30.03.2011

Brownsches Teilchen in der Ballistik

Die Brownsche Bewegung von Mikropartikeln im Wasser wurde jetzt mit Nanosekunden- und Pikometer-Auflösung beobachtet.

Die Brownsche Bewegung von Mikropartikeln im Wasser wurde jetzt mit Nanosekunden- und Pikometer-Auflösung beobachtet.

Auch 200 Jahre nach ihrer Entdeckung wirft die Brownsche Bewegung, die mikroskopische Teilchen in einer Flüssigkeit vollführen, Fragen auf. So hat man die geradlinige Bewegung der Partikel zwischen den Kollisionen mit den Flüssigkeitsmolekülen bisher nicht direkt beobachten können. Es ist deshalb noch unklar, wie der Übergang vom ballistischen zum diffusiven Verhalten der Teilchen aussieht. Jetzt haben Forscher in Texas die Bewegungen von Mikropartikeln in Wasser mit bisher unerreichter räumlicher und zeitlicher Auflösung verfolgt und dabei Trägheits- und Gedächtniseffekte beobachtet.

Abb.: Die Bewegung des Brownschen Teilchens in Wasser wird mit Laserlicht alle 10 ns auf 20 pm genau gemessen. (Bild: Rongxin Huang et al., Nature Physics)

Mark Raizen und seine Kollegen von der University of Texas in Austin wollen Einsteins 1907 gemachte Vorhersage widerlegen, dass man die Momentangeschwindigkeit eines Brownschen Teilchens in einer Flüssigkeit nicht messen kann, da sie sich viel zu schnell ändert. Im vergangenen Jahr hatten die Forscher mit Laserinterferometrie die Bewegungen von mikrometergroßen Glaskügelchen in einem gasförmigen Wärmebad beobachtet. Da zwischen zwei Kollisionen einer Kugel mit den Gasmolekülen Mikrosekunden lagen, konnten sie die ballistische Bewegung beobachten und so die Gültigkeit der Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung bestätigen.

Jetzt haben die texanischen Forscher mit einer verbesserten Versuchsanordnung die Bewegungen von mikrometergroßen Glas- und Plastikkügelchen in einem Wasserbad untersucht. Dabei erreichten sie zeitliche und räumliche Auflösungen von 10 ns bzw. 20 pm. Das reichte zwar noch nicht aus, um den unregelmäßigen Tanz der Kügelchen unter dem Bombardement der Wassermoleküle lückenlos zu verfolgen. Doch die Forscher sahen für solch kurze Zeiten deutliche Abweichungen vom üblichen diffusiven Verhalten der Brownschen Teilchen.

So war die mittlere quadratische Verschiebung <Δx(t)2> für Zeiten unterhalb von 1 µs proportional zu t2, wie man das für ballistische Bewegungen erwartet. Dabei machte sich die Kugelmasse bemerkbar, da eine leichte Kugel stärker durch die molekularen Stöße bewegt wird als eine schwere. Tatsächlich war <Δx(t)2> für leichte Plastikkugeln größer als für gleichgroße aber schwerere Glaskugeln. Im Bereich von Millisekunden bewegten sich die Kugeln diffusiv, d. h. <Δx(t)2> war proportional zu t. Jetzt spielte die Kugelmasse keine Rolle mehr und es kam nur auf den Kugeldurchmesser an.

Für dazwischen liegende Zeiten bewegten sich die Kugeln weder ballistisch noch diffusiv, da sich hydrodynamische Gedächtniseffekte bemerkbar machten. Die Bewegung einer Kugel rief im umgebenden Wasser winzige, langlebige Wirbel hervor, die auf die Kugel zurückwirkten. Um diese Effekte zu sehen, berechneten die Forscher erstmals die Autokorrelationsfunktion der Teilchengeschwindigkeit in einer Flüssigkeit: <v(s)v(s+t)>, wobei über den Zeitpunkt s gemittelt wird. Diese Berechnung war möglich, da die gemessenen Kugeltrajektorien dank der hohen räumlichen und zeitlichen Auflösung hinreichend stetig waren.

Die Geschwindigkeitsautokorrelation des Teilchens ging für große Zeiten t gegen 0, allerdings nicht exponentiell, wie von der „klassischen“ Langevin-Theorie vorhergesagt, sondern aufgrund der Trägheit der umgebenden Flüssigkeit viel langsamer, nämlich wie 1/t3/2. Für Zeiten unter 1 µs lag die gemessene Autokorrelation hingegen deutlich unter der Langevin-Vorhersage. Hier verringerten die schon erwähnten Flüssigkeitswirbel die Autokorrelationen der Geschwindigkeit. Eine verbesserte Theorie, die die Gedächtniseffekte berücksichtigt, konnte dieses Verhalten der Autokorrelationen für Zeiten zwischen 100 ns und 1 ms reproduzieren. Die Forscher wollen auf ähnliche Weise auch das Verhalten von Brownschen Teilchen in porösen und inhomogenen Medien untersuchen.

Rainer Scharf

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