Blick in organische Halbleiter
Überraschender Befund: Misch-Kristallite übernehmen Rolle der Dotier-Moleküle.
Bislang ist wenig darüber bekannt, wie sich Dotier-Moleküle strukturell in organische Halbleiter integrieren. Ein Team der Humboldt-Universität zu Berlin und des Helmholtz-Zentrums Berlin hat nun mit BESSY II einen Blick in das Innere von organischen Halbleitern geworfen – mit überraschenden Ergebnissen: Die Moleküle verteilen sich nicht gleichmäßig im Wirtsgitter, sondern bilden Ko-Kristallite mit dem Wirtsmaterial. Der dotierte organische Halbleiter besteht damit aus einer Matrix von Original-Kristalliten, in die Misch-Kristallite eingebettet sind. Diese Misch-Kristallite übernehmen die Rolle der Dotier-Moleküle.
Abb.: Die Röntgenstreuung zeigt links bei reinem 4T (oben) und P3HT (unten) die typischen Reflexe des Wirtsgitters. Bei den stark dotierten Materialien tauchen grundlegend andere Reflexe auf, die das Vorhandensein von Ko-Kristallite belegen. (Bild: HZB)
Die moderne Halbleitertechnologie basiert auf Silizium, einem anorganischen Halbleitermaterial, das für den Einsatz in elektronischen Bauelementen mit Fremdatomen dotiert wird. Doch auch organische Festkörper aus konjugierten Molekülen oder Polymeren besitzen halbleitende Eigenschaften, die Anwendungen in der organischen Elektronik ermöglichen. So lassen sich zum Beispiel Oligothiophen (4T) und Polythiophen (P3HT), zwei typische organische Halbleiter, mit einer zweiten Molekülsorte, einem starken Elektronenakzeptor (F4TCNQ), dotieren und dadurch gezielt hinsichtlich ihrer Leitfähigkeit beeinflussen. Wie sich allerdings diese Gastmoleküle in das Wirtsgitter der organischen Halbleiter strukturell integrieren, war bislang kaum bekannt. Daher wurde, in Analogie zu anorganischen Halbleitern, bisher stets eine homogene Verteilung vorausgesetzt.
Das internationales Team konnte nun zeigen, dass dies weder für Oligothiophen noch Polythiophen der Fall ist. Die Gruppe um Ingo Salzmann und Norbert Koch hatte zuvor bereits an anderen Systemen experimentell und theoretisch analysiert, wie sich die Dotierung von organischen Halbleitern auf deren elektronische Struktur und damit deren Leitfähigkeit auswirkt. Daraus ergaben sich Hinweise auf Besonderheiten dieser Materialklasse, bei denen die Hybridisierung der Molekülorbitale eine Schlüsselrolle spielt. Deshalb stellten sie nun eine Serie von verschieden stark dotierten organischen Dünnschichten her und untersuchten diese Proben mit Röntgenbeugung an der KMC-2-Beamline. Dadurch konnten sie die kristalline Struktur in Abhängigkeit von der Stärke der Dotierung präzise bestimmen.
Ihre Ergebnisse zeigten sowohl für 4T als auch für P3HT, dass sich die Gastmoleküle keineswegs gleichmäßig in das Wirtsgitter des organischen Halbleiters einbauen. In der reinen kristallinen Wirtsmatrix bildet sich stattdessen eine zweite kristalline Phase aus Wirt/Gast-Ko-Kristalliten. Diese Ko-Kristalle übernehmen nun anstelle des eigentlichen Dotiermoleküls die Rolle des Dotanden. „Es ist wichtig, die grundlegenden Prozesse bei der Dotierung organischer Halbleiter genauer zu verstehen“, erklärt Salzmann. „Wenn wir solche Materialien erfolgreich in Anwendungen einsetzen möchten, müssen wir ihre elektronischen Eigenschaften genauso präzise kontrollieren können, wie es bei anorganischen Halbleitern heute selbstverständlich ist.“
HZB / RK