09.07.2018

Blick in Planetenkrippe

Very Large Telescope nimmt jungen Exoplaneten im Geburtsstadium auf.

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astronomie (MPIA) in Heidelberg und des Konsortiums des Sphere-Instruments am Very Large Telescope der Europäischen Südstern­warte (ESO) in Chile haben einen extrem jungen Exoplaneten im Stadium seiner Entstehung entdeckt und charakterisiert. Der Gasriese mit der Bezeichnung PDS 70 b wurde in einer Lücke der proto­planetaren Scheibe des Sterns PDS 70 nach­gewiesen. Damit befindet sich PDS 70 b noch in der Umgebung seiner Entstehung und dürfte nach wie vor neue Materie auf sich ziehen. Der Planet bietet damit die einzig­artige Gelegenheit, Entstehungs­modelle von Planeten zu testen und etwas über die frühe Geschichte des Sonnensystems zu lernen.

Abb.: Nah-Infrarot-Aufnahme der PDS70-Scheibe aufgenommen mit dem SPHERE-Instrument. Der junge Exoplanet ist als helles Signal am inneren Rand der Lücke (dunkler Bereich) zu erkennen. (Bild: ESO / A. Müller, MPIA)

Die Suche nach Exoplaneten hat bislang etwa 3800 Exemplare mit unter­schiedlichsten Größen, Massen sowie Abständen von ihren Mutter­sternen zutage gefördert. Wie sie entstehen, weiß man aber nicht genau. Zwar verfügen die Forscher über Theorien und Modelle möglicher Entstehungs­szenarien. Jedoch war es bislang kaum möglich, Planeten im Zustand ihrer Entstehung nachzuweisen, den Entstehungs­prozess direkt zu untersuchen und seine Eigenschaften mit den Berechnungen der Modelle zu vergleichen.

Genau das ist Astronomen nun gelungen. Der Planet PDS 70 b wurde in einer Entfernung von 22 Astronomischen Einheiten (AE) von seinem Zentral­gestirn PDS 70 entdeckt. Er ist damit 22 Mal soweit von der Sonne entfernt wie die Erde. „Wir haben uns für unsere Untersuchung mit PDS 70 einen Stern ausgesucht, bei dem man bereits vermutete, dass dort ein junger Planet seine Kreise ziehen könnte“, erzählt Miriam Keppler, Doktorandin am MPIA.

PDS 70, ein 5,4 Millionen Jahre junger so genannter T-Tauri-Stern, ist von einer proto­planetaren Scheibe aus Gas und Staub umgeben, die 130 AE breit ist. Zum Vergleich: Der äußere Rand des Sonnen­systems, der Kuipergürtel, reicht nur bis etwa 50 AE. Solche Scheiben bestehen aus Material, das nach der Entstehung des Sterns übrig blieb. Die zirkum­stellare Scheibe um PDS 70 weist eine große Lücke auf. Man vermutet, dass solch eine Lücke typischer­weise dadurch entsteht, dass ein junger Riesen­planet auf seiner Bahn um den Mutterstern Scheiben­materie aufsammelt. Durch die Wechsel­wirkung mit der Scheibe verändert er dabei langsam seinen Abstand zum Zentral­gestirn. In dieser Weise räumt er allmählich eine größere Zone in der Scheibe frei.

In einer anschließenden Untersuchung unter der Leitung von André Müller konnte die Gruppe der Astronomen ein spektakuläres Bild des PDS 70-Systems erhalten. Auf dieser Aufnahme ist der Planet am inneren Rand des Scheiben­spalts eindeutig erkennbar. Er läuft einmal innerhalb von etwa 120 Jahren um seinen Mutter­stern um. Ein Spektrum von PDS 70 b erlaubte es den Astronomen, seine atmosphärischen und physikalischen Eigenschaften zu bestimmen. „Diese Entdeckung bietet uns eine beispiel­lose Möglichkeit, theoretische Modelle der Planeten­bildung zu testen“, erklärt Müller begeistert.

Tatsächlich zeigt die Analyse, dass PDS 70 b ein riesiger Gas­planet mit mehreren Jupiter­massen und einer Temperatur von etwa 1200 Kelvin ist. Er ist damit ungleich heißer als jeder Planet in unserem Sonnen­system. PDS 70 b ist jünger als der zentrale Stern und dürfte nach wie vor wachsen. Die Daten zeigen außerdem, dass der Planet von Wolken umgeben ist, die die Strahlung des Planeten­kerns und seiner Atmosphäre modifizieren. „Aufgrund der neuen Entfernungs­daten, die der Gaia-Satellit geliefert hat, mussten wir unsere Zahlen noch einmal korrigieren. Laut Gaia ist PDS 70 rund 370 Lichtjahre von uns entfernt.“ erklärt Keppler. PDS 70 b bestätigt zudem die Vorstellung, dass sich Gas­planeten wie Jupiter in größerer Entfernung von ihrem Zentral­stern bilden sollten.

Um protoplanetare Scheiben sichtbar zu machen, wenden die Forscher raffinierte Beobachtungs- und Auswerte­verfahren an. Auf normalen Aufnahmen überstrahlt der Stern alle Objekte in seinem direkten Umfeld. Mit dem Sphere-Instrument kann das Licht, das uns direkt vom Stern erreicht, jedoch weit­gehend eliminiert werden. Dafür nutzt die Kamera die Eigenschaft der Polarisation des Lichts. Linear polarisierte Lichtwellen schwingen nur in einer Ebene. Das Licht eines Sterns ist dagegen überwiegend unpolarisiert. Trifft es jedoch auf die Scheibe, wird das Licht bei der Streuung an den Staub­teilchen linear polarisiert. Nutzt man nun einen entsprechenden Polarisations­filter, der Licht­wellen in nur einer Schwingungs­ebene durchlässt, detektiert oder blockiert man je nach Ausrichtung das Licht, das von verschiedenen Bereichen der Scheibe kommt. Fotografen nutzen einen ähnlichen Effekt, wenn sie Reflexionen von einer glatten Oberfläche ausblenden wollen.

Vom Licht des Sterns erhält man dagegen unabhängig von der Filter­konfiguration immer ein Signal. Dieser Unter­schied erlaubt es den Astronomen, das direkte Sternen­licht aus den Daten heraus­zurechnen. Unterstützt wird die Operation durch eine weitere Methode: die Astronomen decken den Stern mit einer Blende ab. Übrig bleibt ein Abbild der Scheibe.

„Nach zehn Jahren der Entwicklung neuer, leistungs­starker astronomischer Instrumente wie Sphere zeigt uns diese Entdeckung, dass wir endlich in der Lage sind, Planeten direkt bei ihrer Entstehung zu finden und zu studieren. Ein lang gehegter Traum wird wahr“, schließt Thomas Henning, Direktor am MPIA.

MPIA / DE

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