur Videoanalyse liefert verborgene Informationen.
Viele Objekte oder Lebewesen, die auf den ersten Blick völlig starr und unbewegt erscheinen, weisen tatsächlich winzige charakteristische Bewegungen auf. Gelingt es, diese Bewegungen sichtbar zu machen, so lassen sich viele zunächst verborgene Informationen gewinnen. Hier setzt das Bewegungsmikroskop an, ein Bildverarbeitungsverfahren, das Forscher am MIT um William Freeman und Michael Rubinstein vor ein paar Jahren vorgestellt und seither weiterentwickelt haben. Die zugrundeliegende Idee ist einfach, die Realisierung hat es jedoch in sich.
Abb.: Das mit 50 Hz (oben) und 100 Hz (unten) angetriebene elastische Metamaterial unter dem Bewegungsmikroskop (rechts), zum Vergleich die Computersimulation (links). Während sich die 50 Hz-Wellen im ganzen Material ausbreiten, klingen die 100 Hz-Wellen schnell ab. (Bild: N. Wadhwa et al. / NAS)
Zunächst macht man mit einer Hochgeschwindigkeitsvideokamera Aufnahmen eines nahezu unbewegten Objekts. Das kann zum Beispiel eine Brücke sein, eine auf dem Boden liegende Chipstüte, ein schlafender Säugling oder ein mikroskopisches Präparat aus der Hörschnecke. Aus dem aufgezeichneten Video filtert man die Bewegungen für einen bestimmten Frequenzbereich heraus und verstärkt ihre Amplitude einige hundert Mal. Dadurch werden die entsprechenden Bewegungen sichtbar – doch leider nimmt dabei auch das Bildrauschen erheblich zu, sodass die Bildqualität stark leidet und Information verlorengeht.
Dieser Informationsverlust lässt sich aber weitgehend vermeiden, wenn man die winzigen lokalen Verschiebungen im Video je nach ihren örtlichen Schwingungsphasen unterschiedlich verstärkt. Dazu werden für jedes einzelne Bild die Intensitäten der Pixel mit Hilfe von lokalisierten Wavelets transformiert. Das transformierte Bild wird dann für einen bestimmten Frequenzbereich durch Sinusfunktionen dargestellt, die durch lokale Amplituden und Phasen charakterisiert werden. Von einer aktuellen lokalen Phase wird die entsprechende Phase des ersten Bildes abgezogen, die Differenz gefiltert und verstärkt und schließlich durch Umkehrung der Fourier- und Wavelet-
Wie gut das Verfahren funktioniert, zeigen die Forscher anhand von verschiedenen Beispielen. So haben sie die durch ein beschalltes Cochlea-
Auf ein Video von einer Hebebrücke angewandt, zeigte das Bewegungsmikroskop bei vierhundertfacher Vergrößerung, dass ein feststehender Brückenteil durch den beweglichen Teil in Schwingungen mit einer Frequenz von zwei bis drei Hertz versetzt wurde. Das ließ sich zwar auch mit Hilfe von an der Brücke angebrachten Beschleunigungsmessern beobachten, allerdings nur punktuell, während das Bewegungsmikroskop die Schwingungen über die gesamte Brücke darstellte.
Schließlich haben die Forscher mit dem Bewegungsmikroskop die elastischen Schwingungen eines Metamaterials untersucht, bei dem in einer Matrix elastisch aufgehängte Kupferkerne eingebettet waren. Das Metamaterial wurde mit zwei verschiedenen Frequenzen angetrieben und mit dem Bewegungsmikroskop untersucht. Während bei fünfzig Hertz die gesamte Matrix in Schwingungen geriet, klangen bei hundert Hertz die Schwingungen schon nach kurzer Wegstrecke ab. Die gewonnenen Aufnahmen stimmten hervorragend mit den Ergebnissen von Computersimulationen überein.
Mit einer früheren Version ihres Bewegungsmikroskops hatten die Forscher noch weitere Anwendungsmöglichkeiten aufgezeigt. So konnten sie die unmerklichen Atembewegungen und den Pulsschlag eines schlafenden Säuglings sichtbar machen und dadurch etwa einen möglichen Atemstillstand rechtzeitig bemerken. Auch winzige Bewegungen in der Mimik und Gestik einer Person lassen sich erkennen und analysieren. Aus den unmerklichen Schwingungen einer Chipstüte konnten sie den Umgebungsschall rekonstruieren und damit Stimmen und Geräusche hörbar machen.
Rainer Scharf
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