09.11.2016

Blick in die Zeptosekunden-Welt

Erste absolute Bestimmung des Zeitpunktes einer Photo­ioni­sation.

Wenn Licht auf Elektronen in Atomen trifft, ändert sich deren Zustand in unvor­stell­bar kurzen Zeit­räumen. Ein solches Phäno­men, nämlich das der Photo­ioni­sation, bei dem ein Elek­tron ein Helium­atom nach Licht­anre­gung ver­lässt, haben Forscher des MPI für Quanten­optik, der TU München und der Uni München erst­mals mit Zepto­sekunden-Genauig­keit gemessen. Eine Zepto­sekunde ist ein Billion­stel einer Milliard­stel Sekunde. Das ist die höchste Genauig­keit der Zeit­bestim­mung eines Ereig­nisses im Mikro­kosmos, die jemals erreicht wurde – und zudem die erste abso­lute Bestim­mung des Zeit­punktes der Photo­ioni­sation.

Abb.: Aufenthaltswahrscheinlichkeiten des ver­blei­ben­den Elek­trons nach Photo­emis­sion eines Elek­trons aus einem Helium­atom. (Bild: M. Ossiander, TU München / M. Schultze, MPQ)

Von dem Zeitpunkt an, an dem das Photon mit den Elektronen wechsel­wirkt, bis zu dem Zeit­punkt an dem ein Elek­tron das Atom ver­lässt, dauert es zwischen fünf und fünf­zehn Atto­sekunden. Das fanden die Physiker bereits vor einigen Jahren heraus. Mit ihrer nun verbes­serten Mess­methode können die Forscher das Geschehen bis auf 850 Zepto­sekunden genau messen. Die Wissen­schaftler schickten zur Anre­gung der Elek­tronen einen Atto­sekunden langen extrem ultra­violetten Lich­blitz auf ein Helium­atom. Gleich­zeitig ließen sie einen zweiten infra­roten Laser­puls auf­treffen, der rund vier Femto­sekunden dauerte. Sobald das Elek­tron durch die Anre­gung des XUV-Blitzes das Atom ver­lassen hatte, wurde es vom infra­roten Laser­puls erfasst.

Je nachdem wie das elektromagnetische Feld dieses Pulses zum Zeit­punkt der Erfas­sung be­schaffen war, wurde das Elek­tron beschleu­nigt oder abge­bremst. Über diese Geschwin­dig­keits­ver­än­derung konnten die Forscher mit Zepto­sekunden-Genauig­keit die Photo­emis­sion er­fassen. Erst­mals be­stimmten die Forscher auch, wie die Energie des ein­fal­lenden Photons sich auf die beiden Elek­tronen des Helium­atoms in wenigen Atto­sekunden vor der Emis­sion eines Teil­chens quanten­mecha­nisch ver­teilt hatte.

„Mit der Messung elektronischer Korrelation wurde hier ein Ver­sprechen der Atto­sekunden­physik ein­ge­löst, näm­lich die zeit­liche Auf­lösung eines Pro­zesses, die mit anderen Metho­den uner­reich­bar ist“, sagt Rein­hard Kien­berger von der TU München. Die Physiker konnten darüber hinaus die Prä­zi­sion ihrer Experi­mente mit den theore­tischen Vorher­sagen ihrer Kollegen von der TU Wien korre­lieren. Mit seinen zwei Elek­tronen ist Helium das einzige Mehr­elek­tronen­system, das sich voll­ständig quanten­mecha­nisch be­rechnen lässt. Damit bietet es sich gerade­zu an, Theorie und Experi­ment unter einen Hut zu bringen.

„Wir können jetzt in dem verschränkten System aus Elek­tron und ioni­sier­tem Helium-Mutter­atom aus unseren Mes­sungen die kom­plette wellen­mecha­nische Beschrei­bung des Systems ab­leiten“, sagt Martin Schultze vom MPI für Quanten­optik. Mit ihren Metro­logie-Experi­menten in Zepto­sekunden-Zeit­dimen­sionen haben die Forscher damit ein weiteres wich­tiges Puzzle­stück in der Quanten­mecha­nik des Helium­atoms an die richtige Stelle manöv­riert und die Mess­genauig­keit im Mikro­kosmos erst­mal in ganz neue Dimen­sionen voran­ge­trieben.

TUM / RK

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