27.09.2019

Blitzschäden sicher lokalisieren

Automatische, Multikopter-basierte Inspektion soll effizient und sicher Defekte an Flugzeugoberflächen finden.

Ein Verkehrsflugzeug wird durchschnittlich einmal im Jahr vom Blitz getroffen. Um mögliche Schäden am Flugzeug auszuschließen, muss eine zeitaufwändige Sicht­prüfung der Außenhaut durch das Wartungs­personal durchgeführt werden. Damit dieser Prüfprozess einfacher zu handhaben ist, entwickelten das Institut für Regelungs­technik (IRT) und der Lehrstuhl für Fertigungs­mess­technik und Qualitäts­management des WZL im Rahmen des Forschungs­projekts „Automatische, Multikopter-basierte Indoor-Inspektion von großen Oberflächen“ – kurz AMIIGO – ein Multikopter-basiertes System zur effizienteren und schnelleren Defektidentifikation und -lokalisierung am Flugzeug. Diese mobile Einheit ermöglicht eine einfache, zerstörungsfreie Inspektion, indem sie mit industrieller Kameratechnik die gesamte Oberfläche des Flugzeugs digitalisiert. Bestandteile des Gesamtsystems sind, neben einer robusten Flugregelung, eine hochgenaue Lokalisierung und eine vollautomatische Bildauswertung.
 

Die Automatisierung des Flugverhaltens des Multikopters wird sukzessive durch eine Pfadplanung, eine darauf aufbauende Trajektorien­optimierung, eine Flugregelung sowie mittels einer Kollisions­vermeidung in Echtzeit realisiert. Die vom IRT umgesetzten Navigations- und Regelungs­algorithmen werden dabei gänzlich autark auf der Drohne selbst ausgeführt. Eine Sensorfusion berechnet dafür zunächst alle zehn Millisekunden eine auf wenige Millimeter genaue Position der Drohne Indoor im Wartungs­hangar. Auf Basis der aktuellen Position sowie eines im voraus optimierten Pfades über die Oberflächen können alle für den Flug notwendigen Steuer­befehle ermittelt werden. Mögliche Hindernisse werden parallel dazu mit einem Laserscanner dynamisch erkannt, um Kollisionen während des Fluges zu vermeiden.

Die automatisierte Defekterkennung in aufgenommenen Bildern sowie die Visualisierung der berechneten Positionen der stecknadel­kopfgroßen Defekte realisiert das WZL. Einsatz finden klassische Algorithmen der Machine Vision sowie moderne Verfahren des Machine Learning. Konkret erfolgt die Identifikation von wartungsrelevanten Oberflächendefekten in den ortsindexierten Bilddaten durch einen Hybrid aus einem klassischen Eck-Erkennungs­algorithmus und einem Convolutional Neural Network. Somit identifizierte Defekte werden dem Wartungs­personal in Form einer interaktiven „Defect-Map“ zur Verfügung gestellt. Dadurch wird es den Wartungsverantwortlichen ermöglicht, die Notwendigkeit und den Umfang einer Wartung abzuschätzen sowie ebendiese Wartung in Abhängigkeit von der Position und Art der Defekte zu planen.

Für die Lokalisation der identifizierten Defekte auf der Flugzeug­oberfläche werden die Bilddaten synchron zum Zeitpunkt der Aufnahme mit Positions­daten aus der Sensorfusion referenziert. Basierend auf dem Positions­datum der Bildaufnahme und der messtechnisch ermittelten Position des realen Flugzeugs im aufgespannten Koordinaten­system erfolgt die virtuelle Projektion der Defektposition auf die Flugzeug­modelloberfläche.

Das innerhalb von zwei Jahren entwickelte System konnte im Rahmen des Projektabschlusses dank der Unterstützung durch die Lufthansa Technik AG in Hamburg an einer Boeing 737-500 erfolgreich demonstriert werden. Gefördert wurde das Projekt durch die Arbeits­gemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e. V. (AiF) mit Unterstützung der deutschen Forschungs­vereinigung für Meß-, Regelungs- und Systemtechnik e.V. (DFMRS) aus Bremen.

RWTH Aachen / DE
 

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