03.09.2024

Booster für die Materialbearbeitung

Ultrakurzpuls-Laserstrahlquelle mit Kilowatt-Leistung soll zahlreiche Fertigungsverfahren voranbringen.

Mit einer neuen, für den industriellen Einsatz konzipierten Ultrakurzpuls-(UKP)-Laserstrahlquelle aus dem Hause Trumpf wird sich das Einsatzspektrum der UKP-Technologie deutlich ausweiten. Das Fraunhofer ILT in Aachen wird das Potenzial der Strahlquelle mit einem Kilowatt mittlerer Leistung in den kommenden Monaten systematisch erkunden. Geplant sind unter anderem Versuche zur Optimierung von Prozessen der Batterie- und Brennstoffzellen-Fertigung, des Werkzeugbaus, der Halbleitertechnik und die Erprobung verschiedener Strahlführungsstrategien. Viele dieser Pilotanwendungen haben ihren Ursprung im Fraunhofer-internen Cluster of Excellence (CAPS), dem 21 Institute der Fraunhofer-Gesellschaft angehören.


Abb.: Steffen Rübling, Trumpf (li.), und Dennis Haasler, Fraunhofer-ILT,...
Abb.: Steffen Rübling, Trumpf (li.), und Dennis Haasler, Fraunhofer-ILT, besprechen Details zur Bedienung des UKP-Lasers.
Quelle: Fh.-ILT / R. Baumgarten

Im Fraunhofer-Cluster CAPS möchten wir klären, wie Hochleistungsstrahlquellen das Einsatzspektrum der UKP-Technologie erweitern können“, erklärt Dennis Haasler, Gruppenleiter Mikro- und Nanostrukturierung am Fraunhofer ILT. Mit entsprechenden Versuchen wird sein Team dieser Frage in den nächsten Monaten systematisch auf den Grund gehen. Im Zentrum steht dabei die neue UKP-Strahlquelle von Trumpf.

Im Zuge einer bilateralen Kooperation stellt das Unternehmen dem Fraunhofer ILT den neuen, für industrielle Einsätze konzipierten TruMicro 9000 zur Verfügung. Mit ihrem Vorstoß in den Kilowattbereich bietet diese Strahlquelle die vielfache mittlere Leistung der aktuell leistungsstärksten UKP-Laser für die Industrie. Auch ihre Pulsenergie von 10 Millijoule übersteigt das bisherige Niveau deutlich. Mit unter 900 Femtosekunden Pulsdauer, zahlreichen Burst-Optionen und sehr hoher Strahlqualität in Verbindung mit hoher Flexibilität bei verschiedenen Arbeitspunkten und den von Trumpf-Industrielasern gewohnten Bedienstandards hat das System das Potenzial, jenen Produktivitätsschub in der UKP-Materialbearbeitung auszulösen, auf den viele Anwender warten. „Erstmals steht uns eine Kilowatt-Strahlquelle zur Verfügung, die wie etablierte UKP-Industrielaser der 200-Watt-Klasse performt“, erklärt Haasler. Mit seinem Team wird er nun evaluieren, wie die hochenergetischen Laserpulse für industrielle Fertigungs- und Veredlungsprozesse nutzbar sind.

Durch die Kombination von erprobten Technologie-Bausteinen in der Verstärkerkette ist es uns gelungen, sowohl die maximale Einzelpulsenergie als auch die resultierende mittlere Leistung deutlich zu steigern“, berichtet Steffen Rübling, Produktmanager für die UKP-Laser der TruMicro-Familie bei Trumpf. Dass die neue Strahlquelle trotz ihrer beeindruckenden Leistung die UKP-typische Strahlqualität erreicht, liegt laut Rübling daran, dass das Entwicklungsteam auf einen umfassenden Erfahrungsschatz zugreifen konnte: Trumpf bietet UKP-Laser verschiedener Leistungsklassen an, denen jeweils unterschiedliche Verstärkertechnologien zugrunde liegen, darunter Faser-, Scheiben- und Slab-Verstärker. Neben dieser Technologie-Vielfalt innerhalb des UKP-Portfolios kommen dem Team Erkenntnisse aus der Komponentenentwicklung für Dauerstrich (CW)- und Kurzpuls-Laser zugute. So war der Hauptverstärker des neuen TruMicro 9000 – eine Multi-Pass-Zelle – ursprünglich für die Verstärkung von Nanosekundenpulsen im Leistungsbereich von drei Kilowatt im Einsatz. Das Übertragen solcher erprobter Technologiebausteine auf die UKP-Strahlquelle hat dafür gesorgt, dass diese auf Anhieb industriellen Anforderungen genügt. Mit dieser stabilen Quelle kann das Fraunhofer ILT nun deren Anwendungspotential erkunden.

Im Zentrum wird dabei die Frage stehen, mit welchen Prozessführungsstrategien und Systemauslegungen sich die hohe mittlere Leistung optimal für die Bearbeitung der jeweiligen Werkstücke nutzen lässt. Dafür stehen im Labor des Fraunhofer ILT mehrere Versuchsaufbauten bereit, mit denen das Team den hohen Leistungs- und Energieinput der Strahlquelle im Sinne einer effektiven und zugleich schonenden Bearbeitung auf die Bauteiloberflächen lenken kann. Dabei kommt ein zentraler Vorteil von UKP-Verfahren zum Tragen: Ihre Femto- oder Pikosekundenpulse bündeln zwar sehr viel Energie, doch dank ihrer Kürze bleibt die thermische Belastung des Materials minimal.

Durch den Eintritt in den Kilowatt-Leistungsbereich und die hohe Pulsenergie bieten sich Strahlteilungs- und Strahllenkungsstrategien an, die stark erhöhte Produktivität durch die Parallelisierung der Bearbeitungsprozesse versprechen. Um das nachzuweisen, setzt Haaslers Team auf vier systemtechnische Ansätze: Der einfachste Ansatz ist der mit konventionellen Galvoscannern umsetzbare Burst-Modus. Hier wird die hohe Energie der Femtosekunden-Pulse auf bis zu acht Einzelpulse verteilt. Daneben setzen die Forscher spezielle Systemtechnik und optische Strategien zur Strahlformung und ultraschnellen Strahlablenkung oder für die Parallelisierung von Bearbeitungsprozessen ein. „Wir brauchen die unterschiedlichen Ansätze, um herauszufinden, mit welcher Strategie wir für die jeweilige industrielle Anwendung die höchste Produktivität erreichen“, erklärt Haasler. So sei etwa beim selektiven Abtrag der Polymerschichten von Compound-Bipolarplatten eine andere Systemtechnik gefragt als bei der punktuellen Entfernung von Aktivmaterialschichten auf Batterieelektroden für deren Kontaktierung oder bei der Mikrostrukturierung von Metalloberflächen.

Am Fraunhofer ILT kann das Team die neue Strahlquelle unter anderem mit einem Polygon-Scanner von Moewe kombinieren, der Scangeschwindigkeiten von bis zu einem Kilometer pro Sekunde ermöglicht. Außerdem steht für die Versuche ein Multistrahlsystem bereit, das verschiedene Bearbeitungsstrategien mit Einzelstrahl oder der Strahlteilung in 100 oder sogar bis zu 900 parallelisierte Teilstrahlen ermöglicht. Als vierte Option steht dem Team die Strahlformung mit Spatial Light Modulators (SLM) offen. Dieser zukunftsträchtige Ansatz befindet sich aktuell noch in der Entwicklung. Durch die Umformung des Strahls in nahezu beliebig designbare optische Stempel könnte er in Zukunft für noch höhere Bearbeitungseffizienz sorgen. „Das gilt erst recht in Verbindung mit Hochleistungs-UKP-Lasern“, sagt Haasler.

Das Fraunhofer ILT wird nun systematisch klären, wie sich die Leistung und Pulsenergie der neuen UKP-Strahlquelle mit den jeweiligen Strahlführungs- und Prozessstrategien in Produktivitätsvorteile ummünzen lässt. Die Pilotanwendungen kommen aus der Praxis. Input liefert unter anderem das CAPS-Cluster, dem 21 Fraunhofer-Institute angehören. Im Cluster können sie für eigene Projektideen und Anwendungen ihrer Industriepartner auf das spezifische Laser-Know-how des Fraunhofer ILT sowie der beiden Fraunhofer-Institute für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena und für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden zugreifen. Weitere UKP-Anwendungen, die das Team evaluieren wird, haben ihren Ursprung in vielfältigen Verbundforschungsprojekten, in denen das Fraunhofer ILT mit Industriepartnern nach neuen Prozesslösungen für die Fertigung von Batterien, Brennstoffzellen oder von Elektrolyseuren sucht. Daneben gibt es im Werkzeugbau, in der Medizin- und Umwelttechnik, der Halbleiterfertigung und in den Printed Electronics vielfältige Anwendungen, in denen UKP-Materialbearbeitung Qualitätsvorteile verspricht. Der breite Industrieeinsatz scheiterte aber bisher am noch nicht ausreichenden Produktivitätsniveau. Dies könnte sich durch den Leistungsschub dieser UKP-Strahlquellen nun ändern.

Mit der neuen UKP-Strahlquelle von Trumpf wird das Fraunhofer-Team nun im Detail klären, wie sich die Kilowatt-Leistung in der Materialbearbeitungspraxis nutzen lässt – und wie sich das hohe Leistungsniveau auf die Prozessqualität, die Werkstücke und die eingesetzten Optiken auswirkt. „Zehn Millijoule Pulsenergie erfordern hochqualitative, präzise ausgelegte optische Komponenten“, erklärt Haasler. Auch praktische Fragen wie der Wärmeeintrag ins Bauteil oder die etwaige Schmutzentwicklung infolge des erhöhten Materialabtrags seien zu klären. Fraglich sei zudem, inwieweit es durch die Kombination aus hohen Abtrags- und Repetitionsraten punktuell zu einer ungewollten Abschirmung der Laserstrahlung kommen kann oder ob bei der Multistrahlbearbeitung Interaktion zwischen dem abgetragenen Material und den umliegenden Teilstrahlen droht. Weitere Fragestellungen betreffen die Lebensdauer und die Verschmutzung der optischen Elemente in der Prozesskammer und den Strahlenschutz. Und nicht zuletzt steht die Frage im Raum, ob ein Kilowatt genügt oder ob es noch leistungsstärkerer Laser bedarf, um das industrielle Potenzial der UKP-Technik auszuschöpfen. Die Möglichkeit dazu ist laut Trumpf-Produktmanager Rübling in der modularen Architektur des TruMicro 9000 angelegt: „Neben der weiteren Steigerung der mittleren Leistung sind auch eine Konversion der Wellenlänge oder eine Verlängerung oder Reduktion der Pulsdauer möglich“, erklärt er.

In Vorbereitung auf die Versuche mit dem aktuellen System hat sich das Fraunhofer ILT theoretisch diversen Anwendungen in der Mikro- und Nanostrukturierung angenähert, und dafür anhand der benötigten Materialabtragvolumen und -raten die erforderlichen Laserleistungen berechnet. Das Spektrum dieser Anwendungen umfasst das gezielte Strukturieren der Graphitschichten auf Elektroden von Lithium-Ionen-Batterien für die Steigerung von deren Leistungsdichte und Schnellladefähigkeit, das selektive Abtragen und punktuelle Anrauen von Bipolarplatten für Brennstoffzellen und Elektrolyseure, das Laserstrukturieren von Druckwalzen oder auch spezifische Applikationen in den Printed Electronics. Weitere vielversprechende Einsatzfelder sind die ultraschnelle Nanopolitur, Mikrobohrungen in Wasserfiltern sowie das Zerteilen von Wafern in Einzelchips. Laut Haasler bergen Hochleistungs-UKP-Prozesse auch großes Potenzial für die zielgerichtete Oberflächenfunktionalisierung beispielsweise mit Blick auf Anti-Reflex-Eigenschaften oder Selbstreinigungseffekte oder Reibungsminimierung und Strömungsoptimierung. Auch die Raumfahrt habe Bedarf. So seien UKP-Prozesse geeignet, um hochemissive Aluminiumoberflächen für die Wärmeabfuhr aus Satelliten zu fertigen.

In vielen der genannten Anwendungsfelder ist die Qualität von UKP-Verfahren bereits nachgewiesen. Es kommt nun darauf an, die Produktivität auf industrielles Niveau zu steigern“, erklärt Haasler. Damit Hochleistungs-UKP-Prozesse künftig tatsächlich immer mehr Produkte veredeln können, müssten sie die Taktzeiten bestehender Prozessketten und den Kostenrahmen einhalten.

Ein weitere mögliche Applikation ist der Einsatz als Secondary Source zur Erzeugung von Röntgenstrahlung, die das Fraunhofer ILT gemeinsam mit Trumpf und weiteren Industriepartnern im aktuellen BMBF-geförderten Forschungsprojekt XProLas erkundet. UKP-Laser dienen beim Erzeugen der Röntgenstrahlung als vorgelagerte Strahlquelle. Ihre hochintensiven Pulse werden auf weniger als 50 Femtosekunden komprimiert und treffen stark fokussiert und auf das Target – ein Metall wie Gallium, Indium oder Zinn. Abhängig von dem jeweiligen Target entstehen so unterschiedliche Plasmen, die einen Teil ihrer Energie als äußerst kurzwelliges Licht abstrahlen. Geplant sind im Projekt hochkompakte exzellente Röntgenstrahlungsquellen, die in Zukunft Einblicke in laufende Be- und Entladeprozesse von Batterien ermöglichen sollen.

Auf Basis theoretischer Annahmen für vielfältige Anwendungen und Materialien wird das Team nun mit den praktischen Versuchen beginnen. Das Ziel ist es, die vermuteten Produktivitätsvorteile zu verifizieren. Ob beim selektiven Abtrag der Polymerschichten von Compound-Bipolarplatten oder beim Anrauen der Edelstahlflächen metallischer Bipolarplatten: Das Team wird dem Potenzial der neuen Kilowatt-Strahlquelle systematisch auf den Grund gehen. Wo immer Oberflächenvergrößerung und -modifikationen, Polituren, das Freilegen von Kontaktierungszonen oder Nano- und Mikrostrukturierung gefragt sind, können UKP-Verfahren ihre spezifischen Vorteile in Verbindung mit den entsprechenden Strahlteilungs- und Strahllenkungsstrategien ausspielen. Ihr Potenzial reicht von deutlich produktiverer Materialbearbeitung bis zur Substitution vielfältiger chemischer Prozesse.

Damit wird die UKP-Technologie auch substanzielle Beiträge zur Nachhaltigkeit leisten: Ob sie im Multistrahlverfahren Milliarden winziger, für Bakterien undurchlässige Poren in Wasserfilter bohrt, Flugzeugtragflächen und Rotorblätter von Windenergieanlagen mit strömungsoptimierenden Mikrostrukturen versieht, oder ob sie durch Nano- und Mikrostrukturierung sowie selektiven Materialabtrag die Performance von Batterien, Brennstoffzellen und Elektrolyseuren optimiert: Der Nutzen für den Umwelt- und Klimaschutz liegt auf der Hand. Und so werden aus den ultrakurzen, energiegeladenen Lichtpulsen neue Impulse für die anstehende Transformation hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft.

Der 8. UKP Workshop am 8. und 9. April 2025 adressiert neben den Grundlagen der UKP-Technologie aktuelle Entwicklungen im Bereich der UKP-Strahlquellen und der erforderlichen Systemtechnik. Das Themenspektrum reicht von den Basics der UKP-Technologie über neueste Trends in der Strahlformung und bei den Laserstrahlquellen bis hin zu Anwendungen in der Elektronik, Energiespeicherung, Glasbearbeitung und Mikroelektronik. Experten stellen auf dem Kongress außerdem erste Ergebnisse der Versuchsreihen mit dem TruMicro 9000 vor.

Fh.-ILT / DE


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