18.05.2007

Bose-Einstein-Kondensat aus Polaritonen

Ein System aus Quasiteilchen zeigt auch bei höheren Temperaturen ein für Bose-Einstein-Kondensate typisches Verhalten.



Ein System aus Quasiteilchen zeigt auch bei höheren Temperaturen ein für Bose-Einstein-Kondensate typisches Verhalten.

Pittsburgh (USA) – Aus einer Wolke aus Rubidiumatomen bestand das erste Bose-Einstein-Kondensat (BEC). Fast auf den absoluten Nullpunkt musste dieses System abgekühlt werden, damit alle Bosonen wie im Gleichschritt den gleichen Grundzustand annehmen konnten. Um BEC auch bei höheren Temperaturen untersuchen zu können, schauen Forscher nicht mehr nur auf Atome, sondern auf andere Gruppen von Bosonen, den Quasiteilchen. In der Zeitschrift „Science“ berichten Physiker nun von einem BEC aus Polaritonen, das bei bis zu 32 Kelvin stabil sein soll.

„Obwohl Polaritonen kaum sichtbar gemacht werden können und ihre Lebensdauer kurz ist, zeigt das System alle essentiellen Anzeichen wie ein BEC aus gefangenen Atomen“, schreiben David Snoke und seine Kollegen von der University of Pittsburgh und von den Bell Labs in Murray Hill. In ihrem Experiment konzentrierten die Physiker die Exziton-Polaritonen in einer Mikrokavität aus dem Verbindungshalbleiter Galliumarsenid. In ersten Versuchen erzeugten sie diese Bosonen, die aus der Wechselwirkung eines Elektron-Loch-Paares und eines Photons entstehen, bei etwa 4,2 Kelvin. In späteren Versuchen gelang die BEC-Erzeugung sogar bei bis zu 32 Kelvin.

Als deutliche Anzeichen für ein BEC beobachten Snoke und Kollegen Signaturen einer spontanen Kohärenz der Polaritonen. Oberhalb einer kritischen Dichte der extrem leichten Bosonen konnten sie ein sehr scharfes Photolumineszenz-Spektrum aufnehmen. Zugleich nahm der Raum der Polaritonen abrupt um einen Faktor 3 ab bis an die Grenze des Auflösungsvermögens von etwa acht Mikrometern. Zudem legte die Energieverteilung der Polaritonen nahe (gemessen über die Winkelverteilung der Lichtaussendung des Ensembles), dass alle Polaritonen den gleichen Grundzustand eingenommen hatten. Und nicht zuletzt zeigte das emittierte Licht oberhalb der kritischen Teilchendichte eine spontane lineare Polarisation.

„Der dramatischen Übergang des Systems zu einer linear polarisierten, kompakten, kohärenten Lichtquelle ist konsistent mit dem Bild eines BEC aus Exziton-Polaritonen“, erläutern die Forscher. Dennoch sind solche BEC aus Quasiteilchen in der Fachwelt noch umstritten, da es sich nicht um zusammengeballte, gefangene Atome handelt wie bei konventionellen BEC. Doch Snoke und Kollegen sind davon überzeugt, dass auch ihre exotischeren BEC bei Temperaturen deutlich über dem absoluten Nullpunkt sehr gut für die Untersuchung von Quanteneffekten geeignet sind. Was wirklich den Namen BEC verdiene, sei nur eine Frage der Terminologie.

Bereits letztes Jahr berichteten deutsche Forscher über ein exotisches BEC bei Raumtemperatur. Ihr Kondensat bestand nicht aus Elektronen oder Atomen, sondern aus so genannten Magnonen. Diese Bosonen sortierten sich zu einem geordneten Ensemble magnetischer Momente.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

  • S. N. Bose, Plancks Gesetz und Lichtquantenhypothese, Zeitschrift für Physik 26, 178 (1924).
  • Einstein, Quantentheorie des einatomigen idealen Gases, Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften 22, 261 (1924) und 1, 3 (1925).
  • H. Fröhlich, Bose condensation of strongly excited longitudinal electric modes, Physical Letters A 26, 402 (1968).
  • S. O. Demokritov et al., Bose-Einstein condensation of quasi-equilibrium magnons at room temperature under pumping, Nature 443, 430 (2006).
    http://dx.doi.org/10.1038/nature05117

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