Bis auf Femtonewton genau
Optomechanischer Nanosensor detektiert selbst kleinste biomechanische Zellprozesse.
Mit ihrer atomfeinen Spitze können Rasterkraftmikroskope winzige Kräfte bis auf einige Pikonewton genau bestimmen. Noch genauer konnten nun Physiker der University of California San Diego mit einem optischen Kraftsensor, basierend auf einer Nanofaser aus Zinnoxid, messen. Mit einer Empfindlichkeit bin in den Femtonewtonbereich gelang es ihnen, sogar extrem schwachen Schallwellen – verursacht von einzelnen Herzmuskelzellen – zu lauschen. Dieses optische Nanostethoskop eröffnet damit völlig neue Möglichkeiten, um kleinste, biomechanische Zellprozesse zu analysieren.
Abb.: Messprinzip des optomechanischen Nanostethoskops: Über ihre Bewegung drücken Bakterien Goldpartikel in einen Kunststoffmantel um eine Nanofaser. Dadurch wird die Streuung von UV-Laserlicht in der Faser beeinflusst und es lassen sich die wirkenden Kräfte bis auf 160 Femtonewton genau bestimmen. (Bild: R. S. Miller / UC Regents)
„Die Methode ist empfindlich genug, um die akustische Signatur von biologischen Organismen zu detektieren“, sagt Donald J. Sirbuly vom Department of Nano-Engineering an der UC San Diego in La Jolla. Dazu fertigte er gemeinsam mit seinen Kollegen eine nur wenige Dutzend Nanometer dünne Nanofaser aus Zinnoxid. Diese Faser umhüllten sie mit einer 15 Nanometer dünnen Schicht aus dem flexiblen Kunststoff Polyethylenglykol. Auf diesen Kunststoffmantel setzten sie einzelne Nanopartikel aus Gold, die über elektrostatische Kräfte haften blieben. Abhängig von den Randbedingungen wurden die Goldpartikel in den weichen Kunststoffmantel gedrückt und veränderten dadurch ihre Position.
Um mit dieser Sonde nun kleinste Kräfte zu messen, schickten Sirbuly und Kollegen ultraviolettes Laserlicht (325 nm Wellenlänge) durch die Nanofaser. Die Lichtwellen wurden von den Goldpartikeln über eine Wechselwirkung zwischen Plasmonen und der dielektrischen Nanofaser gestreut. Danach ließ sich das Streulicht mit empfindlichen Lichtsensoren am Ende der Faser auffangen. Die Intensität des gestreuten Lichts hing dabei stark von der Position der einzelnen Goldpartikel ab, die mit den auf ihnen wirkenden Drücken variierte.
Um die hohe Messempfindlichkeit zu demonstrieren, tauchten die Forscher die Nanofaser in eine Nährstofflösung mit lebenden Herzmuskelzellen von Mäusen. Die rhythmische Bewegung der Zellen erzeugte kleine Druckschwankungen im flüssigem Medium. Schwache Schallwellen breiteten sich aus und drückten die Goldpartikel etwas in die flexible Kunststoffschicht hinein. Dadurch verursachten sie eine messbare Veränderung der Lichtstreuung. Über die Analyse des gestreuten Lichts konnten die Forscher auf die Intensität der akustischen Wellen zurückschließen. Die Nachweisgrenze lag bei einem verblüffend geringen Wert von -30 dB, weit unterhalb der Hörschwelle des Menschens.
In weiteren Versuchen wandten die Forscher ihr Nanostethoskop auf ein Nährmedium mit Bakterien der Art Heliobacter pylori an. Bei ihrer Bewegung übten die Mikroorganismen kleinste Drücke aus, die ebenfalls die Position der Goldpartikel veränderten und somit die Lichtstreuung beeinflussten. Die Nachweisgrenze lag in diesen Versuchen bei etwa 160 Femtonewton. Damit konnte das Nanostethoskop bis zu zehnmal empfindlicher messen als ein Rasterkraftmikroskop, das heute zu den sensibelsten Druckmessern überhaupt zählt. Ein weiterer Vorteil liegt in der geringen Größe der Nanofaser, so dass sie genau zu einer fast beliebig kleinen Probe geführt werden könnte.
„Wir glauben, dass diese Technologie schnell einen Einfluss auf fundamentale biologische Forschung haben wird, den Nachweis von mechanischen Zellprozessen und eine frühe Krankheitsdiagnose eingeschlossen“, sagt Sirbuly. So rechnet er damit, dass sein optomechanisches Verfahren völlig neue Einblicke in biomechanische Prozesse einzelner Zellen und Bakterien eröffnen wird. Je nach Messbereich ließen sich weichere als auch härtere Kunststoffhüllen für die Nanofaser nutzen. Er hält es sogar prinzipiell für möglich, mit seinem Nanostethoskop akute Veränderungen von Zellen etwa nach einem Virusbefall oder bei der Wandlung zu einer Krebszelle über die extrem genaue Kraftmessung nachweisen zu können.
Jan Oliver Löfken
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