22.03.2019

Blasenfrei gezapft

Phasentrennung unter Weltraumbedingungen strömungsmechanisch untersucht.

Auf der Erde können wir uns darauf verlassen, dass die Erdanziehungskraft alles im Griff hat: Leichteres Gas von einer schwereren Flüssigkeit zu trennen, gelingt durch den hydrostatischen Druck wie von allein und das ganz verlässlich. Das Gas treibt nach oben auf, die Flüssigkeit sammelt sich automatisch unten an. Ein Vorgang, den man alltäglich in einem gefüllten Benzintank eines Autos beobachten kann, wo der Treibstoff blasenfrei zum Motor geleitet wird.

 

Abb.: Die ZARM-Crew während des Parabelflugs (Bild: Novespace / N. Courtioux)
Abb.: Die ZARM-Crew während des Parabelflugs (Bild: Novespace / N. Courtioux)

Diese physikalische Gesetzmäßigkeit gerät in der Schwerelosigkeit des Weltraums ins Wanken. Der hydrostatische Druck bleibt wirkungslos. Dennoch ist es für Satelliten, Raumsonden oder bemannte Explorationsmissionen unerlässlich, eine Phasentrennung von Gas und Flüssigkeit an Bord von Weltraumfahrzeugen sicherzustellen: Treibwerke müssen gas- und blasenfrei mit Treibstoff versorgt werden, Lebenserhaltungssysteme müssen eine Gasphase von einer Flüssigkeitsphase trennen, Systeme zur Regulierung des Wärmehaushaltes müssen eine Dampfphase von einer Flüssigkeitsphase scheiden und selbst Anlagen, die eines Tages auf Mond oder Mars zur Herstellung oder Umwandlung von (Roh-)Stoffen betrieben werden, müssen so konzipiert sein, dass sie eine Phasentrennung gewährleisten.

Wissenschaftler des Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremenhaben nun eine Apparatur entwickelt, die die Phasentrennung unter Weltraumbedingungen möglich macht und bisheriges Grundlagenwissen zur Handhabung von Flüssigkeiten im All erweitert. Die Testflüssigkeit wurde so ausgewählt, dass sie den Eigenschaften von Raketentreibstoffen ähnelt und zugleich für den Menschen völlig ungefährlich ist und bei einem Parabelflug verwendet werden darf.

Der Testaufbau bestand aus einem rechteckigen, etwa fünf Millimeter breiten Kanal als Flüssigkeitsleitung, der entlang einer zehn Zentimeter langen Messstrecke an einer Seite offen zur Umgebungsluft ist. Abgedeckt ist die offene Messstrecke alleinig durch ein sehr feinmaschiges Metallsieb mit nur 14 Mikrometer großen Poren, das abstrahiert als poröses Medium beschrieben werden kann. Oben auf dem Sieb sitzt an einer Stelle ein zehn Zentimeter langes und fünf Millimeter breites Messröhrchen auf, das ebenfalls mit Flüssigkeit gefüllt ist. Im Versuch unter Schwerelosigkeit ist zu beobachten, wie die Flüssigkeit aus dem Messrohr durch das Metallsieb in den Strömungskanal gesogen wird, ohne dass über die gesamte offene Messtrecke hinweg Umgebungsluft als Bläschen mit in die Flüssigkeitsphase eindringt.

Hier wirken die Kapillarkraft mit dem Blasendurchbruchsdruck und den Eigenschaften des porösen Mediums zusammen: Die Kapillarkraft sorgt zunächst dafür, dass die Flüssigkeit in die feinen Poren des gesamten Metallsiebs kriecht und es mit Flüssigkeit sättigt.

Das Metallsieb fungiert dann wie eine Membran, die Flüssigkeit hindurchtreten lässt, aber gegen Gas sperrt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Blasendurchbruchsdruck (bubble point) nicht überschritten wird, also jener Punkt, an dem die Umgebungsluft durch das Metallsieb in den Strömungskanal gesogen wird und sich Bläschen im Flüssigkeitsstrom bilden. Der Blasendurchbruchsdruck steht dabei in einer direkten Abhängigkeit zur Größe der Poren des Siebes – je kleiner die Poren, desto größer kann der Druck sein, bis Gas in den Flüssigkeitsstrom eindringt.

Die von ZARM-Wissenschaftlern entwickelte Apparatur wurde während der 33. Parabelflugkampagne des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) vom 12. bis 14. März 2019 erfolgreich getestet und bewies ihre volle Funktionsfähigkeit zur Flüssigkeits-Gastrennung. An drei aufeinanderfolgenden Flugtagen wurden mit dem Airbus 310 ZERO G vom französischen Bordeaux aus über dem Gebiet des Atlantiks mehr als neunzig Einzelparabeln geflogen, die den Wissenschaftlern jeweils 22 Sekunden Schwerelosigkeit ermöglichten. Dieser Untersuchungsansatz ist der anwendungsbezogenen Grundlagenforschung gewidmet und dient dazu, eine gute Mess- und Beobachtbarkeit strömungsmechanischer Vorgänge zu erreichen.

ZARM / DE

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