11.05.2021

Bosonisch kondensierte Exziton-Polaritonen

Exziton-Polariton-Zustände machen Laser aus nur einer Atomlage dünnen Halbleiterschichten möglich.

Bei extrem niedrigen Temperaturen verhält sich Materie oft anders als gewohnt. So können physikalische Teilchen wenige Grad über dem absoluten Temperatur­nullpunkt ihre Eigen­ständigkeit aufgeben und für kurze Zeit zu einem einzigen Objekt mit identischen Eigenschaften verschmelzen: ein Bose-Einstein-Kondensat. Diese stellen einen besonderen Aggregats­zustand der Materie dar. Einem internationalen Team um die Oldenburger Forscher Carlos Anton-Solanas und Christian Schneider ist es nun erstmals gelungen, diesen ungewöhnlichen Quanten­zustand in Ladungs­träger­komplexen zu erzeugen, die eng mit Lichtteilchen verbunden sind und sich in extrem dünnen Halbleiter­schichten aus einer einzigen Atomlage befinden. Dabei entsteht Licht mit Laser­charakteristik. Das Phänomen könnte sich daher nutzen lassen, um die kleinsten denkbaren Festkörper­laser zu erzeugen.

 

Abb.: Kristalle, die aus einer einzigen Schicht von Atomen bestehen (Bildmitte)...
Abb.: Kristalle, die aus einer einzigen Schicht von Atomen bestehen (Bildmitte) und zwischen Spiegeln platziert sind, lassen sich in einen exotischen Quanten­zustand versetzen, erkennbar durch kohärente Licht-Emissionen (oben, rot). (Bild: J. Michl)

Die Arbeit ist das Resultat einer Kooperation der Oldenburger Forscher mit den Arbeits­gruppen von Sven Höfling und Sebastian Klembt von der Universität Würzburg, Sefaattin Tongay von der Arizona State University (USA), Alexey Kavokin von der Westlake University (China) sowie Takashi Taniguchi und Kenji Watanabe vom National­institut für Materialwissenschaften in Tsukuba (Japan).

Im Mittelpunkt der Forschung stehen Exziton-Polaritonen. Dabei handelt es sich um eine Kopplung aus angeregten Elektronen in Festkörpern und Lichtteilchen. Sie entstehen, wenn Elektronen durch Laserlicht in einen Zustand höherer Energie versetzt werden. Nach Bruchteilen einer Sekunde geben die Elektronen die Licht­teilchen wieder ab. Wenn diese zwischen zwei Spiegeln gefangen werden, können sie wiederum neue Elektronen anregen – ein Zyklus, der sich fortsetzt, bis das Licht­teilchen aus der Falle entkommt. Die zwischen­zeitlich entstandenen Gebilde aus Licht und Materie werden als Exziton-Polaritonen bezeichnet. Sie kombinieren interessante Eigenschaften von Elektronen und Photonen. „Bauteile, die diese neuartigen Licht-Materie-Zustände kontrollieren können, versprechen einen Technologie­sprung gegenüber heutigen Elektronik-Schaltkreisen”, sagt Hauptautor Anton-Solanas, Postdoktorand in der Arbeitsgruppe Quanten­materialien am Institut für Physik der Universität Oldenburg. Solche opto­elektronischen Schalt­kreise, die mit Licht statt mit elektrischem Strom betrieben werden, könnten Informationen in Zukunft besser und schneller verarbeiten als derzeitige Prozessoren.

Das Team um Anton-Solanas und Schneider befasste sich nun mit Exziton-Polaritonen in extrem dünnen Kristallen aus einer einzigen Lage von Atomen. Diese zweidimensionalen Kristalle haben oft ungewöhnliche physikalische Eigenschaften. Das verwendete Halbleiter­material Molybdän-Diselenid reagiert beispielsweise sehr empfindlich auf Licht. Die Forscher stellten weniger als einen Nanometer dicke Lagen aus Molybdän-Diselenid her und platzierten diesen zweidimensionalen Kristall zwischen zwei eng beieinander­liegenden Schichten aus anderen Materialien, die Licht wie ein Spiegel reflektieren – eine Mikrokavität. „Diese Struktur ist so etwas wie ein Käfig für Licht“, erläutert Anton-Solanas.

Er und seine Kollegen kühlten ihren Aufbau auf wenige Grad über dem absoluten Temperatur­nullpunkt und regten mit Hilfe von kurzen Laserblitzen die Bildung von Exziton-Polaritonen an. Ab einer bestimmten Intensität beobachteten sie, dass die Licht­emissionen ihrer Probe schlagartig anstiegen. Zusammen mit weiteren Indizien erlaubte dies den Schluss, dass es ihnen gelungen war, ein Bose-Einstein-Kondensat aus Exziton-Polaritonen zu erzeugen. „Theoretisch könnte sich dieses Phänomen nutzen lassen, um kohärente Lichtquellen aufzubauen, die nur auf einer einzigen Scheibe von Atomen basieren“, sagt Anton-Solanas. „Auf diese Weise hätte man den kleinst­möglichen Festkörper­laser erzeugt.“

Die Forscher sind zuversichtlich, dass sich der Effekt mit anderen Materialien auch bei Raum­temperatur erzeugen lässt und damit langfristig auch für praktische Anwendungen verwendbar wäre. Erste Experimente des Teams in dieser Richtung waren bereits erfolgreich. Die Studie ist ein Ergebnis des Projekts „unlimit2D“ unter Leitung von Christian Schneider, das der Europäische Forschungsrat (ERC) mit einem „Starting Grant“ fördert. Die Experimente fanden an der Universität Würzburg statt.

U. Oldenburg / DE

 

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