10.10.2017

Blick ins Bassetthorn

Messstandards für die 3D-Computer­tomo­graphie alter Musik­instru­mente.

Das Innere von alten Musikinstrumenten ist für Musiker, Restaura­toren und Instru­menten­bauer von großem Inte­resse. Im Projekt MUSICES durch­leuchten Forscher per 3D-Computer­tomo­graphie histo­rische Musik­instru­mente aus der Samm­lung des Germa­nischen National­museums. Dabei erstellen sie erst­mals einen Leit­faden, wie man zu opti­malen Auf­nahmen und Mess­ergeb­nissen kommt. Denn bis­lang gibt es keinen Mess­standard. Die Ergeb­nisse werden im Internet ver­öffent­licht.

Abb.: Per CT wird das Innenleben der äußer­lich un­schein­baren Büchsen­trompete sicht­bar. (Bild: Fh.-EZRT)

Der Blick ins Innere von Geige, Hammerklavier, Bassett­horn und anderen Instru­menten kann in hervor­ragender Weise Auf­schluss darüber geben, in welchem Zustand das Instru­ment sich auf­grund seines Alters und der Lage­rung befindet und ob es noch bespiel­bar ist. 3D-Röntgen­bilder liefern beispiels­weise Infor­ma­tionen über die Her­stel­lungs­weise, den Klang­körper, die ver­wen­deten Materi­alien, ver­bor­gene Repa­ra­turen, even­tu­elle Schäden wie Risse, gelöste Leimungen oder Wurm­löcher, Maserung, Holz­dichte und andere Kon­struk­tions­details. Sie ermög­lichen den Ein­blick in ver­borgene Bereiche – für Restau­ra­toren, Konser­va­toren, Musiker, Museums­päda­gogen und Instru­menten­bauer sind die Auf­nahmen von unschätz­barem Wert.

Bislang gibt es keine Messstandards, wie alte Musikinstrumente am besten per 3D-Computer­tomo­graphie unter­sucht werden sollen. Hier­für ent­wickeln die Projekt­partner nun Richt­linien, sodass Museen welt­weit Instru­mente unter­schied­lich­ster Klassen mit ver­gleich­barer Bild­qualität digi­tali­sieren können. Trivial ist das nicht: Eine große Zahl von Para­metern wie die Strahlen­dosis, Belich­tungs­zeit, Mess­abstand, Mess­dauer, Zusam­men­setzung der CT-Anlage und Algo­rithmen zur Berech­nung der 3D-Daten­sätze müssen berück­sich­tigt werden.

Der Aufwand lohnt sich. „Ein Großteil der Museums­samm­lungen lagert in Kellern, es fehlt einfach an Aus­stel­lungs­flächen. Das Germa­nische National­museum hat einen Fundus von 2500 alten Instru­menten, die in unter­irdischen Depots auf­bewahrt werden. Durch die Digi­tali­sierung mit Computer­tomo­graphie können wir die Bestände ins Internet bringen und für jeder­mann zugäng­lich machen, quasi ein virtu­elles Museum schaffen“, sagt Theobald Fuchs, der Leiter des Projekts MUSICES.

Mehr als hundert Instrumente aus vergangenen Jahrhunderten hat das Team bereits digi­tali­siert – von der Büchsen­trompete über die Mund­harmonika bis hin zum Tafel­klavier. Die unter­schied­lichen Größen­ord­nungen ver­langen Scans in ver­schie­denen Anlagen. Das Tafel­klavier etwa wurde im Linear­beschleu­niger durch­leuchtet, dem europa­weit größten Computer­tomo­graphen. Die XXL-Röntgen­umge­bung besteht aus zwei acht Meter hohen Stahl­türmen und einem drei Meter breiten Dreh­teller in einer vier­hundert Quadrat­meter großen Halle mit 14 Metern Decken­höhe. Kleinere Streich- oder Blas­instru­mente werden in gängigen Anlagen geröntgt.

Bei allen Untersuchungen befinden sich die Objekte auf einem Dreh­teller zwischen der Röntgen­quelle und dem Flach­bild­detektor, der sehr hohe Orts­auf­lösungen erreicht. Eine eigens ent­wickelte Halte­rung fixiert die Instru­mente wackel­frei. Der Röntgen­strahl durch­dringt das rotie­rende Objekt, abhängig von Material­stärke und -dichte sind unter­schied­liche Strahlen­dosen erfor­der­lich. Je nach Beschaf­fen­heit des Instru­ments dauert so ein Scan mehrere Stunden. Dabei erstellt der Computer­tomo­graph mehrere Tausend Einzel­bilder, die zusam­men­gesetzt ein drei­dimen­sio­nales Bild ergeben.

Bis Januar 2018 wollen die Forscher ihre Ergebnisse im Internet ver­öf­fent­lichen. Diese umfassen sämt­liche CT-Daten, aber auch das Mess­ver­fahren inklu­siver aller Schritte doku­men­tieren sie detail­liert und nach­voll­zieh­bar. Der Standard hält alle Details für die Computer­tomo­graphie fest. Die Richt­linien geben an, wie die ein­zelnen Instru­mente gemessen werden sollten. Darüber hinaus sollen alle tech­nischen Para­meter und Meta­daten am Ende des Projekts in einer Daten­bank ver­öffent­licht werden. „Erstrebens­wert wäre es, wenn man den kom­pletten Bestand an histo­rischen Instru­menten des Germa­nischen National­museums 3D digi­tali­sieren und ins Internet stellen könnte. Wie das am besten zu bewerk­stel­ligen ist, haben wir mit unserem Standard fest­ge­halten“, so Fuchs.

„Einer von vielen Faktoren, die man jetzt ein­schätzen kann, ist der Auf­wand. Ein Beispiel: Um eine Geige komplett mit einer Auf­lösung von weniger als fünfzig Mikro­metern zu röntgen, benötigt man bis zu zwanzig Stunden. Folg­lich ist man in der Lage, das für die Anzahl von x Instru­menten hoch­zu­rechnen. Dabei fällt eine bestimmte Menge an Volumen­daten an, für die man spezielle Fest­platten, eine bestimmte Menge an Netz­werk­kapa­zität und besondere Soft­ware benötigt. All dies haben wir auf­ge­listet“. Ein weiterer Vor­teil: Die Erfah­rungen und Erkennt­nisse mit den Musik­instru­menten lassen sich auch auf andere Kultur­güter über­tragen, etwa auf wissen­schaft­liche Instru­mente wie Fern­rohre oder auf alte Waffen.

FG / RK

ContentAd

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe
ANZEIGE

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Die HiPace 10 Neo ist ein effizienter, kompakter Allrounder für den Prüfalltag, der geräuscharm und besonders energieeffizient ist.

Sonderhefte

Physics' Best und Best of
Sonderausgaben

Physics' Best und Best of

Die Sonder­ausgaben präsentieren kompakt und übersichtlich neue Produkt­informationen und ihre Anwendungen und bieten für Nutzer wie Unternehmen ein zusätzliches Forum.

Meist gelesen

Themen