Blitzkuriere in der Zelle
Warum Motorproteine eine Bremse haben.
Warum Motorproteine eine Bremse haben.
Jede einzelne unserer Zellen enthält so genannte Motorproteine, die wichtige Substanzen von einem Ort zum anderen transportieren. Doch darüber wie diese Transportvorgänge genau ablaufen ist bisher nur wenig bekannt. Biophysiker der Technischen Universität München (TUM) und der Ludwig Maximilians Universität München (LMU) konnten nun grundlegende Funktionen eines besonders interessanten Motorproteins aufklären.
Abb.: "Optische Pinzette": Im Probenkopf (im Bild Mitte-rechts) können einzelne, an jeweils ein Molekül gebundene Polymerperlen mit einem Laserstrahl fixiert werden. Bewegt sich das Molekül, ist dies über die Optik (vorne rechts) und die beiden Photodioden (vorne Mitte) detektierbar. (Bild: Andreas Battenberg / TU München)
Motorisierte Transportproteine sind einer der Schlüssel zur Entwicklung höherer Lebewesen. Erst durch sie ist es der Zelle möglich, wichtige Substanzen gezielt und schnell an einen bestimmten Ort in der Zelle zu liefern. Bakterien besitzen keine solchen Transportproteine, sie sind daher nicht in der Lage größere Zellen oder sogar große Organismen mit vielen Zellen zu bilden. Ganz besonders wichtig sind Transportproteine in den primären Zilien, den Antennen der Zellen, mit denen sie Informationen aus der Umgebung in die Zelle leiten.
Wie kleine Lastwagen auf einer Autobahn transportieren Kinesine zelluläre Materialien entlang von Proteinfasern, so genannten Mikrotubuli, die die gesamte Zelle durchziehen. Die Kinesine bestehen aus zwei langen, miteinander verdrillten Eiweißketten. Am einen Ende trägt jedes Protein einen Kopf, der an bestimmte Strukturen auf der Oberfläche der Mikrotubuli andocken kann, am anderen Ende wird die Fracht angehängt.
In den Zilien des Fadenwurms Caenorhabditis elegans sind ganz besondere Kinesine am Werk: Sie bestehen aus zwei unterschiedlichen Eiweißketten und eignen sich daher für die Untersuchung der Transportmechanismen besonders gut. Als Fracht hängten die Forscher kleine Kunststoffperlen an die Enden dieser Motorproteine. Mit einer “optischen Pinzette”, einem speziell profilierten Laserstrahl, können sie diese Perlen manipulieren.
Ein Ende des Proteinmoleküls wurde mit der optischen Pinzette fixiert, das andere konnte auf Mikrotubuli laufen. Auf diese Weise maßen die Wissenschaftler die Kraft, mit der das Motorprotein ziehen kann. In winzigen, acht Nanometer großen Schritten läuft das Kinesin-2 in dieser Versuchsanordnung mit seiner Fracht bis zu 1500 Nanometer weit. „Wenn wir es nicht festhalten würden, käme es vermutlich noch sehr viel weiter,“ sagt Zeynep Ökten, vom Institut für Zellbiologie der LMU.
Das untersuchte Kinesin-2 besteht aus einem KLP11- und einem KLP20-Protein. Indem sie die Köpfe der Ketten austauschten, konnten die Forscher zeigen, dass es sich bei KLP11, um ein nicht laufendes Motorprotein handelt. Erst in der Kombination mit dem KLP20 wird daraus ein Transportprotein. Bei weiteren Versuchen konnten sie klären, warum die Natur diese ungewöhnliche Kombination wählt: KLP20-Proteine haben keine „Bremse“. Ein Transportprotein aus zwei KLP20-Einheiten würde permanent laufen und Energie verbrauchen. Das KLP11 bringt dagegen einen Autoinhibierung genannten Mechanismus mit, der dafür sorgt, dass das Transportprotein still steht, wenn keine Fracht angebunden ist.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass ein molekularer Motor, will er in einer Zelle erfolgreich arbeiten, über den einfachen Transport hinaus eine Vielzahl an Funktionen übernehmen muss,“ sagt Matthias Rief aus dem Physik-Department der TU München. Der Motor muss an- und abschaltbar sein, er muss zielgerichtet eine Last aufnehmen und diese am Ziel abgeben können. „Es ist beeindruckend wie die Natur es schafft, all diese Funktionen in einem Molekül zu vereinen. Hier ist sie allen Anstrengungen der modernen Nanotechnologie noch weit überlegen und dient uns allen als großes Vorbild.“
Technische Universität München
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AL