Blick auf brechende Bindungen
Mit einer neuen Variante der Kurzzeitspektroskopie verfolgen Physiker die Dissoziation eines Brom-Moleküls.
Mit einer neuen Variante der Kurzzeitspektroskopie verfolgen Physiker die Dissoziation eines Brom-Moleküls
Der Ablauf chemischer Reaktionen kann heute mit Femtosekunden-Pulsen Schritt für Schritt beobachtet werden. Dabei regen Pump-Pulse die Bindungselektronen in einem Molekül an und mit darauf folgenden Probe-Pulse lassen sich diese angeregten Zustände analysieren. Kanadische Physiker entwickelten nun eine alternative Messmethode, die eine zeitlich extrem hoch aufgelösten Einblick in Dynamik der Reaktion und die elektronischen Strukturen erlaubt.
Abb.: Hoch-Harmonische Interferometrie einer chemischen Reaktion: Ein schwacher Femstosekunden-Puls bringt ein Molekül vom Grundzustand (unten) in den angeregten Zustand, über den es dissoziiert. (Bild: Nature)
"Es ist aufregend, die Quanteninformation beim Übergang vom Molekül zum individuellen Atom zu sehen", sagt David Villeneuve vom Joint Laboratory for Attosecond Science an der University of Ottawa. Im Unterschied zu bisher möglichen Pump-Probe-Experimenten nutzte die Arbeitsgruppe eine quantenphysikalische Besonderheit aus. Denn nach dem primären UV-Puls lag das Brommolekül gleichzeitig in zwei Zuständen – Grundzustand und angeregter Zustand – vor.
Für ihr Experiment, mit dem die Forscher eine Zeitauflösung von einer halben Attosekunde erreichten, wählten sie den lichtinduzierten Zerfall eines zweiatomigen Brommoleküls. Dazu zerstäubten sie in einer Vakuumkammer Brommoleküle in einem Heliumgasstrahl. Mit einem ersten ultravioletten Laserpuls (400 nm, 40 Femtosekunden) regten sie ein Molekül an, das darauf in zwei Atome dissoziierte.
Um genau diesen Prozess zu beobachten, lenkten sie während der Zerfalls des Brommoleküls wenige Femtosekunden nach der primären Anregung einen zweiten infraroten Laserpuls (800 nm, 30 Femstosekunden) auf das noch bestehende Molekül. Das Molekül reagierte darauf mit der Aussendung von Licht im extremen ultravioletten Teil des Spektrums (XUV), das sich mit einem XUV-Spektrometer nachweisen ließ. Die Analyse von Phase und Amplitude dieser hoch-harmonischen Pulse von nur wenigen Attosekunden Länge erlaubte Rückschlüsse auf die Position eines Bromatoms und seine elektronische Struktur im Moment der Dissoziation.
"Dieses Experiment ist ein weiterer wichtiger Schritt zum Traum, chemische Reaktionen komplett filmen zu können", sagt Co-Autor Paul Corkum. Mit dieser Methode können die Dynamik chemischer Prozesse und die elektronischen Strukturänderungen bis auf Bruchteile von Attosekunden genau verfolgt werden. Die Forscher versprechen sich damit genauere Einblicke in photochemische Reaktionen, die beispielsweise in Solarzellen, bei der Photosynthese in Pflanzen oder in der Atmosphäre auftreten. Zudem erwarten sie ein besseren Verständnis von biochemischen Prozessen, um daraus neue Synthese-Reaktionen entwickeln zu können.
Jan Oliver Löfken
Weitere Infos
Weiterführende Literatur:
- Neutze, R. et al.: J. Potential for biomolecular imaging with femtosecond X-ray pulses. Nature 406, 752–757 (2000).
dx.doi.org/10.1038/35021099
- Itatani, J. et al.: Tomographic imaging of molecular orbitals. Nature 432, 867–871 (2004).
dx.doi.org/10.1038/nature03183
- Bucksbaum, P.H.: The future of attosecond spectroscopy. Science 317, 766–769 (2007).
dx.doi.org/10.1126/science.1142135
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