Bislang genauester Vergleich zwischen Protonen und Antiprotonen
Daten ermöglichen außerdem einen strengen Test des schwachen Äquivalenzprinzips.
Die BASE-Kollaboration am CERN hat den bislang genauesten Vergleich zwischen Protonen und Antiprotonen durchgeführt: Die Verhältnisse von Ladung zu Masse von Antiprotonen und Protonen sind auf elf Stellen identisch. Diese neue Messung verbessert die Genauigkeit des bisher besten Werts um mehr als einen Faktor vier. Der über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren gesammelte Datensatz ermöglicht außerdem einen strengen Test des schwachen Äquivalenzprinzips, das besagt, dass sich Materie und Antimaterie unter Schwerkraft gleich verhalten.
Wir verdanken unsere Existenz einer gebrochenen Symmetrie in der besten fundamentalen Theorie, die es gibt, dem Standardmodell der Teilchenphysik. Einer der Eckpfeiler des Standardmodells ist die Invarianz bei Umkehr von Ladung, Parität und Zeit. Auf die Gleichungen des Standardmodells angewandt, verwandelt die CPT-Transformation Materie in Antimaterie. Als Folge der CPT-Symmetrie haben Paare von Materie und Antimaterie die gleichen Massen, Ladungen und magnetischen Momente, die beiden letzteren mit entgegengesetztem Vorzeichen.
Eine weitere Folge von CPT: Trifft ein Teilchen auf sein Antiteilchen, vernichten sie sich zu reiner Energie, was in zahlreichen Laborexperimenten bestätigt wurde. In diesem Sinne ist die Existenz unseres Universums keineswegs selbstverständlich. Wir haben Grund zu der Annahme, dass beim Urknall Materie und Antimaterie in gleichen Mengen entstanden sind. Warum nur die Materie übrig blieb, aus der unser Sonnensystem und die Himmelskörper im Universum bestehen, ist noch ungeklärt.
Ein weiteres heißes Thema in der modernen Physik ist die Frage, ob sich Materie und Antimaterie unter Schwerkraft gleich verhalten. Die BASE-Wissenschaftler haben die Ladung-zu-Masse-Verhältnisse von Antiprotonen und Protonen sowie – während des Umlaufs der Erde um die Sonne – die Ähnlichkeit von Uhren aus Antimaterie und Materie verglichen. Sie sind also beiden Fragen gleichzeitig mit einer Messung nachgegangen.
Für seine hochpräzisen Untersuchungen verwendete das Team eine Penning-Falle, also einen elektromagnetischen Behälter, der ein einzelnes geladenes Teilchen speichern und nachweisen kann. Ein Teilchen in einer solchen Falle schwingt mit einer charakteristischen Frequenz, die durch seine Masse definiert ist. Ein Abhören der Schwingungsfrequenzen von Antiprotonen und Protonen in derselben Falle ermöglicht es, deren Massen zu vergleichen.
„Durch Beladen eines zylindrischen Stapels mehrerer solcher Penning-Fallen mit Antiprotonen und negativen Wasserstoffionen konnten wir einen Massenvergleich innerhalb von nur vier Minuten durchführen, fünfzig Mal schneller als bei früheren Proton/Antiproton-Vergleichen anderer Gruppen“, erläutert Stefan Ulmer, der Sprecher der BASE-Kollaboration. „Seit unseren früheren Messungen haben wir außerdem den Versuchsaufbau technisch erheblich verbessert. Das erhöht die Stabilität des Experiments und verringert systematische Verschiebungen in den Messwerten.“
Mit diesem optimierten Instrument hat das BASE-Team im Verlauf von eineinhalb Jahren einen Datensatz von etwa 24.000 einzelnen Frequenzvergleichen erfasst. Durch Kombination aller Messergebnisse fanden die Forscher, dass das Ladung-zu-Masse-Verhältnis von Antiprotonen und Protonen identisch ist, und zwar mit einer Genauigkeit von 16 Teilen in einer Billion. Das verbessert die Genauigkeit der bisher besten Messung – ebenfalls von BASE – um mehr als einen Faktor vier: ein erheblicher Fortschritt in der Präzisionsphysik.
Ein Teilchen, das in einer Penning-Falle schwingt, kann man als „Uhr“ betrachten, ein Antiteilchen als „Anti-Uhr“. Bei starker Gravitation gehen die Uhren langsamer. Während der Langzeitmessung von eineinhalb Jahren war die Erde auf ihrer elliptischen Bahn unterschiedlich starker Anziehungskraft der Sonne ausgesetzt. Falls Antimaterie und Materie verschieden auf Schwerkraft reagierten, würden die Materie- und Antimaterie-Uhren entlang der Flugbahn der Erde unterschiedliche Frequenzverschiebungen erfahren. Die BASE-Wissenschaftler konnten bei der Analyse ihrer Daten aber keine derartige Frequenzanomalie feststellen. So konnten sie erstmals direkte und weitgehend modellunabhängige Grenzen für ein anomales Verhalten von Antimaterie unter Schwerkraft setzen – oder anders ausgedrückt: im Rahmen der Messgenauigkeit die Gültigkeit des schwachen Äquivalenzprinzips für Uhren bestätigen.
Um mit noch höherer Präzision messen zu können, müssen die Antiprotonen aus der Beschleunigerumgebung der Antimaterie-Fabrik des CERN in ein ruhiges Labor gebracht werden. Dazu konstruiert das BASE-Team derzeit die transportable Antiprotonenfalle BASE-STEP. Zunächst ist geplant, die Antiprotonen in ein anderes Labor am CERN zu verlagern. Wenn das geklappt hat, könnten die Antiprotonen an verschiedene Fallenlabors verteilt werden. Die verbesserten Messbedingungen werden die Genauigkeit weiter steigern und hoffentlich zu unserem Verständnis des Ungleichgewichts zwischen Materie und Antimaterie beitragen.
MPIK / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. J. Borchert et al.: Comparison of the Antiproton-to-Proton q/m Ratios at16 Parts per Trillion Precision, Nature 601, 53 (2022); DOI: 10.1038/s41586-021-04203-w - BASE – Baryon Antibaryon Symmetry Experiment, CERN – Europäische Organisation für Kernforschung, Meyrin, Schweiz
Weitere Beiträge
- K. Blaum, S. Sturm und S. Ulmer, In die Falle gegangen, Physik Journal, Januar 2017, S. 31 (PDF)
- W. Quint, Präzision am Antiproton, Physik Journal, Juni 2013, S. 17 (PDF)