04.12.2019

Biophysik natürlicher Muster

Physikalisches Modell für die Erklärung einer Musterbildung in Bakterienkulturen.

Für viele Prozesse in lebenden Organismen ist die Ausbildung bestimmter biologischer Muster essenziell. Proteine etwa organisieren sich in lebenden Zellen selbst, um Schlüssel­funktionen wie Zellteilung, Kommuni­kation oder Fortbewegung zu ermöglichen. Ein wichtiges Beispiel ist das Min-System des Bakteriums E. coli, das festlegt, an welcher Stelle die Zelle geteilt wird. Ein Team um die Physiker Erwin Frey, Inhaber des Lehrstuhls für Statistische und Biologische Physik an der Universität München, und Petra Schwille vom Max-Planck-Institut für Biochemie hat nun die minimalen Funktions­elemente dieses Systems identifiziert und ein verein­fachtes Modell entwickelt, mit dem das Phänomen der Musterbildung von Grund auf untersucht werden kann. 

Abb.: Modu­lare Erset­zungen in E.coli-Bakterien erzeugen vielfältige, an...
Abb.: Modu­lare Erset­zungen in E.coli-Bakterien erzeugen vielfältige, an Fraktale erin­nernde Muster auf Membranen. (Bild: Glock et al. CC BY 4.0)

Die Teilung des stäbchen­förmigen Bakteriums E. coli wird durch zwei Min-Proteine gesteuert, MinD und MinE. Diese Proteine pendeln zwischen den beiden Enden der Zelle hin und her und erzeugen dabei ein Muster, das die Teilung in der Nähe der Zellpole verhindert, aber nicht in der Mitte der Zelle. Aufgrund seiner Einfachheit ist das System für das Verständnis grund­legender Mechanismen der protein­basierten Musterbildung sehr wertvoll. Zudem kann es im Labor nachgebaut werden, sodass die für die Musterbildung notwendigen Funktions­einheiten kontrolliert und mithilfe von Mutationen manipuliert werden können.

Die Wissenschaftler haben dieses System nun weiter vereinfacht und die minimalen Komponenten identi­fiziert, die für eine Musterbildung notwendig sind. Dazu schufen sie eine mini­malistische Version von MinE, indem sie das Protein in eine Reihe funk­tioneller Sequenzen unterteilten, und untersuchten, welche der Sequenzen für die Muster­bildung essentiell sind. Dabei zeigte sich, dass die kurze Sequenz mithilfe der MinE mit MinD interagiert, allein nicht ausreicht. Indem sie nacheinander weitere funk­tionelle Sequenzen von MinE anfügten, gelang es den Wissen­schaftlern, mehrere minimale musterbildende Protein­mutante zu entwickeln. Dabei stellten die Wissen­schaftler fest, dass mindestens eine weitere funktionale Sequenz erforderlich ist. Dies kann entweder eine Sequenz für die Membran­bindung sein oder eine Sequenz, über die sich das Molekül an weitere gleichartige Moleküle bindet. Diese Sequenzen müssen nicht von MinE selbst stammen, sondern sie können durch fremde Sequenzen ersetzt und möglicher­weise weiter vereinfacht werden.

„Auf der Basis dieser Ergebnisse haben wir ein mathe­matisches Modell entwickelt, das erklärt, warum diese Motive erfor­derlich sind und wie sie die Musterbildung ermöglichen. Darüber hinaus prognostiziert das Modell, wie sich diese Muster an die Zellform von E. coli anpassen“, sagt Fridtjof Brauns, Mitarbeiter in Freys Team gemeinsam mit Jacob Halatek und Philipp Glock, Doktorand am Max-Planck-Institut. „Mit diesem Modell kann nun untersucht werden, welche Funktions­merkmale, unabhängig von einem bestimmten Proteinsystem, kombiniert werden müssen, um eine Selbst­organisation und Musterbildung in der Biologie zu ermöglichen“, sagt Frey. Damit bildet die Arbeit nach Ansicht der Wissen­schaftler einen wertvollen Ansatzpunkt, um den grundlegenden biologischen Prozess der protein­basierten Muster­bildung von Grund auf zu untersuchen.

LMU / JOL

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