29.09.2014

Bismut-Ionen als Testfeld für QED

Eigenschaften von Elektronen in starken Magnetfeldern mit Laserspektroskopie vermessen.

Die Quantenelektrodynamik (QED) entwickelte sich aus der relativistischen Quantenmechanik, um darin auftretende Abweichungen von experimentellen Beobachtungen zu erklären. Sie war die erste relativistische Quantenfeldtheorie und damit der Prototyp für die Theorie, die heute als Standardmodell der Teilchenphysik bekannt ist. Die QED ist die erfolgreichste physikalische Theorie was die Genauigkeit ihrer Vorhersagen betrifft. Diese wurden in speziellen Fällen experimentell bis auf 12 Nachkommastellen überprüft. Die Rechenmethoden sind allerdings nicht in allen Fällen anwendbar. Wenn es um das Verhalten von Elektronen in extrem starken elektrischen und magnetischen Feldern geht, stößt sie auf prinzipielle Schwierigkeiten. Daher wurden in den letzten Jahrzehnten neue Berechnungsmethoden entwickelt, mit denen sich diese Probleme ausgeräumen ließen. Die Ergebnisse dieser Rechnungen sind aber bislang nur mit sehr viel geringerer Genauigkeit getestet.

Abb.: Einer der großen Magneten am Experimentierspeicherring ESR. (Bild: A. Zschau, GSI)

Forscher aus der Arbeitsgruppe um Wilfried Nörtershäuser vom Institut für Kernphysik der TU Darmstadt berichten nun von einem Durchbruch auf dem Weg zu einem Test der QED unter extremen Bedingungen. Dazu führten sie ein Präzisionsexperiment mittels Laserspektroskopie am Schwerionen-Speicherring ESR des GSI in Darmstadt durch. Mit dem Experiment überprüften sie die QED in den stärksten magnetischen Feldern, die im Labor zur Verfügung stehen. Diese Felder treten an der Oberfläche von schweren Atomkernen auf. Sie entsprechen etwa dem 100-Millionen-fachen der stärksten statischen Magnetfelder, die man mit supraleitenden Magneten heute herstellen kann.

Bei Experimenten mit schweren hochgeladenen Ionen werden diese Felder zugänglich. Die Forscher verwendeten Bismutionen (Z=83), die nur noch ein Elektron (Bi82+, wasserstoffähnlich) oder drei Elektronen (Bi80+, lithiumähnlich) besitzen. Diese Elektronen sind sehr nahe am Kern gebunden und bewegen sich somit in dessen starkem Magnetfeld. Sie erzeugten diese Ionen, indem sie niedrig geladene Bismutionen auf eine Geschwindigkeit von etwa 71% der Lichtgeschwindigkeit beschleunigten und dann durch eine dünne Metallfolie schossen. Beim Durchgang verloren die Ionen nahezu alle Elektronen und wurden dann in den Speicherring ESR eingespeist. Dort standen sie für viele Minuten für Experimente zur Verfügung, während sie pro Sekunde rund 200,000 Kilometer zurücklegten. Sie kreisten dabei im Inneren des 108 Meter langen Rings etwa 2.000.000 mal pro Sekunde.

Sie strahlten dann Laserlicht ein, das den Spin der verbliebenen Elektronen umklappen ließ und sie so in den energetisch ungünstigeren Zustand ihrer Hyperfeinniveaus beförderte. Um wieder in den energetisch günstigeren Zustand zurück zu kehren, emittierten die Elektronen Photonen, die die Forscher nachweisen konnten.

Der Hyperfeinübergang in wasserstoffähnlichem Bismut Bi82+ wurde bereits 1994 an der GSI erstmals beobachtet. Als Test der QED ist der Übergang alleine aber nicht tauglich, da die genaue magnetische Struktur des Atomkerns nicht bekannt ist. Daher untersuchten die Forscher auch noch den entsprechenden Übergang in lithiumähnlichen Bi80+, das zwei zusätzliche Elektronen besitzt. Bildet man eine spezielle Differenz dieser beiden Werte, so lässt sich die magnetische Struktur des Kerns eliminieren. Damit gelang eine sehr genaue theoretische Vorhersage für den Übergang im Bi80+. Seit 1997 hat man an der GSI in mehreren Experimenten nach diesem Übergang gesucht, ist aber niemals fündig geworden. Dementsprechend stellten sich schon Zweifel an der zugrundeliegenden Theorie ein.

Der Nachweis der Photonen war einer der kritischsten Punkte. Es dauert bei diesem Übergang ungefähr 100 Millisekunden, bevor das Photon emittiert wird. Daher wird die ohnehin geringe Zahl an Fluoreszenzphotonen über den gesamten Umfang des Rings verteilt. Die Forscher bauten deshalb an einer bestimmten Position innerhalb des Rings ein besonders effizientes Nachweissystem ein.

Mit diesem Detektor, einem neuen Lasersystem und einer ausgeklügelten Datenaufnahme gelang es ihnen erstmals den lang gesuchten Übergang zu beobachten. Damit konnten die Forscher die Zweifel an der theoretischen Vorhersage ausräumen und die aufwändigen quantenmechanischen Berechnungen, die zur Ermittlung der spezifischen Differenz notwendig waren, bestätigen. Die Bestimmung der Übergangsfrequenz war allerdings noch nicht ausreichend genau, um bereits im ersten Experiment die kleinen Beiträge der QED zu testen, weil die Geschwindigkeit der Ionen nicht exakt genug bestimmt werden konnte, um den auftretenden Dopplereffekt präzise herauszurechnen. Inzwischen haben die Forscher nachgearbeitet und den Aufbau des Experimentes in dieser Hinsicht noch einmal verbessert. Damit wollen sie die Genauigkeit soweit steigern, dass ein erster signifikanter Test der QED in diesen starken Feldern möglich wird.

TU Darmstadt / PH

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