Blick durchs Wasserfenster
Absorptionsspektren von organischen Molekülen in wässriger Lösung dank neuer Lasertechnik.
Die Röntgenspektroskopie bietet einen direkten Einblick in die Natur chemischer Bindungen und den Verlauf chemischer Reaktionen. Momentan gibt es intensive Anstrengungen bei der Weiterentwicklung der Röntgenquellen und der Implementierung neuer Messmethoden. Forscher am Max-Born-Institut (MBI) haben nun erfolgreich Absorptionsspektroskopie im Wasserfenster demonstriert, indem sie eine laserbasierte Strahlungsquelle von ultrakurzen Röntgenpulsen mit einer neuartigen Technologie zur Erzeugung eines Dünnschicht-Flüssigkeitsstrahls kombinierten. Damit wird erstmals die gleichzeitige Untersuchung von Kohlenstoff und Stickstoff in organischen Molekülen in wässriger Lösung möglich.
Die Röntgenabsorptionsspektroskopie (XAS), die unbesetzte Orbitale elementspezifisch untersucht, erlaubt die Bestimmung der elektronischen Struktur von Molekülen. Für die meisten organischen Moleküle ist der weiche Röntgenspektralbereich (100 bis 1000 eV) relevant, da dort K-Kantenübergänge von leichten Elementen (C, N und O) und die L-Kanten von 3D-Metallen zu finden sind. XAS wird typischerweise an Großforschungsanlagen wie Speicherringen oder Freie-Elektronen-Lasern durchgeführt. Laserbasierte Laborquellen wurden bisher nur spärlich zur Untersuchung reiner Materialien, wie z.B. Metalle und organische Schichten, eingesetzt. Bisher waren keine Untersuchungen der Kohlenstoff- oder Stickstoff-K-Kanten von organischen Molekülen in verdünnter wässriger Lösung verfügbar.
Das Forschungsteam am MBI hat nun eine intensive Strahlungsquelle für weiche Femtosekunden-Röntgenpulse entwickelt, die in einem extrem nichtlinearen Prozess (HHG) die Frequenz eines Laserpulses vervielfacht. Dabei werden aus langwelligen (1,8 µm) Treiberpulsen mit Photonenergien von 0,69 eV, die mit einem verstärkten Titan-Saphir-Lasersystem erzeugt wurden, Frequenzen erzeugt, die über 600 mal höher liegen und sich bis zu 450 eV erstrecken. Die Forscher haben diese Quelle mit dem Dünnschicht-Flüssigkeitsstrahl kombiniert, der auch unter Vakuumbedingungen voll funktionsfähig ist. Stationäre Absorptionsspektren von organischen Molekülen und anorganischen Salzen in einer rund ein Mikrometer dünnen Schicht wässriger Lösung können nun im gesamten Wasserfensterbereich, d.h. zwischen 200 und 540 eV, gemessen werden. Insbesondere ermöglicht diese Technik die gleichzeitige lokale Untersuchung an Kohlenstoff- und Stickstoffatomen innerhalb der Moleküle. Damit demonstriert das Forschungsteam, dass eine gleichzeitige Beobachtung mehrerer Positionen innerhalb molekularer Systeme möglich ist und ein Zugang zu korrelierten Dynamiken während molekularer Rekonfigurationen eröffnet wird.
Die Ergebnisse stellen einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur systematischen Untersuchung ultraschneller Dynamik molekularer Systeme in Lösung mit der Femtosekunden-Weichen-Röntgenspektroskopie dar. Neue Erkenntnisse über ultraschnelle Ladungstransportprozesse und photoinduzierte Umordnungen in Chemie und Biologie rücken in greifbare Nähe.
FVB / DE
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
C. Kleine et al.: Soft X-ray Absorption Spectroscopy of Aqueous Solutions Using a Table-Top Femtosecond Soft X-ray Source, J. Phys. Chem. Lett, online 14. Dezember 2018; DOI: 10.1021/acs.jpclett.8b03420 - Time-resolved XUV-science (A. Rouzée), Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie, Berlin