Blick in die vierte Dimension
Topologische Pumpe macht vierdimensionalen Quanten-Hall-Effekt sichtbar.
Unter der vierten Dimension versteht man für gewöhnlich die Zeit, seit Albert Einstein 1905 in Zürich die spezielle Relativitätstheorie entwickelte. Wie aber kann man sich eine vierte räumliche Dimension vorstellen? Einen Einblick in die vierte Raumdimension haben nun zwei Teams von Wissenschaftlern aus der Schweiz, USA, Deutschland, Italien und Israel gewonnen. Der Forscher Oded Zilberberg von der ETH Zürich schuf die theoretischen Grundlagen für die Experimente, in denen ein vierdimensionales physikalisches Phänomen in zwei Dimensionen beobachtet werden konnte.
Abb.: Ein physikalisches Phänomen in vier Raumdimensionen wurde experimentell realisiert: mit Licht in Wellenleitern (geschlängelte Röhren) und mit kalten Atomen (orange Kugeln) in optischen Gittern. (Bild: Gruppe Zilberberg, ETH Zürich)
In beiden Experimenten ging es um den Quanten-Hall-Effekt. Üblicherweise tritt dieser Effekt in Grenzflächen zwischen zwei Materialien auf, in denen Elektronen sich nur in zwei Dimensionen bewegen können. Ein senkrecht zum Material stehendes Magnetfeld führt dann zum klassischen Hall-
Bei sehr niedrigen Temperaturen und sehr starken Magnetfeldern kommt allerdings die Quantenmechanik zum Tragen, so dass die Spannung nicht mehr kontinuierlich, sondern in diskreten Stufen ansteigt. Dieser Quanten-
Vor etwa zwanzig Jahren wurde mathematisch gezeigt, dass es entsprechende topologische Effekte auch in vier räumlichen Dimensionen geben sollte. So etwas in Experimenten tatsächlich zu beobachten, schien jedoch unmöglich – der physikalische Raum hat nun einmal nur drei Dimensionen. Doch Zilberberg hatte eine clevere Idee: Mit Hilfe von topologischen Pumpen sollte es möglich sein, den beiden realen Dimensionen des Quanten-
Dass dies auch in der Praxis funktioniert, haben Wissenschaftler nun in zwei unabhängigen Experimenten gezeigt. Physiker um Mikael Rechtsman an der Penn State University in den USA verwirklichten Zilberbergs Idee gemeinsam mit der Forschungsgruppe von Kevin Chen an der University of Pittsburgh, indem sie mit Laserstrahlen ein zweidimensionales Gitter aus Wellenleitern in einen fünfzehn Zentimeter langen Glasblock brannten. Diese Wellenleiter waren allerdings nicht geradlinig, sondern wanden sich schlangenförmig durch das Glas, so dass die Abstände zwischen ihnen sich entlang des Glasblocks änderten. Lichtwellen, die sich durch die Wellenleiter bewegten, konnten so je nach Abstand mehr oder weniger leicht in einen benachbarten Wellenleiter überspringen.
Diese sich stetig verändernden Kopplungen zwischen den Wellenleitern wirkten als topologische Pumpen und verdoppelten so die Anzahl der Dimensionen des Experiments von zwei auf vier. Den erwarteten vierdimensionalen Quanten-
Mit Hilfe von extrem kalten Atomen, die in optischen Gittern aus gekreuzten Laserstrahlen gefangen sind, realisierten Immanuel Bloch und seine Mitarbeiter am MPI für Quantenoptik in München ebenfalls topologische Pumpen. In ihrem Experiment wurde das Pumpen dadurch erreicht, dass die Eigenschaften der gespaltenen Gittertöpfe, in denen die Atome eingefangen waren, periodisch verändert wurden. Durch Messungen der zweidimensionalen Bewegung der Atome in dem Gitter konnten sie bestätigen, dass sich diese gemäß dem Quanten-
Der praktische Nutzen des Ganzen? „Im Moment sind diese Experimente noch meilenweit von nützlichen Anwendungen entfernt“, gibt Zilberberg zu. Doch für die Grundlagenforschung stellen sie einen wichtigen Fortschritt dar. Physiker können jetzt nicht nur auf dem Papier, sondern auch experimentell untersuchen, welche Auswirkungen Phänomene aus vier Dimensionen in unserer alltäglichen dreidimensionalen Welt haben können. Ein Beispiel dafür sind Quasikristalle in Metalllegierungen. In drei Raumdimensionen haben diese zwar keine periodische Struktur, doch sieht man sie sich in virtuellen höheren Dimensionen an, so weisen sie wieder regelmäßige Muster auf. Und schließlich ist da noch die Stringtheorie, gemäß der höhere Raumdimensionen derart kompaktifiziert sein sollen, dass am Ende unsere normale dreidimensionale Welt entsteht.
ETH / RK